Kritik an Auftritt von alt Bundesrat in Kaltbrunn

Johann Schneider-Ammann spricht demnächst bei erzkonservativen Christen in Kaltbrunn. Die Vereinigung Christianity for today ist wegen ihrer Einstellung zu Homosexualität und Abtreibungen umstritten. Auf die Ansichten der Gastgeber angesprochen, wiegelt der FDP-alt-Bundesrat ab – und lässt Kritik an seinem bevorstehenden Auftritt nicht gelten.

Christine Schibschid

Der Verein Christianity for today (CFT) ist eng mit dem Namen des Glarner-Schokoladenherstellers Läderach verbunden. Im Vorstand sitzt Jürg Läderach, Inhaber und Verwaltungsratspräsident des Schoggi-Unternehmens. Sein Sohn Johannes, Läderach-Geschäftsführer, ist ebenfalls CFT-Vorstandsmitglied.

Kritiker werfen dem Verein Homosexuellen- und Frauenfeindlichkeit vor. Die Fluggesellschaft Swiss strich Schokolade aus dem Hause Läderach nach negativer Medienberichterstattung über die Ansichten der Firmenpatrone aus ihrem Sortiment. Läderach wies die Vorwürfe zurück. Die Kritik steht jedoch weiter im Raum.

Am Samstag, 12. September, hält CFT auf Oberkirch in Kaltbrunn seine Jahrestagung ab. Seinen Sitz hat der Verein offiziell in Zürich, es gibt aber personelle Überschneidungen zwischen CFT und der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch, die in Kaltbrunn zu Hause ist (siehe Grafik). Die EGHO hiess früher Kwasizabantu Schweiz, hat sich aber inzwischen von der umstrittenen Mission Kwasizabantu gelöst und umbenannt (siehe Infokasten). Alt Bundesrat kommt zur Tagung

Vergangenes Jahr sprachen bei der CFT-Jahreskonferenz unter anderem Victorinox-CEO Carl Elsener und Ex-HEV- Präsident Ansgar Gmür. Dieses Jahr kündigt der Verein auf seiner Internetseite einen noch prominenteren Redner an: alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP).

Ausserdem sprechen die Ex-Profisnowboarderin Ursula Bruhin und der ehemalige deutsche Topmanager Thomas Middelhoff. Der Ex-Vorstandsvorsitzende des Karstadt Mutterkonzerns Arcandor wurde 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt. Heute gibt er sich geläutert und bekennt sich öffentlich dazu, Todsünden begangen zu haben. Moderiert wird die Jahrestagung von Ladina Spiess, die als Radiostimme bei SRF 1 bekannt wurde. Kritik von Schwulenverband

Dass Schneider-Ammann (FDP) für die Jahrestagung der erzkonservativen Christen zugesagt hat, sorgt für Kritik seitens der Schwulenorganisation Pink Cross. «Das löst bei mir grösstes Erstaunen aus», sagt Vorstandsmitglied Florian Vock auf Anfrage. «Ich hoffe, der alt Bundesrat hat nicht richtig gelesen, um was für einen Event es geht. Vielleicht hat er schlecht recherchiert oder das Honorar ist umwerfend gut», so Vock. Wie er sagt, kann er sich nicht erklären, warum ein Freisinniger eine Organisation mit seiner Anwesenheit beehrt, die Frauenrechte und Homosexuelle missachtet. «Damit legitimiert Schneider-Ammann ihre Positionen, die ins letzte Jahrtausend gehören.» Alt Bundesrat äussert sich nicht

Schneider-Ammann reagiert zunächst nicht auf ein E-Mail der «Linth-Zeitung» mit Fragen zu seinem geplanten Auftritt bei CFT. In seinen schriftlichen Antworten wiegelt er schliesslich ab: Nur weil er ein Referat vor einer Organisation halte, bedeute das nicht, dass er sich mit deren Ansichten einverstanden erkläre (siehe Interview rechts).

