Daniel Schmid in einer Pause während Aufnahmen in einem Tonstudio in Bettlach im Kanton Solothurn.
Schweiz

Heraustüfteln, wie ein Lobpreis mit Heavy Metal gehen soll

Thun, 9.7.19 (kath.ch) Daniel Schmid ist Bandleader einer speziellen Heavy-Metal-Band: Sie gestaltet die Gottesdienste der reformierten Szenekirche Metalchurch mit. Dies ist ein Beitrag zur Sommerserie 2019 «Heilige Musik».

Ueli Abt

Es war die Energie, die Schnelligkeit und die Lautstärke, die Daniel Schmid am Heavy Metal faszinierte. Als Jugendlicher lernte er den Musikstil durch Kollegen kennen. «Die Musik hat mir gefallen, ich bin da hineingerutscht», sagt der heute 30-Jährige.

Eine Ästhetik wie in Horror-Filmen und die rebellische Attitüde des Genres hätten ihn damals, passend zu seinem Alter, fasziniert. Doch im Vordergrund gestanden sei das nicht. Hauptsächlich ging es ihm um die Musik.

Aus religiösem Elternhaus

Schmid stammt aus einem christlichen Elternhaus im Kanton Bern. Die Eltern gehörten zunächst während vielen Jahren der Landeskirche an. Später schlossen sie sich dem «Evangelischen Gemeinschaftswerk» (EGW) an, einer Freikirche mit Nähe zur Landeskirche. Schmid wuchs dort hinein.

«Es ist nicht falsch, solange man nahe bei Gott ist.»

Wo doch einige Metal-Bands Okkultismus mindestens als Provokation auf die Fahnen schreiben, stellte sich für Schmid bald auch die Frage, ob diese Art von Musik zu hören eigentlich okay sei. Festivals wie die Christmas Rock Night im deutschen Ennepetal bei Dortmund wie auch das «Elements of Rock» im zürcherischen Uster zeigten ihm, dass Christentum und Heavy Metal durchaus vereinbar sein können. Damals war er 16. Er habe erkannt: «Es ist nicht falsch, solange man nahe bei Gott ist.»

In L.A. Musik studiert

Als Schmid ein paar Jahre später vom reformierten Pfarrer Samuel Hug angefragt wurde, ob er in der Band der Metalchurch mitwirken wolle, sagte er sogleich zu. Damals hatte er eben ein Jahr an einer Musikschule für zeitgenössische Musik in Los Angeles, dem heutigen L.A. College of Music, abgeschlossen. Er hatte dort diverse Musikgattungen und -stile wie Jazz, Rock, Blues, Latin, Cuban und Funk kennen und spielen gelernt. Die Leidenschaft für Heavy Metal war geblieben, und diese lebte er fortan in einer weiteren Formation nebst der Metal-Church-Band aus. «Inzwischen war ich dafür technisch gut genug geworden», sagt Schmid.

Die Szenekirche Metalchurch war damals, 2012, im Aufbau. Metalchurch will eine Kirche sein für Liebhaber harter Rockmusik. Der Hauptunterschied der Metalchurch gegenüber anderen Kirchen aus Sicht von Schmid: Der Gottesdienst findet am Samstagabend in einem öffentlichen Lokal, eigentlich einer Beiz statt. Danach gibts ein Konzert. Vom Ablauf des Gottesdienstes her sei es nicht völlig anders: Predigt, Lobpreis, Abendmahl, Infos und zum Schluss der Segen. «Es ist ganz klassisch», sagt Schmid.

Mehr wild als feierlich

Power-Akkorde von Stromgitarren, rauher Kehlgesang, brachiale Drumbeats und ein hektischer Orgelpunkt-Bass – die Musik in Metalchurch-Gottesdiensten scheint auf den ersten Blick himmelweit entfernt von herkömmlicher Kirchenmusik zu sein: Hier der Heavy Metal, stets quasi im Vivacissimo-Modus, dort die herkömmliche Orgelmusik, Begleitung der singenden Gemeinde in feierlichem Largo.

Schmid findet, dass trotz der musikalischen Gegensätze Glaube und Metal «definitiv» zusammen passen. «Im Leben ist auch nicht immer alles super, ist nicht alles Friede, Freude», sagt Schmid. Die Musik voller Reibung und Energie passe zum Gefühl, dass das Leben manchmal ein Kampf sei, dass der Glauben auch mal angefochten werde. Mit der energiegeladenen Musik lasse sich dabei auch Dankbarkeit ausdrücken, genau so wie bei einem Lobpreis, wie er in anderen freien Kirchen praktiziert wird.

Nicht einfach Show bieten

Lobpreis: In heutiger From ist dies ein einstrophiges Lied im Stil eines Pop- oder Rocksongs, mit dem Gesang soll Gott gelobt werden. Aus seinem bisherigen kirchlichen Umfeld kannte Schmid diese Sonderform des Gebets bestens. Als Leader der Metalchurchband hiess es für ihn nun, gemeinsam mit seinen Mitmusikern herauszutüfteln, wie man den Lobpreis in die Metal-Welt überführen könnte.

«Wir haben uns lange damit auseinander gesetzt, wie Lobpreis mit Metal geht», sagt Schmid. Zunächst sei es darum gegangen, dass die Band den Kirchenmitgliedern nicht einfach eine Show bietet. Dann aber auch, wie können die Gottesdienstbesucher mitsingen, wenn der Sänger growlt? Das so genannte Growling umschreibt Schmid als «verzerrte E-Gitarre mit der Stimme» – und übersetzt das Wort für komplette Metal-Laien mit «schreien». Springender Punkt dabei sei, dass auf diese Weise gesungene Stücke «nicht immer so verständlich» seien. Eine Projektion des Textes helfe, diesen Nachteil auszugleichen.

Und: «Wir haben Stücke immer wieder gespielt, damit die Besucher im Gottesdienst sie kennenlernen.» Für ihn als Teil der Band sei es weiter darum gegangen, beim Spielen offener zu werden, Teile zu wiederholen, spontan zu werden, um dabei auf den Heiligen Geist zu hören und zu spüren: «Jetzt geht es musikalisch woanders lang».

Den Jazz entdeckt

Längst hat Schmid gemerkt, dass die Musik für ihn mehr sein würde als ein Hobby. Nach der Rückkehr aus Los Angeles studierte er parallel zu seiner Haupttätigkeit als Maschinenzeichner Jazz an der Hochschule der Künste Bern. Am Jazz schätzt er heute den harmonischen Reichtum, die klangliche Komplexität.

Die Faszination für Metal ist geblieben. Sich in verschiedenen Musikstilen einfühlen und zurechtfinden zu können, sieht er heute als Teil der Professionalität. Jazz oder Metal? Die Frage stelle sich nicht. «Ich kann beides machen. Es ist schön, dass ich mich nicht entscheiden muss», sagt Schmid.

 

 

Daniel Schmid in einer Pause während Aufnahmen in einem Tonstudio in Bettlach im Kanton Solothurn. | © Marco Sulzener / zVg
9. Juli 2019 | 12:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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