Querida Amazonia – ein Schreiben an die Welt

Medienmitteilung

Bistum St. Gallen zum nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia von Papst Franziskus.

Nachstehend ist eine kurze Einführung in das nachsynodale Schreiben zur Amazonassynode. Es richtet sich nicht allein an die Menschen in den Ländern Amazoniens, sondern an die ganze Welt. Der Papst lädt dazu ein, das Schlussdokument zusätzlich zu lesen und dankt in seinem Schreiben «für die Mitarbeit vieler Menschen, die die Problematik Amazoniens besser kennen als ich und die Römische Kurie».

Sein Schreiben Querida Amazonia besteht wesentlich aus vier Visionen:

  • Eine soziale Vision für Amazonien
  • Eine kulturelle Vision (insbesondere für die indigenen Völker)
  • Eine ökologische Vision
  • Eine kirchliche Vision

Soziale Vision – gekoppelt mit der ökologischen Vision

Rund drei Fünftel von Querida Amazonia legt den Fokus auf Umweltfragen, soziale Situation, Armut, Ausbeutung und die Auswirkungen des Klimawandels in Amazonien. Papst Franziskus betont, dass ein ökologischer Ansatz sich immer auch einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in Umweltdiskussionen aufnehmen muss «um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde». Papst Franziskus schämt sich dafür, dass Kirchenleute sich nicht immer auf die Seite der Armen und der bedrohten Erde gestellt haben, betont aber zugleich, dass es oft Missionare und Priester waren, die die Indigenen vor Angreifern geschützt haben. «Heutzutage darf die Kirche nicht weniger engagiert sein, und die ist gerufen, auf den Schrei der Völker Amazoniens zu hören…», fordert der Papst. «Die Kirche will mit ihrer langen, spirituellen Erfahrung, mit ihrem erneuerten Bewusstsein für den Wert der Schöpfung, mit ihrer Sorge um Gerechtigkeit (…) auch zur Pflege und zum Wachstum Amazoniens beitragen.»

Kulturelle Vision

Im Schreiben Querida Amazonia warnt der Pontifex eindringlich davor, Amazonien kulturell zu kolonisieren. Die menschlichen Gruppen, ihre Lebensweise und ihre Weltanschauungen sind so vielfältig wie Amazonien selber. Die Gefahr, dass die indigenen Völker ihre Wurzeln verlieren wird immer grösser, jedoch gibt es heute auch viele Initiativen, um wieder «ein grösseres Bewusstsein für die amazonische Identität zu entwickeln, Amazonien ist zu einer Quelle künstlerischer, literarischer, musikalischer und kultureller Inspiration geworden. Der Respekt vor den verschiedenen Identitäten wird von Papst Franziskus auch verbunden mit Glauben und Verkündigung. Nicht eine kolonialistische Glaubensverkündigung sei das Ziel, sondern Inkulturation. Riten, Bräuche oder Geschichten der Urbevölkerung Amazoniens sind wertvoll, in ihnen drücken sich Glaubenswahrheiten aus, die nicht gegen den christlichen Glauben stehen. Der Papst möchte das, was die Menschen ausmacht, in in Verbindung bringen mit der Frohbotschaft.

Die kirchliche Vision

Manche werden im Wortlaut des nachapostolischen Schreibens Sätze zu Pflichtzölibat, viri probati oder zum Zugang zu Weiheämtern für Frauen vermissen. Das Schlussdokument der Synode beinhaltet zu diesen Themen weitergehende Postulate. Indem der Papst das Schlussdokument nicht als überholt betrachtet, sondern «offiziell vorstellt», bleiben diese der weiteren Diskussion zugänglich.