Moderatorin Ladina Spiess ging auf Fragen, die ihr per E-Mail gestellt wurden, nur sehr oberflächlich ein. Als freischaffende Moderatorin bleibe sie unabhängig, teilte sie mit. «Aufträge nehme ich gerne an, wenn ich bei Gesprächspartnerinnen und -partnern kritisch nachfragen kann.»

Umstritten ist der Verein CFT unter anderem, weil er Träger und Mitorganisator des Vereins «Marsch fürs Läbe» ist, der gegen Abtreibungen kämpft. CFT spricht sich ausserdem gegen die Ehe für alle aus und war dagegen, dass die Antirassismus-Strafnorm auf Aufrufe zu Hass wegen der sexuellen Orientierung ausgeweitet wird. Auf der CFT-Homepage heisst es: «Wir glauben, dass die Familie – ein Mann und eine Frau, verheiratet, und deren Kinder – die Grundlage einer intakten Gesellschaft bildet, wenn zwischen ihnen eine Beziehung nach den Ratschlägen der Bibel besteht.»

Jürg Läderach war Kassier bei «Marsch fürs Läbe», ist aber inzwischen zurückgetreten. «Weil er nicht den Anschein erwecken wollte, dass er einen namhaften Teil der Aufwendungen trage, was nicht stimmt und auch nie der Fall war», begründet CFT-Sekretär Walter Mannhart den Schritt. Warum er selbst das Amt als Aktuar beim «Marsch fürs Läbe» aufgegeben hat, lässt er offen. «Durch Spenden finanziert»

Mannhart bemüht sich offensichtlich um Transparenz. Auf ein E-Mail mit Fragen antwortet er einen Tag später. Wie er sagt, werden zu der Jahrestagung im September etwa 150 Personen erwartet. Der Verein CFT finanziere sich durch Kleinspenden. Das Jahresbudget für all seine Aktivitäten liege bei etwa 30 000 Franken. Für die Redner und die Moderatorin würden «kleine Beträge bezahlt», welche für Vorträge dieser Art üblich seien.

Laut der Internetseite von Ladina Spiess ist sie als Moderatorin für einen Preis ab 2500 Franken buchbar, für Non-Profit-Organisationen gibt es Spezialpreise. Guter Draht zur Gemeinde

Kaltbrunns Gemeindepräsidentin Daniela Brunner-Gmür erfährt von der «Linth-Zeitung», dass der alt Bundesrat demnächst in ihrer Gemeinde als prominenter Redner auftreten wird. «Das ist noch nicht zu mir durchgedrungen», sagte sie. Mit der EGHO habe sie keine negativen Erfahrungen gemacht: «Wir haben ein gutes Einvernehmen, sie sind sehr offen.»

«Dass er zugesagt hat, löst bei mir grösstes Erstaunen aus.»

Florian Vock

Vorstandsmitglied Schwulenorganisation Pink Cross

Immer wieder in den Schlagzeilen

Die in der Gemeinde Kaltbrunn domizilierte Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch (EGHO) hiess bis vor kurzer Zeit Kwasizabantu Schweiz. Die Sektion hat sich aber 2019 von der umstrittenen südafrikanischen Mission Kwasizabantu gelöst und neu organisiert. Seit der Trennung heisst auch die Privatschule in Kaltbrunn nicht mehr Domino-Servite-Schule, sondern Christliche Schule Linth. «Nach der Trennung von Kwasizabantu und der Distanzierung von den dortigen Problematiken handelt es sich bei der EGHO um eine konservative Freikirche, bei CFT um ein konservativ-freikirchliches, sogenanntes übergemeindliches Werk», sagt Georg Schmid von der Evangelischen Informationsstelle Kirchen – Sekten – Religionen.

Kwasizabantu Schweiz und die Domino-Servicte-Schule waren in der Vergangenheit mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Es ging unter anderem um körperliche Züchtigung oder arrangierte Ehen.

