Arnd Bünker zur Synode: «Homosexualität war ein zu heisses Eisen»

Zürich, 25.10.15 (kath.ch) Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI), koordinierte 2013 im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) die Umfrage zu Ehe und Familie unter den Schweizer Katholiken. Im Interview mit kath.ch nimmt er Stellung zum Abschlussdokument der Synode.

Sylvia Stam

Die Bischofssynode ist zu Ende – Sind Sie zufrieden mit dem Resultat oder enttäuscht?

Arnd Bünker: Insgesamt bin ich sogar sehr zufrieden, allerdings hatte ich auch keine allzu grossen Erwartungen. Die jetzt sichtbare Grundlinie finde ich positiv.

In der Sendung «Sternstunde Religion» sagen Sie, das Resultat sei mehr als ein Kompromiss. Wie meinen Sie das?

Bünker: Der Synode ist es gelungen, ein Aushandeln von neuen Regeln und Normen zu verhindern. So ein Aushandeln wäre ein endloses Gezerre geworden, mit dem man der Vielfalt von Familiensituationen weltweit nie hätte gerecht werden können. Die Synode hat stattdessen den Zugang zum Thema verändert: Familien als Subjekte des Kirche-Seins sehen, nicht nur als Objekt einer gutmeinenden Pastoral; Licht und Schatten gleichermassen wahrnehmen; konkrete Situationen berücksichtigen. Sehr deutlich wird, dass die Lehre zwar klar kommuniziert werden soll, dass aber zugleich keine pastoralen Urteile gefällt werden sollen, welche die jeweiligen Situationen nicht in ihrer Komplexität berücksichtigen. Das ist zwar kein einfaches Ergebnis, aber ein sehr vernünftiges.

Beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen wurde eine offene, aber zugleich vage Formulierung gewählt. Wie verstehen Sie diese?

Bünker: Die Synode traut den Betroffenen, den Seelsorgenden und den Bischöfen mehr denn je zu, situativ angemessene Lösungen zu finden. Das ist ein echter Vertrauensbeweis an Gläubige und Seelsorgende, aber es ist auch eine Herausforderung. Es gibt kein Einheitsrezept für alle Lebenslagen, sondern den Auftrag, miteinander zu schauen, was geht, was es noch braucht, was wichtig und richtig ist. Ich finde, dass die faktische seelsorgliche Praxis hier oftmals schon das tut, was die Synode jetzt anregt: Hinschauen, die Lehre nicht einfach vergessen, aber zugleich angemessene Lösungen finden. Die Zielsetzung dafür ist sehr eindeutig benannt: Integration.

Entspricht dies auch dem, was die Schweizer Katholikinnen gemäss Umfrage wünschten?

Bünker: Die Linie des Schlussberichts stimmt in meinen Augen. Aber wer von der Synode konkrete Entscheidungen oder unmittelbare Regeländerungen erwartet hat, der wird enttäuscht sein. Ich glaube allerdings, dass die sehr offene Grundrichtung des Schlussdokuments der Synode die bessere Lösung ist, weil sie Freiräume gibt, um in der Kirche in der Schweiz passende Lösungen für die Seelsorge zu finden. Ein ganz wichtiger Wunsch der Schweizer Gläubigen war es, ernst genommen zu werden. Das ist jetzt zum Programm der Familiensynode geworden. Die Kirche hört auf die Familien und belehrt sie nicht nur.

Zum Umgang mit Homosexuellen sagt das Abschlusspapier wenig. Ein zu heisses Eisen?

Bünker: Ja. Das Eisen war zu heiss. Das Thema Homosexualität wurde offensichtlich auf der Prioritätenliste nach hinten geschoben. Mir scheint das fast eine informelle Absprache auf der Synode gewesen zu sein. Der Bogen sollte nicht überspannt werden. Aus der Vorsynode war ja bekannt, dass die Polarisierungen beim Thema Homosexualität sehr gross waren. Dennoch gibt es eine kleine Öffnung auch hier: Homosexuelle Familienmitglieder sollen in ihrer Würde anerkannt und respektiert werden. Für Mitteleuropa klingt das nicht besonders mutig, aber wer die Schicksale von homosexuellen Menschen in anderen Ländern und Kontinenten kennt, der versteht, dass die Synode hier Überlebenswichtiges gefordert hat.

Wie wird es nach der Synode in der katholischen Kirche der Schweiz konkret weitergehen?

Bünker: Zunächst wird man wohl abwarten, was der Papst mit dem Synodenbericht macht und wie sein nachsynodales Schreiben aussehen wird. Die Ansprache des Papstes direkt zum Ende der Synode hat aber schon deutliche Hinweise gegeben. Die Ortskirchen und Bischofskonferenzen sollen selbst schauen, wie in ihren Zuständigkeitsbereichen konkrete Lösungen in der Pastoral aussehen können. Nur so könne man den Reichtum der Kulturen weltweit auch nutzen, um in der Familienpastoral voranzukommen und passende Wege zu finden. Wenn die Seelsorgenden und die Gläubigen selbst so an ihre eigene Verantwortung erinnert werden, dann bedeutet dies auch, dass man überlegen muss, was es braucht, um jeweils zu guten Entscheidungen zu kommen.

Welche Rolle spielt der Papst Ihrer Meinung nach in dieser Synode?

Bünker: Nach den Worten seiner Schlussrede bei der Synode gehe ich davon aus, dass er den Ball wieder zurückspielen wird. Anders gesagt: Er wird wohl nicht selbst die Kartoffeln aus dem Feuer holen, sondern die Ortskirchen und Bischofskonferenzen ermutigen, eigenverantwortlich Wege zu finden. Dabei gilt es, die Ideale und Werte der Lehre im Blick zu behalten und zugleich die Situationen der Menschen zu berücksichtigen. Der Papst traut der ganzen Kirche, Getauften, Seelsorgenden und Bischöfen viel zu. Sein Programm lautet: Synode. Sich gemeinsam auf den Weg machen. Die Bischofssynode ist zu Ende, aber der Papst hat sehr deutlich angemerkt, dass die synodale Kirche erst begonnen hat. (sys)

Hinweis: Arnd Bünker ist Sekretär der Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz (SBK). Als solcher wirkte er auch massgeblich an der Ausarbeitung des Synodenberichts zuhanden des Vatikan mit.

Aktuell und hintergründig: synode15.ch

Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts | © Adrian Müller
25. Oktober 2015 | 16:16
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