Abtei Saint-Maurice unterhalb der Dents du midi
Schweiz

Saint-Maurice: Europas Bischöfe reden über Radikalisierung des Islam

Freiburg i.U., 14.5.15 (kath.ch) Mit der «Radikalisierung des Islam» in Europa beschäftigen sich die Vertreter der europäischen Bischofskonferenzen bei ihrem Treffen im Schweizerischen Saint-Maurice, das am Mittwochabend (13. Mai) begann. 35 Delegierte aus den Ländern Europas nehmen daran teil, heisst es in der Mitteilung des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) von Mittwoch. Mitorganisator Erwin Tanner, Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), erläutert gegenüber kath.ch die Hintergründe des Treffens und des gewählten Themas.

Sylvia Stam und Georges Scherrer

Warum haben die Schweizer Bischöfe den CCEE nach Saint-Maurice eingeladen?

Erwin Tanner: Dass das Treffen der Bischöfe und Delegierten der europäischen Bischofskonferenzen für den Dialog mit den Muslimen dieses Jahr in der Schweiz stattfindet, ist auf Anfrage des Sekretariats des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) an mich erfolgt. Ich habe dann aus verschiedenen praktischen und theologischen Gründen als Veranstaltungsort Saint-Maurice und das Foyer Franciscain vorgeschlagen. Die Organisation der Veranstaltung liegt beim Sekretariat des CCEE; das Generalsekretariat der SBK hat hier Unterstützung geleistet.

Warum wird in Saint-Maurice über die Muslime diskutiert? Gibt es Bezüge zwischen dem Kloster und dem Islam?

Tanner: Hier müssen wir etwas in die Geschichte eintauchen. Ein erster  Grund liegt in der Abtei Saint-Maurice: Die Territorialabtei von Saint-Maurice d’Agaune feiert ihren 1500. Geburtstag. Das Kloster wurde im Jahr 515 von König Sigismund von Burgund auf der Grabstätte des Märtyrers Mauritius und seiner Gefährten gegründet, die im Jahr 290 ihr Leben für ihren christlichen Glauben hingaben. Mauritius war ein römischer Offizier, der aus Ägypten stammte und Kommandant einer Legion aus Theben (dem heutigen Luxor) war. Seine Soldaten und er widersetzten sich dem kaiserlichen Befehl, die Christen zu verfolgen. – Ein zweiter Grund findet sich in der Franziskanischen Bewegung, die eine «Hôtellerie Franciscaine» in Saint-Maurice betreibt. Es ist eine Bewegung, die der Spiritualität von Franz von Assisi verpflichtet ist. Dieser Heilige der Römisch-Katholischen Kirche setzte bereits im 13. Jahrhundert für den Dialog mit den Muslimen einen neuen Akzent; einen Akzent, der nach wie vor Beachtung verdient. Nach der Überlieferung soll Franz von Assisi während dem fünften Kreuzzug am 5. November 1219 beim Sultan al-Malik al-Kāmil in Damiette am Nildelta in Ägypten vorstellig geworden sein.

Ziel der Begegnung war zwar nicht das interreligiöse Gespräch, sondern die Bekehrung des Sultans zum christlichen Glauben. Der Sultan erwog aber keinen Religionswechsel, sondern hörte dem Bettelmönch mit Nachsicht zu. Dieses Gespräch nahm Franz von Assisi als Zeichen in sein Bewusstsein auf, dass nur eine friedliche Mission dem Krieg im Heiligen Land Einhalt gebieten kann.

Beide Gründe veranlassten mich, Saint-Maurice als Ort einer Veranstaltung zur Frage nach der Radikalisierung in den islamischen Gemeinschaften und zur Frage nach dem Ob und Wie des Dialoges mit den Muslimen zu wählen.

Werden unter den Teilnehmenden auch Muslime sein? 

Tanner: Die Veranstaltung dient dem Erfahrungs- und Gedankenaustausch und der Vernetzung unter den Bischöfen und Delegierten der Bischofskonferenzen für den Dialog mit den Muslimen zu einem aktuellen Thema. Es ist aber keine Geheimveranstaltung, weshalb auch muslimische Gäste anwesend sein werden.

 Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit Muslimen?

Tanner: Im Rahmen meiner Tätigkeit als Sekretär der Arbeitsgruppe Islam der Schweizer Bischofskonferenz mache ich unterschiedliche Erfahrungen, je nach dem, um welches Thema es geht und mit welchen Personen man spricht. Manchmal gehe ich aus interreligiösen Gesprächen freudig und zuversichtlich heraus, und manchmal aber auch entmutigt und enttäuscht; es sind vor allem theologische Gespräche, die sehr schwierig sind.

Wie findet der interreligiöse Dialog mit Muslimen innerhalb der SBK statt?

Tanner: Die Schweizer Bischofskonferenz hat seit rund 15 Jahren eine Arbeitsgruppe zum Dialog mit den Muslimen. Diese Arbeitsgruppe – wohl besser gesagt: diese Dialogkommission unter der gegenwärtigen Leitung von Bischof Charles Morerod – bemüht sich fortwährend um persönliche Gespräche mit Vertretern muslimischer Gemeinschaften in der Schweiz und im Ausland und erarbeitet regelmässig Seelsorgehilfen für ein besseres Verständnis zwischen Angehörigen des Islams und des Christentums   – etwa zur Frage der Konversion zum Katholizismus, der gemischtreligiösen Ehe oder der verschiedenen theologischen Strömungen im Islam.

Welche Resultate erwarten Sie von diesem Treffen?

Tanner: Das Treffen in Saint-Maurice dient dem Erfahrungs- und Gedankenaustausch unter den Bischöfen und Delegierten der Bischofskonferenzen für den Dialog mit den Muslimen. Die Teilnehmenden sollen sich ein Bild machen können über das Zusammenleben mit den Angehörigen des Islams in den verschiedenen Teilnehmerländern. Sie sollen Lehren ziehen können aus guten und weniger guten Versuchen  des Dialogs und der Lösung von Friktionen und Konflikten.

Was geschieht mit dem Resultat der Diskussion nach dem Treffen?

Tanner: Die Ergebnisse sollen die Teilnehmenden mit nach Hause nehmen und mit den für den Dialog eingesetzten Gremien ihrer Bischofskonferenzen besprechen. (gs/sys)

Weiterer Artikel zum Thema.

Abtei Saint-Maurice unterhalb der Dents du midi | © 2015 Georges Scherrer
14. Mai 2015 | 08:31
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!