Papst Franziskus am 2. November 2023 auf dem Commonwealth-Soldatenfriedhof in Rom (Italien). Den Rollstuhl schiebt Sandro Mariotti, päpstlicher Kammerdiener.
Vatikan

Butler des Papstes: Sandro Mariotti ist der Mann hinter Franziskus

In der Weihnachtszeit ist die Gebrechlichkeit des Papstes vor aller Welt sichtbar. Live-Übertragungen zeigen den am 3. Adventssonntag 87 Jahre alt gewordenen Pontifex im Rollstuhl. Ein Mann im Hintergrund ist jetzt wichtiger denn je.

Ludwig Ring-Eifel

Der Papst ist alt und oft krank. Zudem ist er dauerhaft gehbehindert und legt fussläufige Strecken über hundert Meter mit dem Rollstuhl zurück. Seit er am 5. Mai 2022 als erster Papst in einem normalen medizinischen Rollstuhl zur Generalaudienz geschoben wurde, ist auch der Mann, der ihn schiebt und ihm beim Aufstehen hilft, oft in den Medien zu sehen.

Meistfotografierter Vatikan-Angestellter

Mit 1,90 Meter Grösse, grau meliertem Haar und einem stets perfekt sitzenden Anzug gehört er zu den meistfotografierten Vatikan-Angestellten – und das, obwohl ihn nur wenige mit Namen kennen. Sandro Mariotti spricht so gut wie nie in der Öffentlichkeit; die Verschwiegenheit steht ihm ins freundliche Gesicht geschrieben.

Gebet von Papst Franziskus vor der Marienikone Salus Populi Romani
Gebet von Papst Franziskus vor der Marienikone Salus Populi Romani

Er ist, salopp formuliert, der Butler Seiner Heiligkeit.

Der Kammerdiener

Das Päpstliche Jahrbuch listet ihn seit elf Jahren als «Aiutante di Camera» auf, was wörtlich «Kammerdiener» heisst. Mariotti ist damit einer der ganz wenigen aus dem engsten Umkreis des Papstes, den Franziskus aus den Diensten seines Vorgängers Benedikt XVI. übernommen und bis heute behalten hat.

Dabei ist Mariotti eigentlich per Zufall und als Quereinsteiger ins unmittelbare Umfeld des Papstes geraten. Er arbeitete unauffällig und effizient in der Abteilung des Vatikans, die für die Raumdekoration und für die ordnungsgemässe Abwicklung der Audienzen zuständig ist, als 2011 ein unerhörter Skandal den Apostolischen Palast erschütterte.

Vorgänger belieferte den Vatikanisten Nuzzi

Der damalige Kammerdiener Paolo Gabriele hatte, wie er später vor Gericht gestand, zahlreiche Dokumente vom Schreibtisch seines Dienstherrn Benedikt XVI. entwendet und sie dem italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi gegeben.

Gianluigi Nuzzi (links) an der Vernissage seines Buches am 4. Oktober 2018 in Zürich
Gianluigi Nuzzi (links) an der Vernissage seines Buches am 4. Oktober 2018 in Zürich

Der hatte auf Grundlage dieses Materials eines der beliebten Vatikan-Skandalbücher geschrieben – mit einem Potpurri aus Finanzskandalen, Personalquerelen und einmaligen Insider-Einblicken. Es war der sogenannte Vatileaks-Skandal.

Von Gänswein vorgeschlagen

Als Gabriele entlassen und verurteilt wurde, schlug Mariottis Stunde.

Er wurde von Benedikt XVI. zum neuen Kammerdiener berufen und rückte in den exklusiven Kreis der engeren «Papstfamilie» auf. Der damalige Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, berichtet in seinem Memoirenbuch, dass er Mariotti für den neuen Job vorschlug, und dass dieser zunächst Bedenken äusserte. Als einfacher Arbeiter fühle er sich der Aufgabe nicht gewachsen.

Erzbischof Georg Gänswein, Juni 2023
Erzbischof Georg Gänswein, Juni 2023

Erst nach einer zweiwöchigen Bedenkzeit und einem Gespräch mit dem deutschen Papst habe er schliesslich zugesagt. Benedikt XVI. schätzte den diskreten Helfer so sehr, dass er ihm im November 2012 den Gregoriusorden verlieh.

Von Benedikt XVI. zu Papst Franziskus

Dennoch zog Mariotti nach dem Pontifikatswechsel im März 2013 nicht mit dem emeritierten Papst in dessen Alterswohnsitz in den Vatikanischen Gärten, sondern übernahm unter Papst Franziskus dieselbe Rolle wie zuvor.

Der Papst aus Argentinien residierte jedoch, anders als seine Vorgänger, nicht im Apostolischen Palast, sondern wählte das vatikanische Gästehaus Santa Marta als Wohnsitz. Über die ersten Jahre des neuen Dienstverhältnisses ist kaum etwas bekannt – ausser, dass manches weniger straff durchorganisiert war als unter Benedikt im Apostolischen Palast.

Papst Benedikt XVI. bei seiner letzten Generalaudienz auf dem Petersplatz im Vatikan am 27. Februar 2013.
Papst Benedikt XVI. bei seiner letzten Generalaudienz auf dem Petersplatz im Vatikan am 27. Februar 2013.

Tasche-Tragen als Markenzeichen

Franziskus legte Wert darauf, alles Höfische zu überwinden und vieles selbst zu erledigen – bis hin zum Tragen seiner Leder-Aktentasche.

Erst als dem Papst nach einigen Jahren das Gehen immer schwerer fiel, übernahm Mariotti das Tragen der Tasche; sie wurde bald zu seinem Markenzeichen.

Aufstiegshilfe

Einige Jahre später kam dann der Rollstuhl hinzu. Und «Sandrone», wie er wegen seiner Grösse von vielen genannt wird, übernahm nicht nur das Schieben des päpstlichen Sitzgefährts. Er wurde auch zur lebenden Aufstieghilfe des damals 85-Jährigen.

Der schwergewichtige Papst und der hochgewachsene Butler entwickelten eine besondere Technik: Der Papst hielt sich an Mariottis kräftigen Armen fest, und der zog ihn aus dem Rollstuhl hoch. Heute schafft der Papst dies wieder alleine und stützt sich dabei auf seine Gehhilfe.

Wohnort Castel Gandolfo

Über Mariottis Privatleben ist wenig bekannt. Italienische Medien berichten, dass er eine Frau und zwei Kinder hat. Und dass er jeden Morgen in aller Frühe von seinem Wohnort Castel Gandolfo nach Rom fährt, um dem Papst zu Diensten zu sein.

Als Mariottis Vater – auch er war bereits Vatikan-Angestellter – im Juli 2017 starb, erinnerte Papst Franziskus am folgenden Tag in einem Gottesdienst für die im Vatikan tätigen Handwerker an ihn. Er betete für den Verstorben und für dessen Sohn, den er bei dieser Gelegenheit «unseren lieben Sandro» nannte. (kna)


Papst Franziskus am 2. November 2023 auf dem Commonwealth-Soldatenfriedhof in Rom (Italien). Den Rollstuhl schiebt Sandro Mariotti, päpstlicher Kammerdiener. | © KNA
18. Dezember 2023 | 09:00
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