Pater Martin Ramm, Mitglied der Petrusbruderschaft
Schweiz

Bischofsvikar für tridentinische Messe: Bistum Chur legt Wert auf «gebührende Hirtensorge» für Traditionalisten

Zürich, 24.9.15 (kath.ch) Das Bistum Chur hat Ende Juni ein Mitglied der Priesterbruderschaft St. Petrus zum Bischofsvikar für die tridentinische Messe ernannt. Das ist in der Schweiz einzigartig. Die übrigen Diözesen haben keinen Bischofsvikar damit beauftragt, sich speziell um die Gläubigen zu kümmern, die Gottesdienste im vorkonziliaren Ritus feiern wollen. Die Ernennung von Martin Ramm sei ein Signal an diese Gläubigen, dass «sie ein wertvoller Teil des Bistums Chur sind und dass es gerecht ist, ihnen gebührende Hirtensorge zuteil werden zu lassen», sagte Sprecher Giuseppe Gracia gegenüber kath.ch.

Barbara Ludwig

Bischofsvikare könnten überall dort ernannt werden, wo der Bischof «einen bestimmten Handlungsbedarf sieht», so Gracia. Dies gelte sowohl geografisch als auch thematisch. Das Bistum Chur habe unter anderem Bischofsvikare für die Neuevangelisierung, für die Jugend und für die Ordensleute eingesetzt.

Claudius Luterbacher, Kirchenrechtler und Kanzler im Bistum St. Gallen, bestätigte gegenüber kath.ch, dass es im Ermessen des Bischofs liege, wofür er Bischofsvikare einsetzt. In jeder Diözese gebe es aufgrund ihrer Eigenheiten Bischofsvikare, die entweder für ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmtes Thema zuständig seien. Wenn der Bischof einen Bischofsvikar ernenne, «muss er den Aufgabenbereich des Generalvikars (Stellvertreter des Bischofs, Anm. d. Red.) um den Zuständigkeitsbereich des ernannten Bischofsvikars schmälern», so Luterbacher.

Traditionalisten «praktisch nie» von Kirchensteuer profitiert

Auch 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) gibt es in der Schweiz Gläubige, die die Messe im vorkonziliaren Ritus feiern wollen. 1984 gestattete Papst Johannes Paul II. das Feiern der tridentinischen Messe unter strengen Auflagen. 2007 liess Benedikt XVI. sie als «ausserordentliche Form» des römischen Ritus wieder zu.

Die «der Tradition verbundenen Gläubigen» seien «über Jahrzehnte mehr oder weniger geduldet» worden, sagte Gracia. Sie hätten sich in Vereinen organisiert und private Räume für Gottesdienste eingerichtet. Kirchensteuern habe dieser Teil der Katholiken «in der Regel zwar gezahlt, aber praktisch nie davon profitiert». Die Ernennung von Martin Ramm zum Bischofsvikar «für die Angelegenheiten der Ausserordentlichen Form des Römischen Ritus» sei ein «Signal an diese Gläubigen, dass sie ein wertvoller Teil des Bistums Chur sind und dass es gerecht ist, ihnen gebührende Hirtensorge zuteil werden zu lassen», so der Sprecher.

Churer Sprecher verweist auf Papst Franziskus

Die Ernennung könne zudem die mit der Piusbruderschaft St. Pius X. verbundenen Priester und Gläubigen ermutigen, «in die volle kirchliche Gemeinschaft zurückzukehren». Die von Alt-Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete Piusbruderschaft lehnt die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. Gracia verwies zudem auf Papst Franziskus, der gesagt habe, man solle an die Ränder gehen und mit allen Gruppen die Verbindung suchen.

Im Bistum Chur gibt es seit 2012 zwei Personalpfarreien für Katholiken, die die Messe im vorkonziliaren Ritus feiern. Wie viele Anhänger der tridentinischen Messe es im Bistum Chur gibt, kann Gracia nicht angeben; die Personalpfarreien hätten keine eingetragene Mitgliedschaft. In Zürich besuchen laut dem Bistumssprecher am Sonntag rund 100 Personen den entsprechenden Gottesdienst.

Marginale Bedeutung im Bistum St. Gallen

Mit der Ernennung eines Bischofsvikars für die tridentinische Messe steht das Bistum Chur schweizweit alleine da. Der Themenbereich «ausserordentlicher Ritus» sei im Bistum St. Gallen «zu wenig bedeutend», als das eigens ein Bischofsvikar damit betraut werden müsste, sagte Luterbacher. Ein Diözesanpriester sowie drei Priester der Petrusbruderschaft feiern die Messe im vorkonziliaren Ritus, letztere in einem Frauenkloster; hierfür hätten sie die Erlaubnis vom Bischof erhalten.

Die tridentinische Messe hat in der Diözese offensichtlich keine grosse Bedeutung. Dies könne aber damit zusammenhängen, dass die Petrusbruderschaft im Kanton Thurgau, nicht weit von der Bistumsgrenze entfernt, ein Zentrum betreibe und auch die Piusbruderschaft an mehreren Orten auf dem Bistumsgebiet aktiv sei, so Luterbacher.

