Auch die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative, 2020
Schweiz

Giusep Nay: «Den Kirchen darf eine Unterstützung der KVI nicht verboten werden»

Der FDP-Nachwuchs reicht eine Stimmrechtsbeschwerde ein. Der Vorwurf: Die Kirchen lehnen sich mit ihrem Einsatz für die KVI zu weit aus dem Fenster. «Ein staatliches Verbot würde die Religionsfreiheit verletzen», sagt der frühere Bundesgerichtspräsident Giusep Nay.

Raphael Rauch

«Die Jungfreisinnigen verkennen die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Anerkennung und die Religionsfreiheit», sagt der Katholik Giusep Nay. Er war von 1989 bis 2006 Richter am Schweizerischen Bundesgericht und von 2005 bis 2006 Gerichtspräsident.

Autonomie der Landeskirchen

«Die Pfarrerinnen und Pfarrer müssen frei entscheiden können, was sie predigen und wofür die Pfarreien öffentlich einstehen», sagt Nay. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, an Kirchengebäuden für die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) zu werben.

Alt-Bundesrichter Giusep Nay
Alt-Bundesrichter Giusep Nay

«Diese Initiative wird wesentlich auch von den kirchlichen Hilfswerken mitgetragen. Deren Anliegen dürfen mit Kirchensteuergeldern unterstützt werden», sagt Nay.

«Denn die Organisationen stehen für einen christlichen Geist. Ein entsprechendes staatliches Verbot würde auch gegen die Autonomie der Landeskirchen verstossen.»

Forderung: politische Neutralität

Nay reagiert auf eine Initiative des FDP-Nachwuchses im Aargau. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtete, hat dieser eine Stimmrechtsbeschwerde beim Regierungsrat eingereicht.

Laut den Jungfreisinnigen haben die Kirchen als öffentlich-rechtliche Institution eine privilegierte Position. Dies zeige sich etwa in der Möglichkeit, Kirchensteuern einzuziehen.

Kampagne auf Rädern: pro Konzernverantwortungsinitiative.
Kampagne auf Rädern: pro Konzernverantwortungsinitiative.

«Die Kirche soll sich deswegen, wie andere staatliche Institutionen, an den Grundsatz der politischen Neutralität und an die Grundrechte halten», heisst es in einer Mitteilung der jungen FDP.

Viele Katholiken unterstützen die KVI

Die Schweiz stimmt am 29. November über die KVI ab. Diese hat in Kirchenkreisen viele Unterstützer – allen voran die Schweizer Bischofskonferenz.

Auch Christian Rutishauser, Provinzial der Schweizer Jesuiten, und Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Katholischen Frauenbundes, gehören zu den kirchlichen KVI-Anhängern.

KVI-Aktion an der Paulus-Kirche, Bern
KVI-Aktion an der Paulus-Kirche, Bern

Eine wichtige Rolle im Abstimmungskampf hat das katholische Hilfswerk Fastenopfer.

Kritik aus bürgerlichen Kreisen

Allerdings gibt es auch Katholiken, die die KVI ablehnen – wie etwa Bundesrätin Karin Keller-Sutter oder Karl Huwyler, oberster Katholik im Kanton Zug. Er unterstützt ein Ethik-Komitee, das sich gegen die KVI einsetzt.

Die Kommunikation des Ethik-Komitee wird von der wirtschaftsnahen Agentur Furrerhugi gesteuert, die unter anderem den umstrittenen Glencore-Konzern als Kunden hat.


Auch die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative, 2020 | © Vera Rüttimann
5. November 2020 | 00:01
Lesezeit: ca. 1 Min.
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