Im nachsynodalen Schreiben selber allerdings ist über das Thema Pflichtzölibat und viri probati entgegen vieler Mutmassungen im Vorfeld der Publikation kein Wort zu finden (also weder Ablehnung noch Zustimmung). «Der Kraft und der Gabe der Frauen» widmet Papst Franziskus ein eigenes Kapitel. In Amazonien gibt es Gemeinschaften, die manchmal jahrzehntelang keinen Priester gesehen haben und in denen der Glaube trotzdem weitergegeben wurde. «Dies ist der Präsenz von starken und engagierten Frauen zu verdanken, die, gewiss berufen und angetrieben vom Heiligen Geist , tauften, Katechesen hielten, den Menschen das Beten beibrachten und missionarisch wirkten». Die Zulassung der Frauen zu einem Weiheamt ist für den Papst jedoch kein Thema: «In einer synodalen Kirche sollten die Frauen, die in der Tat eine zentrale Rolle in den Amazonasgemeinden spielen, Zugang zu Aufgaben und auch zu kirchlichen Diensten haben, die nicht die heiligen Weihen erfordern, und es ihnen ermöglichen, ihren eigenen Platz besser zum Ausdruck zu bringen. Es sei daran erinnert, dass ein solcher Dienst Dauerhaftigkeit, öffentliche Anerkennung und eine Beauftragung durch den Bischof voraussetzt. Das bedeutet auch, dass Frauen einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei den wichtigsten Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften haben, ohne dabei jedoch ihren eigenen weiblichen Stil aufzugeben». Eine Zulassung der Frauen zum Weiheamt würde gemäss Schreiben auf eine «Klerikalisierung der Frauen» (Nr. 100) hinlenken.

Der Papst betont die Eucharistie als zentrales Sakrament, in dem die Einheit der Kirche dargestellt und verwirklicht wird. Angesichts der sehr kleinen Anzahl von Priestern im Amazonasgebiet wäre es aber zu kurz gegriffen, nur zu versuchen, die Anzahl geweihter Amtsträger zu vergrössern, die die Eucharistie feiern können. Es soll vor allem neues Leben in den Gemeinden geweckt werden. Hier baut der Papst besonders auf Laien und betont deren Verantwortung. «Eine Kirche mit amazonischen Gesichtszügen erfordert die stabile Präsenz reifer und mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteter Laien-Gemeindeleiter (vgl. can. 517 § 2 CIC), die die Sprachen, Kulturen, geistlichen Erfahrungen sowie die Lebensweise der jeweiligen Gegend kennen und zugleich Raum lassen für die Vielfalt der Gaben, die der Heilige Geist in uns sät. (…) Dies setzt in der Kirche die Fähigkeit voraus, der Kühnheit des Geistes Raum zu geben sowie vertrauensvoll und konkret die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Kultur zu ermöglichen, die von Laien geprägt ist.»

Gewiss: Das Dokument ist auf die Realität im Amazonasgebiet hingeschrieben. Trotzdem berührt und bestätigt es auch einen Weg, den das Bistum St. Gallen und viele Teile in der Kirche in der Schweiz schon seit längerer Zeit gehen. In vielfältigen Aufgaben tragen theologisch ausgebildete «Laien» Verantwortung in der Seelsorge und auch in der Leitung. Und auch bei uns werden künftig noch stärker Freiwillige das kirchliche Leben tragen und mitgestalten. Zudem unterstreicht der Papst, dass Inkulturation auch in Bezug auf kirchliche Organisationsformen und Ämter notwendig ist (Nr. 85).

Im umfangreichsten Teil des nachsynodalen Schreibens, soziale, kulturelle und ökologische Verantwortung, unterstützt er durch seine teils sehr deutlichen Anklagen eine Kirche, die Stellung bezieht gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung. Dass Papst Franziskus diesen Brief an die ganze Welt richtet, und sich nicht allein an die Menschen in Amazonien wendet, ist mit diesem Blick gesehen auch Auftrag und Verpflichtung für die Kirche in der Schweiz, sich auch auf politischer Ebene zu äussern und Initiativen zu unterstützen, die sich in Amazonien wie weltweit für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Hier ist das Dokument ein Auftrag an die Welt, der hoffentlich gehört wird.

Bistum St. Gallen
12. Februar 2020 | 14:25