Der Papst ist weit weg
Schweiz

«Ich fühlte mich mit dem Papst verbunden, obschon er sehr weit weg war»

Genf, 22.6.18 (kath.ch) Annemarie Ludwig, Toma Nikaj, Andreas Raschle und Melanie Keller haben am Donnerstagabend den Gottesdienst mit Papst Franziskus in Genf mitgefeiert. Die vier waren in einer 35-köpfigen Gruppe aus der Ostschweiz angereist. Zwar konnten nicht alle die Anwesenheit von Franziskus in den riesigen Palexpo-Hallen spüren – die Reise nach Genf bereut dennoch keiner von ihnen.

Barbara Ludwig

Die Live-Begegnung mit Papst Franziskus war für einige eine Première. Die vier Ostschweizer, welche am Donnerstagabend zusammen mit über 40’000 Gläubigen aus verschiedenen Regionen der Schweiz und dem Ausland an der Messe teilnahmen, erlebten diese unterschiedlich. Annemarie Ludwig (76) hatte sich gewünscht, die Anwesenheit des Papstes «physisch» geniessen zu können. Das sei schliesslich nicht möglich gewesen, sagt sie. Wegen der grossen Entfernung.

«Die Halle kann man nicht als Andachtsraum bezeichnen».

Die Gruppe aus der Ostschweiz hatte weit hinten in den Palexpo-Hallen Platz gefunden, sie war auch erst am Nachmittag angekommen. Von dort sah man nur das strahlende Kreuz über dem Altar leuchten, während dieser und die Zelebranten unsichtbar blieben. Auf einem Grossbildschirm in der Nähe konnte man einen Teil des Geschehens mitverfolgen.

Annemarie Ludwig empfand das aber «unpersönlicher als im Fernsehen», weil jeweils nur einzelne Szenen gezeigt wurden. «Die Zelebranten und die Gemeinde sollten näher zusammen sein. Wir bräuchten eine sakralere Umgebung. Die Halle kann man nicht als Andachtsraum bezeichnen».

Die St. Gallerin fand es auch etwas unruhig in der grossen Masse, das Kommen und Gehen von Menschen – auch während der Feier – störte sie. Trotz alldem ist Annemarie Ludwig nicht enttäuscht. «Nein, gar nicht», versichert sie lebhaft und lacht. «Ich wusste ja, dass der Papst weit weg sein würde.» Sie ergänzt: Was er kurz vor dem Schlusssegen sagte, habe ihr gefallen: «Vergesst nicht, für mich zu beten.» Das sage der Papst immer wieder. «Und er meint es wirklich ernst. Er fühlt sich als Mensch unter Menschen.»

«Der Papst fühlt sich als Mensch unter Menschen.»

Bei Andreas Raschle (53) spielte die räumliche Distanz zum Papst keine Rolle. «Ich fühlte mich mit ihm verbunden, obschon er sehr weit weg war.» Der Arboner lobt die Übertragung auf den Grossbildschirm. «So war man mit hineingenommen in die Messe», die er als sehr eindrücklich erlebte. Den Grossanlass in den Palexpo-Hallen nahm er etwas anders wahr als die Mitreisende Annemarie Ludwig. «Ich war erstaunt, wie ruhig es war.»

Strahlendes Kreuz gibt Christen eine Aufgabe

Angesprochen hat ihn besonders das leuchtende Kreuz über dem Altar. Für ihn stellte es die «Strahlkraft» dar, die von der Kirche ausgehen müsste. Damit verbunden sei auch eine Aufgabe der Christen: «Wir sollten den Glauben so leben, dass er gegen aussen wirkt», sagt Andreas Raschle.

Toma Nikaj (50) fand den Gottesdienst mit Papst Franziskus «superschön». Die Ausstrahlung des Kirchenoberhauptes bezeichnet er als «unwahrscheinlich gut» und «natürlich». Die Entfernung minderte das Erlebnis für den Katholiken aus dem st. gallischen Heerbrugg kaum. Als der Papst vor Beginn der Messe auf seiner mobilen Plattform in den Gängen zwischen den Stuhlreihen eine Runde fuhr, stieg Toma Nikaj wie viele andere auf den Stuhl, um ihn besser zu sehen.

Momente der Euphorie

Das war auch der Moment, den Melanie Keller (27) bereits kennt: «Als der Papst kam, war die Euphorie da, die man auch am Weltjugendtag erlebt». Und sie ergänzt: «So nah wie gestern kamen wir auch beim Weltjugendtag in Polen nicht an ihn heran.» Auch der jungen Frau hat die Messe in Genf gefallen. Etwa die Vielsprachigkeit und Präsenz so vieler Nationen. Sie bedauert einzig, dass die Lautsprecher nicht immer funktioniert hätten. Die Predigt des Papstes über das zentrale Gebet der Christenheit, das Vaterunser, möchte sie noch nachlesen. Sie habe die französische Untertitelung auf dem Bildschirm zu wenig verstanden.

Gemeinschaftserlebnis

Für manche war das Zusammensein in einer Gruppe wichtig. So für Toma Nikaj. Man wisse, dass alle aus demselben Grund mitkämen, und es sei schön, mit den anderen Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Der Wein-Sommelier schätzte es, für einmal «mit schlichten gläubigen Menschen zusammen zu sein».

Und Annemarie Ludwig fühlte sich in den Palexpo-Hallen inmitten der Menge «geborgen», weil in der Reihe hinter ihr die Leute aus der Gruppe sassen. «Es ist wahnsinnig, wie schnell aus Menschen, die sich zuvor nicht kannten, eine Gemeinschaft wird», sagt sie.

Der Papst ist weit weg | © Peter Williams/WCC
22. Juni 2018 | 13:16
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