Belkis Osman, Religionspädagogin
Schweiz

Muslimische Religionspädagogin: «Integration ist eines meiner Ziele»

Zürich, 2.11.15 (kath.ch) Belkis Osman erteilt ihren islamischen Religionsunterricht an der albanisch-islamischen Gemeinschaft in Zürich-Altstetten auf Deutsch. Das helfe den Kindern, das Wissen aus der muslimischen Gemeinschaft mit dem Wissen aus der Schule zu verbinden, ist Osman überzeugt. Die Muslimin, deren Eltern aus der Türkei stammen, gab kath.ch nach Ende des Religionsunterrichts Auskunft. Die albanisch-islamische Gemeinschaft hatte anlässlich des «Festivals der Religionen» in Zürich am Sonntag, 1. November, offene Türen.

Regula Pfeifer

Die Mädchen, die eben bei Ihnen den Religionsunterricht besucht haben, tragen ein Kopftuch – tragen sie das immer?

Belkis Osman: Nein, sie tragen es nur hier, keines von ihnen trägt es ausserhalb der Moschee.

Aus dem Unterrichtszimmer sind Mädchen und Knaben gekommen. Unterrichten Sie ansonsten geschlechtergetrennt?

Osman: Nein, Buben und Mädchen besuchen denselben Unterricht.

Wie unterrichten Sie islamische Religion?

Osman: Ich vermittle den Kindern die Religion hier in der albanisch-islamischen Gemeinschaft jeweils am Sonntag, und zwar auf Deutsch. Unter der Leitung des Imams lernen die Kinder den Koran lesen und Stellen daraus, die man fürs Gebet braucht, auswendig.

Was haben Sie heute behandelt?

Osman: Wir haben über die Botschaft und den Botschafter geredet. (Osman zeigt auf einen Flipchart mit Papieren darauf). Es ging darum wer die Botschaft schickt und wer sie empfängt.

Und was haben Sie den Kindern erklärt?

Osman: Die Botschaft ist das geschriebene Werk Gottes, bei uns der Koran. Ich sage dabei auch, dass es vorher schon andere Werke gegeben hat, das Alte Testament und das Neue Testament. Die Botschaft geschickt hat Gott, die Empfänger sind wir Menschen.

Was besprechen sie sonst?

Osman: Die Kinder lernen bei mir die Namen verschiedener Propheten kennen, Moses, Jesus, Mohammed. Da ich auf Deutsch unterrichte, erfahren sie von mir die deutschen Namen, nicht wie sonst, die arabischen. So können sie das, was sie hier hören, besser in Verbindung bringen, mit dem, was sie in der Schule erfahren. Sonst merken sie gar nicht, dass Jesus und ‘Isa dieselben Personen sind.

Was hilft Ihnen der verbindende Ansatz, den Sie pflegen?

Osman: Mir ist es ein Anliegen, dass die Kinder ihr religiöses Leben und das Alltagsleben in der Schule zusammenführen können. Die beiden Lebensbereiche dürfen nicht separat sein. Sonst sind die Kinder zwischen zwei Identitäten hin- und hergerissen.

Unterrichten Sie reinen Religionsunterricht oder umfasst Ihr Unterricht andere Schulfächer – etwa wie in jüdischen Schulen?

Osman: Ich gebe nur Religionsunterricht, wir sind ja keine Schule hier. Alles andere lernen die Kinder in der öffentlichen Schule. Unser Unterricht findet nur am Sonntag für zwei Stunden statt. Die Kinder kommen freiwillig und müssen nichts zahlen dafür. Mal kommen mehr, mal weniger von ihnen. So bieten das die meisten Moscheen an.

Unterrichten Sie auch anderswo?

Osman: Ja, am Samstag unterrichte ich in Volketswil andere Klassen. Dort sind die Kinder unterschiedlicher Nationalität, sie sprechen somalisch oder arabisch oder auch deutsch. Ich unterrichte auch dort alle auf Deutsch.

Haben Sie eine Ausbildung?

Osman: Ich bin als Religionspädagogin ausgebildet. Im Fernstudium habe ich interreligiöse Pädagogik in Deutschland studiert. Da hatte man selbstständig Aufgaben zu machen und traf sich alle zwei Monate für ein Wochenendseminar.

Behandeln Sie auch das Thema Extremismus?

Osman: Hätte ich Jugendliche im Unterricht, würde ich das tun. Zu mir kommen aber Kinder von sechs bis zwölf Jahren, da ist noch kein Bedarf. Hingegen thematisiere ich immer wieder andere Religionen. Beim Fasten erwähne ich beispielsweise, dass andere Religionen das ebenfalls kennen, wenn auch in anderer Form.

Ausserdem rege ich die Kinder dazu an, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Das hilft, weniger empfänglich für extremistische Ansichten zu werden. Im Übrigen kenne ich keine Jugendlichen aus dem Religionsunterricht, die in diese Richtung abgedriftet wären.

Helfen Sie bei der Integration in die Gesellschaft?

Osman: Das ist eines meiner Ziele. Sie sollen sich wohlfühlen, auch wenn sie einen anderen Hintergrund haben. Dadurch, dass ich deutsch unterrichte, sehen sie ihre Religion anders. Sie haben den Eindruck: Ich kann Moslem sein und trotzdem einen Platz in der Gesellschaft finden. (rp)

 

Belkis Osman, Religionspädagogin | © 2015 Regula Pfeifer
2. November 2015 | 15:11
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