Alte Bücher in der Stiftsbibliothek St. Gallen
Schweiz

Forscher pilgerten zum Studium der Handschriften nach St. Gallen

St. Gallen, 4.2.18 (kath.ch) Die Kathedrale St. Gallen und die St. Galler Stiftsbibliothek sind ein Kulturschatz erster Güte. Zur aktuellen Ausstellung «Barockes Universum – Religion und Geist in der Fürstabtei St. Gallen» weisen Fachleute auf kath.ch in einer Serie von Gastbeiträgen exklusiv auf Besonderheiten in diesem «Universum» hin. Karl Schmuki, stellvertretender Stiftsbibliothekar, schreibt über die Handschriftenforschung im Barockzeitalter.

Die Handschriftensammlung des Benediktinerklosters St. Gallen mit ihren frühmittelalterlichen Schätzen genoss bereits im Zeitalter des Barock hohe Wertschätzung, in Gelehrtenkreisen fast schon Kultstatus. Der Gelehrte Frobenius Forster aus dem Kloster St. Emmeram im deutschen Regensburg schwärmte 1755 in einem Brief an den St. Galler Klosterbibliothekar Pius Kolb von den «Schätzen Eurer Bibliothek, die der ganzen schriftkundigen Welt bekannt» seien.

Ein «herrlicher Schatz so uralter Geschrifften»

Ein Gast aus Zürich schrieb 1757 in sein Reisetagebuch knapp: «St. Gallen besitzt eine der prächtigsten Bibliotheken, die ein Kloster aufzuweisen hat. Sie ist besonders wegen ihrer raren und uralten Manuskripte berühmt». Bereits 1548 hatte Johannes Stumpf in seiner Eidgenössischen Chronik in höchsten Tönen vom «herrlichen Schatz so uralter Geschrifften» gesprochen, die sich in der Klosterbibliothek» befänden.

Gelehrte kamen aus Paris, der Lombardei, dem Schwarzwald

Nach zaghaften Anfängen setzte die wissenschaftliche Forschungstätigkeit um die St. Galler Handschriftenbestände ab der Mitte des 17. Jahrhunderts in grösserem Stil ein. Renommierte Forscher kamen persönlich nach St. Gallen, um die Schätze zu studieren und für ihre Arbeiten zu nutzen, so 1683 der Pariser Benediktinerhistoriker Jean Mabillon, 1747 Kardinal Angelo Maria Quirini aus Brescia in der Lombardei oder 1760 der Liturgiewissenschaftler Martin Gerbert aus dem Kloster St. Blasien im Schwarzwald.

Klosterbibliothekare unterstützten die Wissenschaftler

St. Galler Klosterbibliothekare unterstützten auswärtige Gelehrte bei ihren Editionsvorhaben. Pater Jodocus Metzler wirkte um 1600 im Hintergrund an der Erstausgabe frühmittelalterlicher Texte durch Heinrich Canisius und Melchior Goldast mit. Hermann Schenk war für den französischen Gelehrten Jean Mabillon ab 1680 ebenso eine unverzichtbare Ansprechperson wie Pius Kolb zwischen 1748 und 1762 für eine Vielzahl von Wissenschaftlern aus halb Europa.

Als der Minister des «Sonnenkönigs» Schriften anforderte, konnte das Kloster nicht Nein sagen

Vereinzelt wurden Handschriften zum wissenschaftlichen Gebrauch sogar nach auswärts ausgeliehen. 1673 schickte das Kloster St. Gallen acht Manuskripte vorwiegend juristischen Inhalts an den französischen Königshof. Jean-Baptiste Colbert, der einflussreiche Minister von König Ludwig XIV., hatte bei Abt Gallus Alt persönlich um die Ausleihe dieser Bücher an Hofbibliothekar Etienne Baluze gebeten. Diesem Gesuch von höchster Stelle musste das ansonsten eher restriktive Galluskloster entsprechen.

Folgenschwer war die Ausleihe von Handschriften an Martin Gerbert nach St. Blasien: Beim Brand des dortigen Klosters 1768 wurden auch drei frühmittelalterliche St. Galler Manuskripte ein Raub der Flammen.

St. Galler Mönche erforschen ihre eigenen Schätze

Auch einige der gut gebildeten St. Galler Mönche des Barockzeitalters, vor allem die Bibliothekare, beschäftigten sich forschungsmässig mit den Handschriften der hauseigenen Sammlung. Sie betätigten sich vor allem in den Disziplinen Theologie, Kirchenrecht und Geschichte. In ganz Süddeutschland Verbreitung fand ein von St. Galler Mönchen 1666/69 veröffentlichtes zehnbändiges theologisches Lehrbuch, der «Cursus theologicus Sangallensis». Besonders gepflegt wurde – bis zur Klosteraufhebung – die klosterinterne Geschichtsschreibung.


Alte Bücher in der Stiftsbibliothek St. Gallen | © Vera Rüttimann
4. Februar 2018 | 12:42
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