Bischof Paul Hinder vor der Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi.
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Bischof Paul Hinder kritisiert Jürgen Habermas: «Eine Einladung auszuschlagen, ist eine Beleidigung»

Fast 250’000 Franken Preisgeld hätte der deutsche Philosoph Jürgen Habermas mit der Verleihung des Zayed Book Award erhalten. Doch Habermas schlägt den Preis aus. Ein Fehler, findet der Bischof von Abu Dhabi, Paul Hinder.

Raphael Rauch

«Im arabischen Raum gilt die Gastfreundschaft als etwas Heiliges. Eine Einladung auszuschlagen, ist eine Beleidigung, ausser es können schwerwiegende Gründe angeführt werden», sagt Bischof Paul Hinder. Der Schweizer Kapuziner ist Bischof von Arabien, seine Kathedrale steht in Abu Dhabi. Das ist die Hauptstadt der Emirate, die auch den «Zayed Book Award» vergibt.

Erst nimmt Habermas den Preis an – und macht dann einen Rückzieher

Der Preis steht unter der Schirmherrschaft des Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed bin Sultan Al Nahyan. Er geht an Persönlichkeiten, die mit ihrem Werk zur Förderung der arabischen Kultur, zu Toleranz und einem friedlichen Miteinander beigetragen haben. Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas sollte die Auszeichnung für sein Lebenswerk erhalten. Der Preis ist mit knapp 250’000 Franken dotiert.

Bischof Paul Hinder vor der Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi.
Bischof Paul Hinder vor der Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi.

Zuerst nahm Jürgen Habermas den Preis an, schlug ihn wenige Tage später aber wieder aus. Laut einem »Spiegel«-Artikel sagte Habermas: »Gewöhnlich gewinnt, wenn Geist und Macht aufeinandertreffen, die Macht.« Habermas ist jedoch anderer Ansicht: »Kurzfristig ja; aber auf längere Fristen glaube ich an die aufklärende Macht des kritischen Wortes, wenn es nur ans Licht der politischen Öffentlichkeit dringt. Dafür genügen auch meine dankenswerterweise ins Arabische übersetzten Bücher.«

Hinder: Undemokratische Fürsten verhalfen der Aufklärung zum Durchbruch

Aus Sicht des Bischofs von Abu Dhabi, Paul Hinder, ist der ausgeschlagene Preis ein Affront. Der Schweizer Kapuziner ist der Ansicht: Jürgen Habermas hätte sich nicht verstellen müssen, um den Preis anzunehmen.

«Habermas hätte den Preis trotz politischer Bedenken annehmen sollen. Mit der nachträglichen Verweigerung, den Preis anzunehmen, riskiert der Philosoph ‹die aufklärende Macht des kritischen Wortes› zu schwächen, das dank Übersetzungen auch in den arabischen Raum hineinwirkt und sogar von Monarchen willkommen geheissen wird», sagt Hinder.

Papst Franziskus und Bischof Paul Hinder im Jahr 2020.
Papst Franziskus und Bischof Paul Hinder im Jahr 2020.

Der Bischof gibt zu bedenken: «Wäre es nicht gut, sich im Westen der Rolle aufgeklärter Fürsten in der Geschichte zu erinnern, die zwar undemokratisch regierten, aber der Aufklärung zum Durchbruch verhalfen? Ist Ähnliches nicht auch einzelnen arabischen Fürsten zuzutrauen?»

Abu Dhabi sucht die Nähe des Heiligen Stuhls

Die Emirate bemühen sich seit Jahren um eine Annäherung an den Westen und arbeiten hierfür auch eng mit Bischof Paul Hinder und dem Heiligen Stuhl zusammen. Eine Reise von Papst Franziskus 2019 nach Abu Dhabi gilt als Wegbereiterin für die Enzyklika «Fratelli tutti».

Papst Franziskus unterzeichnet 2019 die Erklärung von Abu Dhabi.
Papst Franziskus unterzeichnet 2019 die Erklärung von Abu Dhabi.

Habermas gilt als einer der bedeutendsten deutschen Denker der Gegenwart. Der 91-Jährige beeinflusste diverse Disziplinen wie etwa die Kommunikations- und Kulturwissenschaften, Moraltheorie, Sprachwissenschaften sowie Politikwissenschaften und Soziologie. Viele Werke des Philosophen und Soziologen wurden bereits ins Arabische übersetzt.


Bischof Paul Hinder vor der Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi. | © Raphael Rauch
4. Mai 2021 | 07:34
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