In den Bistümern Basel und Lausanne-Genf-Freiburg ist der Generalvikar für die Betreuung traditionalistischer Katholiken zuständig. Im Bistum Basel seien es acht Orte, an denen regelmässig in der ausserordentlichen Form des römischen Ritus gefeiert wird, sagte der Kommunikationsverantwortliche Hansruedi Huber gegenüber kath.ch. Hinzu kämen fünf Kapellen, in denen sporadisch in dieser Form gefeiert werde. Wie viele Gläubige solche Gottesdienste besuchen, kann Huber nicht angeben.

Budgetposten  im Bistum Lausanne-Genf-Freiburg

Im Bistum Lausanne-Genf-Freiburg werde die tridentinische Messe an fünf Orten gefeiert, sagte Generalvikar Alain Chardonnens gegenüber kath.ch. In Freiburg, Bulle, Lausanne, Genf und Neuenburg. Durchgeführt würden die Gottesdienste von vier bis fünf Priestern der Petrusbruderschaft im Auftrag der Diözese. Laut einer Umfrage von 2014 leben im Bistum rund 1500 Anhänger der tridentinischen Messe, so Chardonnens. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass es auch Gläubige gebe, die Gottesdienste sowohl in der neuen als auch in der alten Form besuchen. Entschädigt werden die Priester durch das Bistum, das jährlich einen Budgetposten dafür reserviere, sagte Chardonnens.

Dieser Finanzierungsmodus scheint eine Ausnahme zu sein: Im Bistum Chur werde die Tätigkeit der Priesterbruderschaft und der Personalpfarreien durch sonntägliche Kollekten und freiwillige Spenden getragen, sagte Gracia. Im Bistum Basel wird einer der Priester laut Huber durch Kirchensteuergelder unterstützt. Ansonsten spendeten die Gläubigen für den Unterhalt des Priesters. An einem der Orte sei ein Verein Träger; an mehreren Orten wirkten Priester der Petrusbruderschaft, so Huber. Im Bistum St. Gallen laufe die Finanzierung weder über das Bistum noch über das Kloster, in dem die Gottesdienste abgehalten werden, noch über eine Kirchgemeinde, sagte Luterbacher.

In der Diözese Lugano gibt es ebenfalls keinen Bischofsvikar für die tridentinische Messe, bestätigte Sprecherin Chiara Gerosa gegenüber kath.ch. Die Nachfrage nach dieser Liturgie halte sich ziemlich in Grenzen.

Scharfe Abgrenzung von Traditionalisten im Wallis

Die Diözese Sitten grenzt sich scharf ab von den Traditionalisten. Es gebe weder einen Bischofsvikar noch eine andere Person, die sich explizit mit der ausserordentlichen Form des römischen Ritus befasst, sagte Richard Lehner, Generalvikar für den deutschsprachigen Teil des Bistums, gegenüber kath.ch. «Es ist nicht die Absicht der Bistumsleitung, die Feier dieser ausserordentlichen Form zu fördern.» Man fühle sich der Liturgiereform des Konzils verpflichtet und setze sich dafür ein, dass die Liturgie «in gepflegter und würdiger Art und Weise gemäss den Bestimmungen der Kirche, welche nach dem Konzil veröffentlicht wurden, gefeiert wird».

Lehner geht davon aus, dass es im Wallis nur sehr wenige Anhänger der tridentinischen Messe gebe, «welche sich der katholischen Kirche verbunden fühlen». Dies könne jedoch damit zu tun haben, dass die Piusbruderschaft in Ecône und an anderen Orten regelmässig Gottesdienste in der vorkonziliaren Form anbietet. (bal)

Pater Martin Ramm, Mitglied der Petrusbruderschaft | © Barbara Ludwig
24. September 2015 | 15:32
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Tridentinische Messe

Als tridentinische Messe bezeichnet man den lateinischsprachigen Gottesdienst im alten Ritus, wie er nach dem Konzil von Trient (1545-1563) für die katholische Kirche weltweit vorgeschrieben war. Diese Messbücher wurden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) schrittweise durch eine erneuerte Liturgie ersetzt, die in der Regel in der jeweiligen Landessprache gefeiert wird. Latein blieb aber weiterhin erlaubt.

Gegen diese Liturgiereform wandten sich die Traditionalisten um den französischen Alt-Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991). Sie hielten die Einführung der Landessprache und die stärkere Einbeziehung der Gemeinde in die Messfeier für verfehlt. Um ihnen entgegenzukommen, gestattete Papst Johannes Paul II. 1984 die Verwendung der tridentinischen Messe nach dem letzten vorkonziliaren Messbuch von 1962 unter strengen Auflagen. Dennoch überwarfen sich Lefebvre und seine engsten Anhänger mit dem Vatikan.

Papst Benedikt XVI. erlaubte in einem Anfang Juli 2007 veröffentlichten Apostolischen Schreiben, dass künftig wieder öfter Gottesdienste in der Kirchensprache Latein nach dem tridentinischen Ritus von 1962 gefeiert werden dürfen. Im päpstlichen Erlass «Summorum Pontificum» benannte er eine Reihe von Vorgaben, um diese Feiern in die Einheit der Kirche und die Diözesen einzubinden. (bal)