Daniel Kosch, Generalsekretär RKZ
Schweiz

Kirchen sollen Kommunikation wagen und mit digitaler Revolution mithalten

Zürich, 1.10.17 (kath.ch) Die Digitalisierung ist weit mehr als ein Medien- und Kommunikationsthema. Sie beeinflusst vieles andere in Gesellschaft und Kirche, sagt Daniel Kosch. Der Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) blickt im Interview mit kath.ch auf die Tagung «Fokus» zurück, welche die RKZ vor kurzem zum Thema «Kirche(n) und Medien in digitalen Zeiten» organisierte.

Georges Scherrer, Charles Martig

Wo gibt es gemäss der Tagung die grössten Defizite in der Kommunikation der Kirche Schweiz?

Daniel Kosch:  Die Tagung hatte primär zum Ziel, sich mit den Herausforderungen zu befassen, mit denen die Digitalisierung die Medienwelt und die Kirchen herausfordert. Die Analyse der Stärken und Schwächen der kirchlichen Kommunikation war nicht Thema. Unüberhörbar aber war die zwingende Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit der digitalen Revolution und ihren Folgen.

Ist die Kirche bereit, die Möglichkeiten von Smartphone, Apps und Social Media zu nutzen?

Kosch: Vieles geschieht bereits. Vom Papst über Vertreter der Kirchenleitung hin zu Mediendiensten, kirchlichen Organisationen, Seelsorgenden und engagierten Laien werden die neuen Kommunikationsmittel eingesetzt und erprobt. Diese Entwicklung wird weitergehen. Aber die Digitalisierung führt nicht nur zu einer Erweiterung der Kommunikationskanäle und -formen, sondern verändert auch die bestehenden: die gedruckte Presse, den medialen Service Public, Radio und TV sowie die zwischenmenschliche oder institutionelle Kommunikation.

Gefordert ist die Bereitschaft, wenn nötig auch wehrhaft für Freiheit, Demokratie, Menschenwürde und Respekt einzutreten.

Haben kirchliche Organisationen die Fachkenntnisse und den Willen zum Dialog, um sich in diesen neuen Medienwelten zu bewegen?

Kosch: In der Frage, ob die neue Medienwelt primär als Chance oder als kritisch zu beobachtende Entwicklung beurteilt wird, gehen die Meinungen auseinander. Der RKZ Fokus machte deutlich, dass es sich dabei nicht um ein entweder-oder handelt, sondern um ein sowohl-als auch. Sehr deutlich wurde zudem, dass die Kirchen ob der Diskussion um die Mittel der Kommunikation fundamentale inhaltliche Fragen nicht aus den Augen verlieren: Ihren Beitrag zu den Wertegrundlagen der Gesellschaft, den Einsatz für das Gemeinwohl, die Verwurzelung des eigenen Tuns und der eigenen Positionen in den Glaubensüberzeugungen.

Dialog in den Social Media bedeutet Fachkompetenz, sonst droht der Dialog leicht unter die Gürtellinie zu gehen. Verfügt die Kirche über genügend Ressourcen, um den Dialog auf Social Media über der Gürtellinie zu halten?

Kosch: Die Schattenseiten der Social Media, das Risiko von Desinformation, Niveauverlust und so weiter wurde am RKZ Fokus deutlich angesprochen. Dem zu begegnen, ist aber weniger eine Ressourcen- als eine Haltungsfrage. Gefordert ist die Bereitschaft, wenn nötig auch wehrhaft für Freiheit, Demokratie, Menschenwürde und Respekt einzutreten.

Die Kirchen zeigen in Taten wie in Worten auf, dass engagiert gelebte Religion mit Fundamentalismus nichts zu tun hat.

«Fake News» ist ein neuer Trend in der Öffentlichkeit. Wie schätzen Sie das Risiko einer «desinformierten Gesellschaft» ein?

Kosch: Die Gefahr von Desinformation und Manipulation ist leider nichts Neues – neu sind allerdings die Mittel und das Tempo der Verbreitung fragwürdiger oder wahrheitswidriger Inhalte. Die bewährten Mittel sind Erziehung, Bildung, Befähigung zu kritischem und eigenständigem Denken sowie verbindliche Spielregeln, deren Einhaltung konsequent eingefordert wird.

Neu ist das Tempo.

Weg von der «Ein-Weg-Kommunikation» hin zur «Dialog»: Das will Social Media. Haben wirklich alle Leute Zeit genug, um sich mit Social Media zu beschäftigen oder möchten sie doch lieber – ein kirchliches – «20min» oder Direktkontakt zu Kirchenleuten, um sich rasch informieren zu können?

Kosch: Der RKZ Fokus war keineswegs als «Werbeveranstaltung für Social Media» gedacht – der Diskurs, die herkömmlichen Kommunikationsmittel, auch der mediale Service public bleiben wichtig – müssen sich jedoch der Herausforderung durch die technische Entwicklung und veränderte Kommunikations- und Nutzungsgewohnheiten stellen.

