Bischof Vitus Huonder fördert den Exodus

Medienmitteilung

Kommentar von DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben zu «Humanes Sterben aus der Sicht des Glaubens – Wort zum Tag der Menschenrechte 10. Dezember 2016» von Msgr. Dr. Bischof Vitus Huonder, Bischof von Chur.

 In seinem 15seitigen Wort zum Tag der Menschenrechte – Humanes Sterben aus der Sicht des Glaubens1, den er als «Arbeitshilfe» und «Leitfaden» versteht, macht Vitus Huonder, der Bi-schof von Chur, ein paar interessante Aussagen. Er stellt unter anderem fest, dass «wir für den letzten Abschnitt unseres Daseins weitgehend von Fachpersonen abhängig [sind], die über unser Leben bestimmen», weiter «nicht wir bestimmen über Leben und Tod» und «deshalb liegt es uns fern, selber den Zeitpunkt des Sterbens zu bestimmen». Die Sterbestunde zu bestimmen lie-ge in Gottes Allmacht, «der Herr macht tot und lebendig». Huonder fordert «wenn die Sterbe-stunde naht, ist die Gegenwart des Priesters für die Abnahme der Beichte, die Spendung der Krankensalbung und die Darreichung der heiligen Kommunion zu ermöglichen». Die Suizidhil-fe und «die Beihilfe Umstehender und Verwandter dazu» versetze «den Priester in eine gerade-zu unmögliche Lage, wenn er für die Spendung der Sakramente gerufen» werde, und «unter die-sen Umständen sind die Voraussetzungen für deren Empfang nicht gegeben».

Widerspruch

Bischof Huonder ist zuzustimmen, dass wir in Leidens- und Lebensende-Situationen verstärkt in Kontakt mit Fachpersonen sind. Er widerspricht sich aber selbst, indem er äussert, diese Fach-personen würden «über unser Leben bestimmen» und gleichzeitig feststellt «die Sterbestunde zu bestimmen liege in Gottes Allmacht». Wer bestimmt nun? Die Fachpersonen oder Gott? Huon-der hält fest: «Letztendlich darf der natürliche Vorgang des Sterbens nicht beeinträchtigt wer-den, da er auch Ausdruck des Schöpferwillens Gottes ist», aber ist es nicht längst Tatsache, dass der Mensch – in diesem Fall medizinische Fachpersonen – Gott «spielt», in dem er auf Wunsch der betroffenen Person, und auch aus Pflicht, das Leben künstlich verlängert und auf den Vor-gang des Sterbens Einfluss nimmt? Würde der Mensch – die Mediziner und Pflegefachleute – sich nicht über «Gottes Allmacht» hinwegsetzen, sondern die Dinge ihrem freien Lauf überlas-sen, würden viele Menschen deutlich früher sterben – und dies in einigen Fällen unter schreckli-chen Qualen, denn auch die Palliativmedizin ist ein menschlicher Eingriff und eine gewisse Mitbestimmung über den Zeitpunkt des Sterbens.

Noch ein Widerspruch

Bischof Huonder veröffentlicht seine die Selbstbestimmung in Leidenssituationen ablehnende Stellungnahme ausdrücklich zum Tag der Menschenrechte. Doch gerade der Europäische Ge-richtshof für Menschenrechte, der die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrief-ten Freiheiten und Rechte sichert und auslegt, hat in seinem Entscheid vom 20. Januar 2011 in der Sache Haas gegen die Schweiz2, in Abschnitt 51 festgehalten: «Im Lichte dieser Rechtsprechung hält der Gerichtshof dafür, dass das Recht eines Individuums, zu entscheiden, auf welche Weise und in welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll, sofern es in der Lage ist, seine diesbezügliche Meinung frei zu bilden und dem entsprechend zu handeln, einen der Aspekte des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Sinne von Artikel 8 der Konventi-on darstellt.» Die Menschenrechtskonvention schützt auch die Meinungs- und Äusserungsfreiheit von Bischof Huonder, aber sie schützt ihn nicht davor, dass gläubige Christen von ihrem Menschenrecht Ge-brauch machen… Unwissen Bischof Huonder glaubt, «unter «humanem Sterben» verstehe man die Bestimmung der Todes-stunde durch die Vorkehrungen der so genannten «Sterbehilfe-Organisationen»«. Damit zeigt der Bischof sein Unwissen. Denn erstens definieren nicht DIGNITAS oder Exit, was humanes Sterben ist, sondern ausschliesslich jeder einzelne Menschen selbst. Und zweitens können DIG-NITAS und Exit so viele «Vorkehrungen» machen wie sie wollen, diese bestimmen aber nie die Todesstunde.

Noch mehr Unwissen

Bischof Huonder fordert, wenn die Sterbestunde nahe, sei die Gegenwart des Priesters zu er-möglichen. Es scheint, Bischof Huonder habe noch nicht bemerkt, dass dies seit der Gründung vor über 18 Jahren beim Verein «DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig ster-ben» möglich und mehrmals vorgekommen ist. Und dies nicht nur mit Personen christlichen Glaubens, sondern auch mit Anhängern der buddhistischen und jüdischen Lehre. Sie alle dürfen Geistliche in ihren persönlichen Prozess hin zu einem für sie humanem Sterben bis zuletzt mit einbeziehen.

Denkfehler zum Nachteil der Kirche

Indem Bischof Huonder festhält, im Falle einer Suizidhilfe sei die Voraussetzungen für den Empfang der Spendung der Sakramente durch Priester nicht gegeben, entzieht er vielen Christen in einer für sie wichtigen Stunde den tröstenden Beistand. Denn unter den Mitgliedern von DIG-NITAS finden sich bei Weitem nicht nur Atheisten und Agnostiker, sondern auch Christen, ge-nauso wie Personen anderer Religionszugehörigkeit. Dass sich christlicher Glaube und Wahl- freiheit und Selbstbestimmung in Leidenssituationen nicht ausschliessen, zeigt auch die australi-sche Gruppierung «Christians Supporting Choice for Voluntary Euthanasia» 3. Bischof Huonder hätte es in der Hand, sich auf die diversen Bibelstellen im Alten Testament zu besinnen, welche Suizide und gar eine Tötung auf Verlangen beschreiben, jedoch nicht verurteilen,4 die aus Macht- und Finanzinteresse entstandene kirchliche Verdammung der Selbstbestimmung im Lei-den abzulegen, und die Barmherzigkeit Gottes nicht nur in Wort, sondern auch in Tat umzuset-zen. So lange er dies nicht tut, sollte er sich nicht wundern, wenn immer mehr Menschen den kirchlichen Institutionen den Rücken kehren und ihr Heil anderswo suchen. Das ist schade, denn gerade die Kirche könnte mit der Respektierung von Suizid und Suizidhilfe und damit einherge-hend ehrlicher Vermeidung von verzweifelten Suizidversuchen, die meistens scheitern5 – mit schwerwiegenden Folgen für die betroffene Person, ihr näheres Umfeld und die Gesellschaft6 – viel Leid lindern, was traditionsgemäss eigentlich ihre Aufgabe wäre.

Weitere Informationen

1 http://www.bistum-chur.ch/wp-content/uploads/2016/12/Tag-der-Menschenrechte-2016-def-160817.pdf

2 http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-102939

3 http://christiansforve.org.au

4 http://www.dignitas.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=34&Itemid=74&lang=de

5 https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20011105

6 http://www.dignitas.ch/images/stories/pdf/studie-ph-der-preis-der-verzweiflung-aufsatz.pdf

 

 

 

 

Dignitas
6. Dezember 2016 | 15:43