Die Schlange als Symbol des Bösen
Schweiz

«Eine Schlange ist weder böse noch schlau»

Givisiez FR, 5.8.17 (kath.ch) Viele Menschen haben Angst vor Schlangen. Ist dies ein angeborener Reflex oder eine Folge des negativen Bildes, das die Bibel von der Schlange vermittelt? Christophe Rotzetter, praktizierender Katholik und Schlangenliebhaber, kämpft gegen das Bild der Schlange als Verkörperung des Bösen. Ein Beitrag zur Sommerserie «tierisch heilig» von kath.ch.

Raphaël Zbinden

Vorsichtig, aber ohne Angst und sogar mit einer gewissen Zärtlichkeit hält Christophe Rotzetter die 2,5 Meter lange Schlange «Bartek» in den Händen, eine «Boa Constrictor».  Die Kinder rundherum weichen unwillkürlich zurück angesichts des eindrücklichen Tieres. Viele von ihnen lassen es aber nach einer Weile kichernd zu, dass sich die Schlange auf ihre Schultern legt.

Der Schlangenliebhaber hält in seiner Wohnung im freiburgischen Givisiez 32 Schlangen. Er war immer schon begeistert von diesen Reptilien und hält sie sie fast 20 Jahren. Als Gymnasiallehrer führt er sie immer mal wieder seinen Schülern vor, um ihnen auf diese Weise die Angst vor Schlangen zu nehmen.

«Christen sollen zwischen Symbolik und Realität unterscheiden»

Als praktizierender Katholik, der sich in der Kirche engagiert, bedauert er, dass die Schlange in der jüdisch-christlichen Tradition in einem schlechten Licht dasteht. «Natürlich ist die Schlange in dieser Tradition ein Symbol für das Böse. Aber Christen sollen zwischen Symbolik und Realität unterscheiden», sagt Rotzetter.

Nah an der Erde und weit weg vom Himmel

In vielen Traditionen spiele die Schlange allerdings auch eine positive Rolle, etwa als Symbol für Weisheit oder Fruchtbarkeit. Die negative Konnotation, die man ihr im Westen zuschreibe, sei somit nicht allgemeingültig. Rotzetter betont, dass diese Schlangen all die Vorurteile nicht verdienten. Deshalb hebt er bei seinen Präsentationen ihre Schönheit und ihre faszinierende Wildheit hervor.

Für den Freiburger liegt es zweifelsohne an der kriechenden Fortbewegung des Tieres, das sich also nah an der Erde und weit weg vom Himmel bewegt, dass es zum Gegenpol des Göttlichen wurde. Auch die Tatsache, dass die Schlange ihre Augen nicht schliessen kann oder dass ihr Biss mitunter giftig sein kann, hätten wohl nicht zu ihren Gunsten gesprochen.

«Die Menschen projizieren ihre Vorstellungen des Bösen auf die Schlange.»

Christophe Rotzetter glaubt, dass die Angst vor Schlangen bei vielen Menschen unbewusst von diesem biblischen Bild herrühre.  Er bemüht sich daher zu zeigen, dass das reale Tier ganz anders ist als die Heiligen Schriften es beschreiben. «Die Menschen projizieren ihre Vorstellungen des Bösen und des Leidens auf die Schlange.» Das Tier sei in Wahrheit unfähig zu all den negativen Eigenschaften, die man ihm zuschreibe.

Christophe Rotzetter mit «Bartek» | © Christophe Rotzetter

Wissen über die Schlangen verbreiten

Der Schlangenbesitzer erklärt den Schülern, wie das Nervensystem der Schlange funktioniert: Ihr Verhalten werde durch Konditionierung und externe Reize gesteuert. Von Schlauheit oder Bösartigkeit könne keine Rede sein, denn diese Eigenschaften wären an ein höher entwickeltes, kognitives Bewusstsein gebunden. Eine Schlange reagiere nur dann aggressiv auf einen Menschen, wenn sie sich bedroht fühle oder wenn sie irrtümlicherweise gemeint habe, eine Beute vor sich zu haben. Eine Schlange beisse nur im äussersten Notfall, denn Gift zu verspritzen bedeute für einen hohen Energieverlust für das Tier, sodass seine eigenen Überlebenschancen kleiner würden.

Christophe Rotzetter hält es für sehr wichtig, solches Wissen über das Verhalten der Schlangen zu verbreiten, damit diese weiterhin ein wichtiger Teil der Biodiversität sein können. Seine Hoffnung könnte berechtigt sein, wenn man sieht, wie die Kinder nach der Vorführung den Raum mit einem Lächeln verlassen. (cath.ch/Übersetzung: sys)

 

 

Die Schlange als Symbol des Bösen | © sipa / pixabay.com CC0
5. August 2017 | 16:23
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

weitere Artikel der Serie «Sommerserie 2017»

Die Schlange in der Schöpfungsgeschichte

«Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben.  Gott weiss vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.» (Genesis 3,1-5)

Gemäss François-Xavier Amherdt, Pastoraltheologe an der Universität Freiburg, zeigt sich hier ein zwiespältiges Bild der Schlange: Sie gibt vor, mehr als Gott zu wissen und will dieses Wissen den Menschen weitergeben. Als sprechendes Tier sei sie dennoch ein Geschöpf Gottes, seiner Autorität unterworfen. Sie wird als das schlauste Tier vorgestellt und repräsentiert quasi das Böse, das schon vor dem Menschen da war und das zur Quelle von Versuchung und Lüge wird. Gott lässt die Schlange walten, damit der Mensch frei bleibt. Die Schlange ruft im Buch Genesis zum Kampf gegen Gott auf, indem sie sein Wort in Zweifel zieht und Eva zum frevelhaften Handeln verleitet. (cath.ch/sys)