Welche Rolle spielen Kirchen in der Bekämpfung von Fundamentalismus: in den eigenen Reihen und in der Gesellschaft?

Kosch: Die grossen Kirchen sind in einer langen und intensiven Auseinandersetzung mit den Ideen der Aufklärung zur Auffassung gelangt, dass Vernunft und Glaube, ethische Selbstverantwortung und Orientierung an den religiösen Normen, Aggiornamento und Verwurzelung im Fundament von Bibel und Tradition miteinander vereinbar sind. Auf dieser Basis engagieren sie sich für das Gemeinwohl und für eine freiheitliche Gesellschaftsordnung auf der Basis der Menschenrechte. Damit zeigen sie in Taten wie in Worten auf, dass engagiert gelebte Religion mit Fundamentalismus nichts zu tun hat.

Welche Bedeutung hat der Service public der SRG für die Kirchen in der Schweiz?

Kosch: Der Service public der SRG SSR hat für die Kirchen aus meiner Sicht eine doppelte Bedeutung: Erstens erreichen religiöse und verkündigende Sendungen dank dieses Service public alle Regionen in sämtlichen Landessprachen. Und zweitens trägt der Service public zu einer demokratischen und zivilgesellschaftlichen Kultur bei, in der auch die Kirchen und religiöse Überzeugungen ihren Stellenwert haben.

Probieren Sie Dinge aus, wagen Sie etwas.

Der gesamtgesellschaftliche Zusammenhalt und der offene Austausch von Meinungen, Erfahrungen, Werten, Informationen und Realitäten sind wichtige Voraussetzungen für ein gedeihliches Wirken der Kirchen, die sich in ihrem Zuständigkeitsbereich ebenfalls als eine Art Service public im weiteren Sinne verstehen.

Was raten Sie Verbänden, Pfarreien, Kirchgemeinden und weiteren Organisationen in der Kirche Schweiz, wenn diese mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit treten möchten?

Beck und Gassmann auf dem RKZ-Podium | © RKZ

Kosch: Für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation sind Inhalte, klare Überzeugungen und glaubwürdiges Engagement unverzichtbar. Zur Art und Weise der Kommunikation und des Umgangs mit den heutigen Möglichkeiten sagte Schwester Irene Gassmann, Priorin des Klosters Fahr, am «Fokus»: «Haben Sie keine Angst.»

Sachkenntnis und Professionalität sind für institutionelle Kommunikation wichtige Voraussetzungen.

Und Valentin Beck, Bundespräses von Jungwacht Blauring ergänzte: «Probieren Sie Dinge aus, wagen Sie etwas.»  Dem ist nichts beizufügen, ausser dass Sachkenntnis und Professionalität für institutionelle Kommunikation wichtige Voraussetzungen sind.

Ändert die Tagung die Prioritätensetzung der RKZ in der Kommunikation und worin bestehen diese Prioritäten?

Kosch: Uns ging es bei diesem Anlass nicht um uns selbst und unsere Prioritäten. Ich nehme für die Weiterarbeit jedoch den Eindruck mit, dass Digitalisierung weit mehr als ein Medien- und Kommunikationsthema ist. Sie beeinflusst vieles andere in der Gesellschaft und in der Kirche: Arbeit, Bildung, Jugendpastoral, Gesundheitswesen, Verwaltung und mehr. Sogar die kirchliche Dogmatik beginnt, sich mit dem Thema zu befassen. Eine neue Publikation steht unter dem Titel «Zu schnell für Gott?» und fragt nach den Auswirkungen der Beschleunigung auf das Gottesverständnis, die religiöse Praxis und die Pastoral.

Vielleicht löst das Interview ein ganz traditionelles, analoges Gespräch aus, das jemand veranlasst, dieses auf Facebook nachzulesen oder mit Twitter zu verbreiten.

«Digital» statt «print»: Ist dies der Weisheit letzter Schluss in der Kirchen-Kommunikation?

Kosch: Ich halte das für eine realitätsfremde Alternative. Dieses Interview wird digital mit dem Computer erfasst und elektronisch verbreitet. Aber es hat auch die Chance, teilweise abgedruckt zu werden. Das entsprechende Druckerzeugnis – etwa ein Pfarrblatt – werden viele als «print» lesen, aber zunehmend wird es auch auf dem Tablet oder Smartphone «digital» abgerufen.

Vielleicht löst es da oder dort ein ganz traditionelles, analoges Gespräch aus, das jemand veranlasst, das Interview auf Facebook nachzulesen oder mit Twitter zu verbreiten. Die digitale Welt ist mit der analogen verknüpft – und wir alle müssen individuell ausloten, wofür wir Bücher und Printprodukte bevorzugen und was wir lieber mit dem Smartphone oder am Computer lesen.

Daniel Kosch, Generalsekretär RKZ | © zVg
1. Oktober 2017 | 10:08
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