"Ich hoffe auf ein Bistum Zürich"
Schweiz

«Mit meiner Wahl hat sich die Frauenfrage nicht erledigt»

Zürich, 13.4.18 (kath.ch) Keine Frauen an der Spitze der katholischen Kirche? Das war einmal. Franziska Driessen wurde zur neuen Präsidentin des Synodalrats der katholischen Kirche Zürich gewählt. Sie ist damit die erste Frau in dieser Position im Kanton.

Francesca Trento

Sie sind die erste Frau in diesem Amt. Was können Sie besser als Männer?

Franziska Driessen: Ob besser, weiss ich nicht. Ich komme aus dem pädagogischen Bereich, war lange Hauswirtschaftlehrerin. Was mich auch bis zum Schluss daran zweifeln liess, ob ich wirklich zur Präsidentin gewählt werden würde.

Warum meinen Sie das?

Driessen: Mein Konkurrent, Daniel Otth, kommt aus der Finanzbranche und hat Theologie studiert. Vergleicht man mich mit Herrn Otth, ohne uns persönlich und unsere Arbeitsweisen zu kennen, könnte er eher dazu geeignet erscheinen.

Glauben Sie, dass die Wahl deshalb mit 56 zu 41 Stimmen knapp war?

Driessen: Ganz ehrlich: Ich habe gehofft, sie wird knapp. Weil ich uns beide, mich und Herrn Otth, als geeignete Kandidaten erachte.

Was können Sie mit ihrem Background eher einbringen?

Driessen: Vielleicht meine soziale Ader – ohne sagen zu wollen Herr Otth hätte keine. Ich bin im Bereich Migration tätig. Ich setze mich für eine katholische Kirche in Zürich ein, die sich mit Tatsachen auseinandersetzt, die da sind: unsere Migranten, unsere Flüchtlinge. Nur schon der Umstand, dass ein Drittel der Katholiken keinen Schweizer Pass hat, sollte unsere pastorale, kirchliche Arbeit beeinflussen. 

Macht die katholische Kirche der Schweiz genug für die Migranten?

Driessen: Ich kann vor allem von unserem Kanton Zürich sprechen. Wir sind hier mit der Migrantenseelsorge sehr gut aufgestellt. Wir haben 20 solche Stellen.

Alles perfekt also, nichts mehr zu verbessern?

Driessen: Perfekt ist nichts. Zu verbessern ist vor allem noch die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Pfarreien und solchen Migrantenseelsorgestellen. Da gibt es noch einige, die nichts von den Migranten wissen wollen – oder vielleicht noch nicht begriffen haben, dass Migranten unser Wachstum an Katholiken in der Schweiz in den letzten Jahren erhöht haben.

In Sache Frauen muss sich in der katholischen Kirche was tun.

Ist das der Grund, warum Sie und Ihre Familie vor zwei Jahren einen jungen Mann aus Eritrea bei sich zu Hause aufgenommen haben?

Driessen: Vor zwei Jahren, als Flüchtlinge aus Eritrea in der Schweiz in aller Munde waren, reagierte auch die katholische Kirche in Zürich. Ich fand damals: Das ist nicht genug. Deshalb besprach ich das mit meiner Familie, und es wurde schnell klar: Wir nehmen selbst einen Flüchtling auf. Meine Kinder sagten mir dann: «Ein junger Mann muss es sein. Die haben es schwerer.» So kam es dann auch.

Was sind noch Themen, die Sie in Ihrer Amtszeit als Präsidentin einbringen wollen?

Driessen: Mir ist auch die Frauenrolle in der katholischen Kirche wichtig. Da muss sich etwas tun.

Hat sich mit Ihrer Wahl noch nicht genug getan?

Driessen: Ich fühle mich geehrt und kann es noch immer kaum glauben, dass das echt geklappt hat. Aber nein, damit hat es sich noch nicht erledigt. Zwar sind wir Frauen im Zürcher Kirchenparlament sogar in Überzahl vertreten. Das Parlament macht jedoch noch lange nicht die gesamte katholische Kirche aus.

Was sonst?

Driessen: Im pastoralen Bereich sind die Frauen immer noch nicht gleichberechtigt mit den katholischen Männern. Ich hoffe – und setze mich dafür ein – dass sich dies in Zukunft ändern wird.

«Ich wünsche mir einen Bischof, der sich zeigt.»

Es gibt schon solche Aktionen, die sich für mehr Rechte einsetzen, wie Kirche mit* den Frauen. Wie stehen Sie dazu?

Driessen: Am liebsten wär ich damals gleich mitgepilgert nach Rom! Es war mir zeitlich und organisatorisch leider nicht möglich. Aber ich bin oft auf deren Website und bin schon gespannt auf deren neues Projekt. Aber ja: Da könnte ich noch viel mehr aktiv dazu beitragen.

Nebst dem Konflikt mit den Frauen in der katholischen Kirche gibt es auch noch den Konflikt zwischen dem Bischof in Chur und der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Wie stehen Sie dazu?

Driessen: Der Konflikt ist ein Fact. Er ist da, aber nichts ist unlösbar. Ich hoffe meinerseits jedenfalls auf einen Bischof, der sich aktiver um Zürich kümmert und auch wirklich anwesend ist. Zwar ist der Generalvikar des Bistums Chur im Zürcher Synodalrat vertreten. Doch ich persönlich wünsche mir einen Bischof, der sich hier mehr zeigt. 

Würden Sie sich ein Bistum Zürich wünschen?

Driessen: Dieses Thema ist im Moment zwar nicht mehr aktuell. Wünschen würde ich es mir trotzdem. So grosse und auch international wichtige Kantone wie Genf und Zürich sollten meiner Meinung nach ein eigenes Bistum haben.

Sowohl die Bistumsleitung wie auch die Bischofskonferenz hat ihre Meinung dazu bekundet: Es braucht kein Bistum Zürich. Man solle die Schweiz im gesamten betrachten. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, ich bin jedoch realistisch: In den nächsten Jahren wird es nicht zu einem Bistum Zürich kommen.

 

«Ich hoffe auf ein Bistum Zürich» | © Francesca Trento
13. April 2018 | 10:05
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