Stadtpräsidenten von Bern und Zürich begrüssen Dalai Lama

Bern, 12.10.2016 (kath.ch) Der Besuch des Dalai Lama im Haus der Religionen in Bern und im Grossmünster Zürich hat eine grosse symbolische Bedeutung mit gesellschaftspolitischer Ausstrahlung. Daniel Leutwyler, Geschäftsführer des Hauses der Religionen, betont die Bodenständigkeit und die Praxis, die ihn beim buddhtistischen Oberhaupt beeindruckt. Der Zürcher Pfarrer Christoph Sigrist versteht die Einladung des Dalai Lama ans Friedensgebet im Grossmünster als politisch-theologisches Zeichen für ganz Europa.

Charles Martig

Der Besuch des Dalai Lama ist ein «diplomatischer Eiertanz», wie die Berner Zeitung im Hinblick auf dessen heutigen Besuch im Haus der Religionen schreibt. Wegen politischem Druck von Seiten des offziellen Chinas geben sich die Exekutivmitglieder sowohl in Bern als auch in Zürich zurückhaltend. Es ist jedoch bestätigt, dass der Berner Stadtpräsident dem Dalai Lama am Mittwoch im Haus der Religionen begegnet. «Die Teilnahme von Stadtpräsident Alexander Tschäppät an der Zeremonie ist ein besonderes Zeichen der Anerkennung. Er hat den Aufbau des Hauses wesentlich unterstützt und war seit der Eröffnung schon mehrfach bei Veranstaltungen im Haus der Religionen», sagt Daniel Leutwyler, der Geschäftsführer im Haus der Religionen. «Seine Anwesenheit zeigt, dass wir in der säkularen und politischen Welt angekommen sind. Tschäppät zeigt, dass ihm das Anliegen des Dialogs zwischen den Menschen unterschiedlicher Herkunft wichtig ist.»

Dialog der Religionen in Bern

Für Leutwyler hat der Besuch des Dalai Lama eine grosse Bedeutung: «Wir fühlen uns geehrt und unterstützt. Der Dalai Lama ist als Brückenbauer bekannt. Er schafft es bei seinen Auftritten immer auch, seine Identität zu wahren. Diese Haltung widerspiegelt auch die Arbeit, die wir im Haus der Religionen machen.» Leutwyler ist jedoch überzeugt, dass es sich bei diesem Besuch nicht um ein politisches Signal handle. Das Haus der Religionen stehe für Menschenwürde und Menschenrechte ein, verfolge mit der Einladung jedoch kein politisches Signal. Das Programm in Bern deutet an, dass der Besuch vor allem der Begegnung und mit den religiösen Gemeinschaften in der Schweiz dient. Der Besuch im Haus der Religionen ist interreligiös ausgerichtet und auch die Lehrtätigkeit des Dalai Lama im Kursaal am Donnerstag dient laut Ankündigung der buddhistischen Unterweisung.

Leutwyler versteht den Besuch als Beitrag zum Dialog: «Der Besuch bei uns im Haus der Religionen hat viel mit der Bodenständigkeit und der Praxis des Dalai Lama zu tun. Er besucht auf seinen Reisen die tibetischen Gemeinschaften. Das ist ein ganz konkretes Engagment, wie wir es auch im Haus der Religionen pflegen. Wir haben eine ähnliche Struktur und eine vergleichbare Herangehensweise an den Dialog der Religionen.» Auch wenn der Dalai Lama ein sogenannter «Star» sei, gehe es ihm vor allem um den Dialog mit Vertretern anderer Religionen. «Es ist toll, dass diese bekannte Persönlichkeit bei uns zu Gast ist und wir die Möglichkeit zum Austausch bieten können», meint Leutwyler.

