Flüchtlinge in jede Pfarrei: Ein Appell von Papst Franziskus sorgt für Aufsehen

Rom, 7.9.15 (kath.ch) Während Europa weiter um Länderquoten für die Aufnahme von Flüchtlingen streiten, hat Papst Franziskus einen eigenen Schlüssel für ihre Verteilung ins Spiel gebracht: «Jede Pfarrei, jede Gemeinschaft, jedes Kloster und jeder Wallfahrtsort möge eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen». Mit dieser Aufforderung nach dem Mittagsgebet auf dem Petersplatz sorgte er am Sonntag, 6. September, für Aufsehen. Der Vatikan will mit dem guten Beispiel vorausgehen. Die vorgesehen Wohnungen befinden sich ausserhalb des Vatikans.

Thomas Jansen Würden alle katholischen Gemeinden in Europa dem päpstlichen Aufruf Folge leisten, hätten bald 600’000 Flüchtlinge eine vorübergehende Bleibe. Diese Zahl ergibt sich jedenfalls dann, wenn man für jede der europaweit 142’600 Pfarreien und weiteren Seelsorgeeinheiten die Unterbringung einer mindestens vierköpfigen Familie annimmt. Allein für Italien, wo mit Abstand die meisten Flüchtlinge ankommen, würde dies die Aufnahme von mehr als 100’000 Flüchtlingen in kirchlichen Einrichtungen bedeuten.

Bislang ist man davon jedoch noch weit entfernt. Insgesamt haben zwischen Verona und Palermo derzeit 15.000 Flüchtlinge eine Bleibe in Pfarreien, Klöstern oder anderen kirchlichen Einrichtungen gefunden, wie Giancarlo Perego, der Leiter der Flüchtlingsstelle der Italienischen Bischofskonferenz, am Montag auf Anfrage des CIC mitteilte. Rund 8000 davon seien in Pfarreien untergebracht. Der Geistliche hofft jedoch, dass die Aufforderung des Papstes dazu führt, dass sich diese Zahl bald erhöht.

«Widerstände sind im Inneren jeder Person»

Die Reaktion des Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, auf die Worte des Papstes fiel nach Einschätzung von Beobachtern verhalten aus. In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung «La Repubblica» verwies er am Montag darauf, dass kirchliche Armenküchen schon jetzt jährlich sechs Millionen Essen an Bedürftige ausgäben. Wie die katholische Kirche auf den päpstlichen Appell konkret reagieren will, blieb vorerst offen.

Auch der Frage nach Widerständen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen unter Katholiken, antwortete der Kardinal: «Widerstände – wenn es sie gibt- sind im Inneren jeder Person», so der Erzbischof von Genua. Dass es sie auch unter italienischen Katholiken gibt, zeigt ein Blick in die Zeitungen der vergangenen Wochen. Sie berichten von einem Pfarrer, der an die Kirchentür ein Schild gehangen hat, das Rassisten den Zutritt zum Gotteshaus verbot, oder von besorgten Eltern eines katholischen Kindergartens, die sich gegen eine Flüchtlingsunterkunft in der Nachbarschaft wehren.

Ausserhalb der Vatikanmauern

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen will der Vatikan mit gutem Beispiel vorangehen. Franziskus kündigte am Sonntag an, dass auch die beiden dortigen Pfarreien, Sankt Peter und Sankt Anna, jeweils eine Familie aufnehmen wollen. Einzelheiten dazu werden nach vatikanischen Angaben jedoch erst später bekanntgegeben. Das sind rund ein Dutzend Flüchtlinge mehr, die sich nicht mehr um eine Unterkunft sorgen müssen, und ein Argument weniger für die italienische Partei «Lega Nord». Sie hatte Franziskus vorgeworfen, Italien zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen aufzurufen, obwohl der Vatikan selbst überhaupt keine Flüchtlinge aufnehme. Der Osservatore Romano von Dienstag präzisiert, dass die Unterkünfte für die Flüchtlinge in unmittelbarer Nähe des Vatikan sein sollen, in vatikaneigenen Wohnungen, offenbar also nicht im Vatikan selbst. (cic)

7. September 2015 | 16:52
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