Yan-Hui-Tempel in Qufu, China
International

Streit um Kirchenbau am Geburtsort von Konfuzius

Hongkong, 7.2.16 (kath.ch) Es ist ein ungewöhnlicher Konflikt: Die kommunistische Regierung in Peking will eine Kirche bauen, und die Menschen protestieren. Allerdings soll die Kirche nicht irgendwo in China entstehen – sondern ausgerechnet am Geburtsort von Konfuzius.

Stefanie Ball

Zeng Zhenyu, ein bekannter Professor an der Shandong-Universität für konfuzianische Studien, greift auf einer chinesischen Website die Lokalverwaltungen von Qufu und Jining scharf an. Er kritisiert den «geheimen» Bau einer protestantischen Kirche drei Kilometer von der Tempelanlage entfernt und warnt, eine Kirche, die das konfuzianische Erbe überrage, werde Kontroversen hervorrufen. Die Lehrmeister der konfuzianischen Lehre setzen sich dagegen zur Wehr.

Qufu im Nordosten des Landes in der Provinz Shandong ist Geburtsort von Konfuzius, dem Begründer der nach ihm benannten philosophischen Lehre. Hier liegt auch dessen Grab.

«Spirituelles Zuhause Chinas»

Geheim ist das Ganze zwar nicht; es gibt nämlich bereits eine Kirche im Ort. Allerdings ist die eher unscheinbar und einstöckig, ein Notbehelf. Schon seit 2010 ist eine neue Kirche in Planung, und die soll laut Medienberichten Platz für 3000 Menschen haben und etwa 41 Meter hoch werden. «Qufu ist für China wie Jerusalem oder Mekka», sagte Zeng dem «Time Magazine», es sei «das spirituelle Zuhause Chinas». Christliche Kirchen solle es an einem solchen Ort nicht geben; man könne sie doch anderswo bauen.

Der Adressat, an den sich der Professor wendet, ist genau genommen nicht die Kirche selbst, sondern die Regierung in Peking. Denn die kontrolliert die Kirchen im Land, und zwar streng. Seit 1982 garantiert die chinesische Verfassung Religionsfreiheit. Allerdings schliesst diese Freiheit nur fünf offiziell erlaubte Religionen ein, darunter auch das katholische und das protestantische Christentum.

Die Kirche, um die es in Qufu geht, gehört zum sogenannten «Three-Self Patriotic Movement», der «Patriotischen Bewegung dreier Selbst»; das ist eine von zwei grossen Gruppierungen, die die offiziellen protestantischen Kirchen in China unter sich vereinen.

Kommunistische Partei schaut Richtung Konfuzius

Chinas Präsident Xi Jinping hat Qufu bereits besucht; selbst an einer Geburtstagsfeier für «Master Kong» hat er teilgenommen. China, so sagte er vor den versammelten Gelehrten aus aller Welt, war immer friedliebend – ein Charakterzug, der tief verwurzelt im konfuzianischen Denken sei.

Parteioffizielle werden heute verpflichtet, sich Vorträge über Konfuzius anzuhören. «Um Chinas Probleme zu lösen, müssen wir in unserem eigenen Land nach Mitteln und Wegen suchen, die zu uns passen», erklärte Xi laut Medienberichten 2015 bei einem Treffen von Parteikadern. «Wir müssen die grosse Weisheit nutzen, die die chinesische Nation über die vergangenen 5000 Jahre angesammelt hat.»

Auch bei so viel prominenter Unterstützung bestünde zwar kaum die Gefahr, dass das Erbe des Meisters Konfuzius ausgerechnet in Qufu vom Christentum überrollt wird. Dennoch: Eine Kathedrale in Mekka oder ein konfuzianischer Tempel neben der Jerusalemer Klagemauerwürden wohl auch nicht ohne weiteres gutgeheissen. (kna)

Yan-Hui-Tempel in Qufu, China | © 2016 Keystone
7. Februar 2016 | 13:51
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Konfuzianismus

Der Konfuzianismus gilt weniger als eine Religion, denn als Philosophie oder Weisheitslehre. Kongzi oder Kongfuzi (Master Kong), wie ihn die Menschen nannten, war Chinas prominentester Lehrmeister, geboren wohl 551 vor Christus in Qufu. Später wurde daraus lateinisch Konfuzius. Nachdem die Kommunisten unter Mao Zedong (1949-1976) bestrebt waren, die Überbleibsel des feudalen China auszumerzen, zu dem auch Konfuzius zählt, erlebt der Philosoph zuletzt eine Renaissance. (kna)