Friedensgebet in Zürich

In Zürich zeigt sich ein vergleichbares Bild. Aus kirchlicher Sicht ist die Teilnahme des Dalai Lama am Friedensgebet im Grossmünster in Zürich am Samstag ein besonderes Ereignis. Eingladen haben das «Forum der Religionen» und die Kirchgemeinde Grossmünster. Treibende Kraft hinter diesem Event ist der umtriebige Pfarrer Christoph Sigrist, der als Präsident des Forums die Einladung vorangetrieben hat. Ihm ist es ein Herzensanliegen, dass am Ursprungsort der Reformation in der Schweiz ein starkes Signal gesetzt wird. «Das Grossmünster ist nicht nur die Mutterkirche der Reformation sondern auch öffentliches Zeichen von Religion in einer pluralistischen Gesellschaft. Es ist Teil der reformierten Identität, dass Glaube bekennen drinnen stattfindet und in der Gesellschaft draussen wirksam wird, Kirchenmauern sind durchlässig. Deshalb freut mich der Besuch des Dalai Lama ganz besonders», sagt der Grossmünster-Pfarrer.

Sigrist hat das Friedensgebet initiiert. Er war es, der das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus im vergangenen Jahr einlud und nun den Anlass im Grossmünster organisiert. Sein Ziel ist ambitioniert: «Das interreligiöse Gebet ist ein sichtbares Zeichen für Frieden, Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit. In Kirchenräumen werden bei Besuchenden vor allem drei Erwartungen wachgerufen: gemeinsames Beten, einstehen für Werte und  den aktiven Einsatz gegen Fremdenhass und Rassismus. Das ist im europäischen Kontext ein öffentliches Zeichen für die wichtige Rolle der Religionen in der Gesellschaft», sagt Sigrist und packt dabei sein ganzes polistisch-theologisches Programm in wenige Sätze.

Gesellschaftspolitisches Signal

Auf die Frage, ob es sich bei der Einladung um ein politisches Signal handle, positioniert sich Sigrist deutlich: «Jeder Gottesdienst hat ein politisches, das heisst gesellschaftspolitisches Signal. Es geht um Mystik und Widerstand, Spiritualität und Ethik: Dies sind zwei Seiten derselben Medaille. Religion ist immer auch öffentlich wirksam. Deshalb ist auch die Einladung zum Friedensgebet ein politisches, genauer ein zivilgesellschaftliches Signal.»

Auch in Zürich gab es über Monate hinweg ein Seilziehen hinter den Kulissen. Es ging um die Präsenz von politischen Vertretern am Friedensgebet. Während der Präsident des kantonalen Regierungsrates, Mario Fehr, umgehend eine Zusage gab, hielt sich die Exekutive der Stadt sehr lange bedeckt. Nun hat sich die Stadtpräsidentin Corine Mauch dazu durchgerungen, am Anlass teilzunehmen. Auch hier dürften diplomatische Überlegungen in der Beziehungspflege mit China eine Rolle gespielt haben. Der Grossmünster-Pfarrer reagiert gelassen auf die Berichterstattung im Tages-Anzeiger und meint: «Ich als ‹Züribueb› freue mich sehr, dass die Stadpräsidentin und der Regierungsrat an dem Anlass teilnehmen. Das zeigt die Ausstrahlung von Religion in die Gesellschaft. Hier kommen Kirche, Religion, Stadt und Kanton Zürich zusammen und besinnen sich gemeinsam.»

Katholischer Support

Auch die Katholische Kirche in Zürich unterstützt das Engagement von Christoph Sigrist, dem es ein grosses Anliegen ist, dass dieser Anlass ökumenisch durchgeführt wird.  Simon Spengler, Informationsbeauftragter der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, sagt dazu: «Im Forum der Religionen ist auch die katholische Kirche vertreten. Wir tragen also die Einladung des Dalai Lama ans Friedensgebet selbstverständlich mit.» Auch der Verantwortliche des Bistums Chur, Generalvikar Josef Annen, betont immer wieder: «Es gibt keinen Frieden ohne den Frieden zwischen den Religionen. Deshalb ist das Friedensgespräch heute dringender denn je.» Die katholische Kirche ist am Friedensgebet mit Rahel Walker Fröhlich präsent. Sie ist Pastoralassistentin in der Zürcher Pfarrei Bruder Klaus und Vertreterin des Generalvikars im Zürcher Forum der Religionen.

12. Oktober 2016 | 12:00
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