Charles Morerod mit Gottfried Locher in Wittenberg
Schweiz

«Für mich war dieser Tag in Wittenberg wie eine Wallfahrt»

Freiburg/Wittenberg, 23.5.17 (kath.ch) Bischof Charles Morerod, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, war in der Lutherstadt Wittenberg anwesend, als der Schweizer Pavillons «Prophezey – die Schweizer Reformation» an der Weltausstellung feierlich eröffnet wurde. Im Interview mit kath.ch bezeichnet er den gemeinsamen Auftritt mit den Reformierten als «sehr schön».

Vera Rüttimann

Welche Bedeutung hat für Sie persönlich die Eröffnung des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung «Tore der Freiheit» in der Lutherstadt-Wittenberg?

Charles Morerod: Die Geschichte der Reformation ist eng verbunden mit der Schweiz. Deshalb ist es gut, dass wir als Schweiz in Deutschland vertreten sind. Und: Es war sehr schön, zusammen mit den Reformierten hier zu sein. Sie haben uns eingeladen! Das ist wirklich beeindruckend und ein wichtiges Zeichen. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, muss ich festhalten: Die Beziehung zwischen Katholiken und Reformierten ist wirklich freundschaftlicher geworden.

Es war sehr schön, zusammen mit den Reformierten hier zu sein.

Fünf Jahrhunderte nach dem Beginn der Reformation erinnert der Pavillon Prophezey in Wittenberg an Menschen, Momente, Objekte und Orte der Schweizer Reformation. Welcher Teil der Ausstellung gefällt Ihnen besonders?

Morerod: Ich habe noch nicht alles sehen können. Die Idee jedoch, hier eine nachgebaute Gutenbergpresse in den grossen Raum zu stellen, gefällt mir sehr gut.

Die Zürcher Bibel in der Ausgabe von 1531 steht im Zentrum der Ausstellung im Schweizer Pavillon. Welche Bedeutung hat dieses Werk für Sie?

Morerod: Persönlich habe ich keine grosse Beziehung zur Zürcher Bibel, weil meine Sprache französisch ist. Wir haben als Schweizer Katholiken für die Ausstellung im Pavillon zusätzlich eine deutschsprachige Zürcher Bibelübersetzung mitgebracht, die zwei Jahrhunderte älter ist als die Reformation.

Das zeigt, es gibt eine Kontinuität. Wenn man den Eindruck hat, dass volkssprachliche Übersetzungen mit Zwingli oder Luther angefangen haben, ist das historisch falsch. Man kann hingegen sagen, dass es möglich wurde, die Bibel zu drucken, so dass man sie unter das Volk bringen konnte. Leider führten die Konflikte um die Reformation dazu, dass die Katholiken weniger übersetzten. Das ist schade.

Bis zum 10. September 2017 präsentieren sich etwa 80 Aussteller aus Kirche, Politik, Kultur, Wirtschaft in der Lutherstadt Wittenberg. Was macht für Sie den Schweizer Pavillon besonders?

Morerod: Es ist gut, dass man in diesem Pavillon die Geschichte neu entdecken kann. Ich glaube zudem, dass in der Wittenberger Weltausstellung nur der Schweizer Pavillon eine ökumenische Trägerschaft hat. Seine Besonderheit ist der ökumenische Charakter, der durch die enge Zusammenarbeit der Schweizer Bischofskonferenz und des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund zustande kam. Zudem ist ein schönes Zeichen, dass die Schweiz hier in Wittenberg präsent ist, obwohl die Reformation in der Schweiz nicht lutheranisch ist.

Die Besonderheit des Schweizer Pavillons ist der ökumenische Charakter.

Was meinen Sie konkret?

Morerod: Einige Schweizer Reformierte haben mir gesagt: Das ist nicht wirklich unser Jubiläum. Das höre ich immer wieder. Dennoch sehe ich hier viele Schweizer, weil das, was in der Lutherstadt Wittenberg geschah, etwas sichtbar Grosses war, das weit über Deutschland hinausragt.

Die Lutherstadt Wittenberg befindet sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Waren Sie zu Ost-Zeiten schon einmal hier?

Morerod: Als Theologe nicht, aber als ich im Gymnasium war, habe ich im Sommer 1980 in Polen Französisch unterrichtet. Der Kurs war von der Unesco organisiert. Um nach Polen zu gelangen, mussten wir durch die DDR reisen. Dabei habe ich das geteilte Berlin gesehen. Doch das ist schon sehr lange her. Eine Mitarbeiterin der Deutschen Bischofskonferenz hat uns heute durch Wittenberg geführt. Sie sagte mir: Ich bin eine 1991 geboren Deutsche, und für mich ist das eine ferne Geschichte.

Als Gymnasiast habe ich das geteilte Berlin gesehen.

Was ist Ihnen vom Tag der Eröffnung der Weltausstellung besonders geblieben? 

Morerod: Das werde ich wohl erst später verstehen. Was könnte ich sagen? Gewiss dies: Hier zu sein, war für mich ziemlich beeindruckend. Ich las in meinem Leben viel über und von Martin Luther. Ich war bislang jedoch noch nie hier. So war für mich dieser Tag ein bisschen wie eine Wallfahrt. Man versteht einige Sachen nun besser. Und noch einmal: Das Schönste war für mich, dass wir als Katholiken diesen besonderen Tag zusammen mit den Reformierten begehen konnten.

Charles Morerod mit Gottfried Locher in Wittenberg | © Vera Rüttimann
23. Mai 2017 | 11:25
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