2006 schrieb Sektenexperte Hugo Stamm im «Tagesanzeiger» zum Beispiel einen Artikel mit dem Titel: «Kwasizabantu: Wenn Gott Angst macht.» Eine anonyme Aussteigerin berichtete darin: «Die moralische Keule, der Glaubensdruck und die Unterdrückung haben mich gebrochen.» Sie habe ihre Kinder auf Anweisung der Seelsorger schon im Alter von einem Jahr geschlagen, um sie zu züchtigen. EGHO teilte Anfang 2020 mit, es seien zu keiner Zeit Ehen arrangiert worden. Zu körperlicher Züchtigung sei nicht aufgerufen worden. Wenn sich Menschen autoritär oder sonst fehlerhaft verhalten hätten, sei man stets bestrebt gewesen, diese Missstände zu beseitigen. Diese Einstellung habe zuletzt auch zur Trennung von Kwasizabantu geführt.

Christine Schibschid

«Ich halte mich als Alt-Bundesrat mit Meinungsäusserungen zurück»

Wieso hält Alt-Bundesrat Johann Schneider Ammann bei der Vereinigung Christianity for today (CFT) eine Rede, wenn diese Organisation regelmässig für kritische Schlagzeilen sorgt? Die «Linth-Zeitung» hat beim FDP-Mann und Unternehmer nachgefragt.

Herr Alt-Bundesrat, gegenüber dem «Sonntags Blick» haben Sie einst gesagt: «Klassisch gläubig bin ich nicht.» Würden Sie das auch heute noch so sagen?

Johann Schneider-Ammann: Ja, das würde ich auch heute noch so sagen. Gleichwohl würde ich den Moment, als ich den Papst kennenlernte, als einer der bedeutendsten in meiner Zeit als Bundesrat bezeichnen.

Wie kommt es denn, dass Sie der CFT für ein Gastreferat zusagten?

Weil ich als Unternehmer und Politiker für christliche Werte einstehe. Ich kenne die Familie Läderach als Unternehmerfamilie und schätze ihre unternehmerische Leistung. Privat bin ich nicht mit ihr verbunden.

Wann haben Sie sich für den Auftritt bei der der CFT entschieden?

Diese Anfrage kam bereits vor einem Jahr.

Welche Rolle spielte das Finanzielle bei der Zusage?

Keine.

Die CFT ist umstritten. Haben Sie das bei Ihrer Zusage berücksichtigt?

Ein Referat an dieser Tagung zu halten bedeutet nicht, Teil dieser Organisation zu sein. Aber Politik und Unternehmertum sind Themen, die mich bereits mein Leben lang begleiten und interessieren. Das Thema meines Referates lautet «Quo vadis Schweiz». Und ich hoffe, dazu eine Diskussionsgrundlage bieten zu können.

Kennen Sie die Ansichten von CFT zu Ehe, Familie und Schutz des Lebens?

Wie bereits gesagt, wenn ich ein Referat vor einer Organisation halte, heisst das nicht, dass ich mich mit deren Ansichten einverstanden erkläre. Wichtig ist der Dialog.

Die Schwulenorganisation Pink Cross kritisiert aber, dass Sie durch Ihren Auftritt die veralteten Ansichten der CFT legitimieren. Was sagen Sie dazu?

Noch einmal: Thema meines Referates ist «Quo vadis Schweiz». Mir ist der Dialog darüber wichtig. Mit diesem Auftritt legitimiere ich somit keineswegs irgendwelche Ansichten und Positionen.

Sind Sie als Alt-Bundesrat häufig als Redner im Einsatz?

Nein. Ich halte mich als Alt-Bundesrat mit Meinungsäusserungen zurück.

Was haben Sie noch für Mandate und Aufgaben?

Ich war bis zu meiner Zeit als Bundesrat immer Unternehmer und bin das jetzt auch wieder, allerdings auch hier im Hintergrund und bei von mir genau ausgesuchten Aufgaben und Engagements. Mir ist wichtig, junge Menschen auf ihrem Weg zu motivieren und zu unterstützen.

Was wird der konkrete Inhalt Ihrer Rede sein?

Bereits als Bundesrat waren für mich die wichtigsten Themen: die Schaffung von Jobs, die Bildung und Innovation. (sch)

* Das Interview wurde schriftlich geführt.

Linth Zeitung am Wochenende
8. August 2020 | 10:02