282 Organisationen gegen die Revision des Zivildienstgesetzes

Im Wortlaut

Offener Brief an die Bundesversammlung: 282 Organisationen gegen die Revision des Zivildienstgesetzes.

Sehr geehrte Damen und Herren National- und Ständeräte

Die «Interessengemeinschaft Zivildienst Einsatzbetriebe» wendet sich im Namen von 282 Einsatzbetrieben, Verbänden und Organisationen an Sie. Sie alle sind besorgt über die angedachte Revision des Zivildienstgesetzes (ZDG) und haben aufgrund dessen diese Stellungnahme mitunterschrieben. Mit dieser informieren wir Sie und den vorstehenden Bundesrat Guy Parmelin (WBF) über unsere Bedenken und Anliegen.

Die geplante ZDG-Revision beinhaltet Massnahmen, welche laut dem Bundesrat zum Ziel haben, die Attraktivität des Zivildienstes zu senken. Grund sei die angebliche Gefährdung der Bestände der Armee durch den Zivildienst, obwohl es dazu laut Schweizerischem Zivildienstverband CIVIVA bis heute keine Studie gibt, welche diese Annahme bestätigt.

Die in diesem Brief aufgeführten Einsatzbetriebe, Organisationen und Verbände lehnen sämtliche Massnahmen der Revision mit den folgenden Argumenten ab:

Zivildienstzulassungen sind bereits rückläufig

Laut dem Bundesamt für Zivildienst ZIVI war die Anzahl Zulassungen zum Zivildienst im Jahre 2018 bereits rückläufig. Im Januar 2019 kommunizierte das Bundesamt 6205 Zulassungen, was eine Reduktion von 8,5% gegenüber dem Vorjahr darstellt. Bei den Abgängen nach bestandener Rekrutenschule – einem Bereich in welchem der Bundesrat ursprünglich speziell Handlungsbedarf angemeldet hatte – sank die Zahl der Zulassungen sogar noch stärker, nämlich um über 17% auf 2264 Zulassungen.

Die Zulassungen zum Zivildienst nehmen also bereits wieder ab, wodurch die vorgeschlagenen Massnahmen zur Reduktion ebendieser hinfällig würden. Es kann vermutet werden, dass die genannte Reduktion der Abgänge in den Zivildienst auch auf die Weiterentwicklung der Armee (WEA) zurückzuführen ist, welche seit 1. Januar 2018 in Kraft ist. Dies wäre wiederum ein Beweis dafür, dass die Problematik der Armeeabgänge bereits bei der Armee selber gelöst werden kann, ohne dass dafür Einschränkungen beim wertvollen Zivildienst nötig wären.

Gravierende Auswirkungen auf die Einsatzbetriebe

In der Schweiz gibt es momentan 5072 Einsatzbetriebe für Zivildienstleistende bei welchen insgesamt rund 1,7 Millionen Diensttage geleistet wurden (Zahlen 2018). Dies in Institutionen wie Altersheimen, Behinderteninstitutionen, Spitälern, Museen, Bergbauerfamilien, Umweltschutzorganisationen, Schulen und vielen weiteren. Für all diese Institutionen stellen die Zivildienstleistenden einen wichtigen Bestandteil zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Staat sowie dem Allgemeinwohl dar.

Zur qualitativ hochwertigen Erfüllung ebendieser Pflichten sind diese Institutionen auf genügend qualifizierte und motivierte Zivis angewiesen. Durch die vorgeschriebene Arbeitsmarktneutralität der Zivildienstleistenden wären die Einsatzbetriebe beim Ausbleiben dieser zwar nicht existenziell bedroht, jedoch würden die Kapazitäten nicht mehr ausreichen um die Pflichten in der gewünschten Qualität zu erfüllen.

Beispielsweise könnten dies Betagte sein, deren Gesundheitszustand sich schneller verschlechtern würde, da sie keine Zivis hätten, welche sich mit ihnen unterhalten; eine erschwerte Integration von Kindern mit Behinderung in die Regelschule, da durch die Schule alleine die Mittel einer Rundumbetreuung nicht gegeben sind, oder Landschaften, welche schneller durch gebietsfremde Pflanzen überwuchern, da zu wenig Zivis da wären um sie auszureissen.
Die Auswirkungen von ausbleibenden Zivis wären daher in vielen Bereichen schmerzlich spürbar.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die in diesem Brief aufgeführten Einsatzbetriebe, Verbände und Organisationen bedauern, dass der Bundesrat mit den vorgesehenen Massnahmen den Zivildienst in seiner aktuellen Form zurückbinden will. Der Zivildienst stiftet grossen Nutzen für die Gesellschaft und die Umwelt. Er ist wirkungsvoll, effizient organisiert, wirkt effektiv und ist sowohl als Ganzes sinnvoll wie auch für die einzelnen Zivis sinnstiftend.

Der Bundesrat geht davon aus, dass sich ein erschwerter Zugang zum Zivildienst direkt auf den Personalbestand der Armee auswirkt. Die vorgeschlagenen Massnahmen führen jedoch nach unseren Einschätzungen dazu, dass Zivildienstgesuche früher eingereicht werden, sich mehr Dienstpflichtige untauglich schreiben lassen und mehr unmotivierte Soldaten in der Armee bleiben.

Wir Einsatzbetriebe sind besorgt, dass unser Einsatz für die Gesellschaft zu Gunsten der Armeebestände eingeschränkt werden soll. Der Zivildienst soll den Bedürfnissen der Gesellschaft angepasst werden, nicht denen der Armee. Eine Änderung des Zivildienstgesetzes soll sich entsprechend mit dem Zivildienst auseinandersetzen und nicht den Versuch unternehmen, angebliche Probleme der Armee zu lösen.

Aus den genannten Gründen bitten wir Sie, von den Verschärfungen und der geplanten Revision des Zivildienstgesetzes abzusehen. Dafür danken wir Ihnen bestens.

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Die 282 unterzeichnenden Einsatzbetriebe, Verbände und Organisationen gemäss Anhang

Schweizerischer Zivildienstverband
4. März 2019 | 10:17