Simone Curau-Aepli setzt sich für Umwelt und Gleichstellung ein.
Schweiz

Simone Curau-Aepli: «Wir sollten Mutter Erde als göttlichen Urgrund anerkennen»

Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) engagiert sich für das Klimaschutzgesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Präsidentin Simone Curau-Aepli meint: Weil der christliche Glauben das Göttliche bisher nur im Himmel erkannte, beuteten die Menschen die «Mutter Erde» aus. Das müsse sich ändern.

Wieso muss das Klimaschutzgesetz dringend angenommen werden?

Simone Curau-Aepli: Es braucht dringend gesetzliche Grundlagen für einen achtsameren Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen, in der Schweiz und weltweit. Das Klimaschutzgesetz folgt auf das CO2-Gesetz, das 2021 leider abgelehnt wurde. Und es reagiert auf die Gletscherinitiative. Der Politik ist eigentlich schon längstens klar, dass es – nach der Ratifizierung des Pariser Abkommens 2017 – auch in der Schweiz gesetzliche Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Klimaziele braucht.

Frauenbundsfrauen und Bischöfe im Gespräch - September 2020
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«Die Bewahrung der Schöpfung ist einer unserer Handlungsgrundsätze.»

Warum engagiert ihr euch als katholische Frauenorganisation?

Curau-Aepli: Das gehört zu unserem Selbstverständnis als Schweizerischer Katholischer Frauenbund. In unserem Leitbild ist – christlich ausgedrückt – die Bewahrung der Schöpfung als eines unserer Handlungsgrundsätze festgehalten. Es geht uns um die nachfolgenden Generationen.

«Die nächste Generation soll nicht unseren Sumpf ausbaden müssen.»

Was tut ihr für die nächsten Generationen?

Curau-Aepli: Wir wollen ihnen eine lebenswerte Welt hinterlassen. Auch sie sollen einen guten Lebensstil pflegen können – und nicht nur unseren Sumpf ausbaden müssen.

Was meint ihr mit Bewahrung der Schöpfung?

Curau-Aepli: Diesen Ausdruck verstehen nicht alle Menschen. Wer nicht so nahe an den religiösen Traditionen ist, versteht unter Schöpfung den mythisch erzählten Schöpfungsprozess bei der Entstehung der Welt. Wir hingegen meinen mit Schöpfung alles, was geschaffen ist und immer wieder geschaffen wird: die Natur, die Umwelt… Es ist das, was reell mit jeder Pflanze, jedem Tier, jedem Menschen immer wieder geschieht.

Laudato si': Gottes Schöpfung en détaile.
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«Die Mutter Erde aber haben wir in unserer Tradition vergessen.»

Was hat die Klimafrage mit dem Glauben zu tun?

Curau-Aepli: Da möchte ich meine persönliche Meinung wiedergeben. Ich finde es zentral, dass wir christliche Menschen ein anderes Verständnis von Schöpfung finden. Einer der Gründe, warum unsere Welt und unser Klima in diesem problematischen Zustand ist, ist: Wir benennen nur das Göttliche im Himmel – Jesus, der Mensch geworden ist und den Heiligen Geist, der nicht verortbar ist – und beten das an. Die Mutter Erde aber haben wir in unserer Tradition vergessen.

Ist das so?

Curau-Aepli: Ja, leider, oder kennen Sie Gebete oder Rituale, die diesen Gott Mutter Erde ehrt? Allerdings gab es immer wieder christliche Prophetinnen und Propheten – wie Hildegard von Bingen, Franz von Assisi oder Dorothee Sölle – die Gott direkt in der Natur begegneten und die Natur auch als göttlich anriefen. Aber diese haben es nicht in den offiziellen Kanon geschafft.

«Wir meinten bisher, die Erde einfach ausbeuten zu können.»

Was liegt konkret das Problem?

Simone Curau-Aepli: Ich bin überzeugt: Weil wir christlichen Menschen die Erde als etwas Geschaffenes, aber nicht in sich Göttliches verstehen, meinten wir bisher, die Erde einfach ausnutzen und ausbeuten zu können – entsprechend unseren Bedürfnissen beziehungsweise unserer Gier. Ich glaube: Die Erde wäre in einem viel besseren Zustand, wenn wir die Mutter Erde als göttlichen Urgrund anerkennen würden, aus dem wir geschaffen sind. Und zu dem wir wieder zurückgehen. Wir würden uns der Erde gegenüber respektvoller verhalten.

Naturverbunden: Ein Kind umarmt einen Baum
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Werden Klimafragen auch an der Basis eurer Organisation diskutiert?

Curau-Aepli: Als wir vor fünf Jahren das neue Leitbild entwickelten und dann verabschiedeten, diskutierten wir diese Frage breit an der Basis. Aktuell haben wir ein kurzes Video gemacht, in dem wir uns klar zum Klimaschutzgesetz bekennen. Damit senden wir eine Botschaft nach aussen und auch nach innen zu unseren Mitgliedern.

Bei der Konzernverantwortungsinitiative haben sich die Kirchen sehr engagiert – und wurden dafür stark kritisiert. Weshalb engagiert ihr euch dennoch wieder?

Curau-Aepli: Bei der Konzernverantwortungsinitiative wurden vor allem Kantonalkirchen kritisiert, mit dem Argument, da würden Kirchensteuergelder von Menschen eingesetzt, die gar nicht dieselbe Haltung vertreten. Das ist bei uns nicht der Fall. Wir sind ein eigenständiger Verband und vor allem aus Mitgliederbeiträgen finanziert. Insofern haben wir die Freiheit, uns öffentlich zu äussern.

Die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative.
Die katholische Kirche Guthirt in Ostermundingen BE warb für die Konzernverantwortungsinitiative.

Wir sind ein kirchlicher Verband und nehmen im Namen unserer Mitglieder Stellung zu aktuellen Fragen. Dabei vertreten wir auch Haltungen, die sich von der offiziellen Kirche unterscheiden – etwa bei bioethischen Fragen. In der Klimathematik allerdings sind wir – davon bin ich überzeugt – mit vielen Menschen in der Kirchenleitung einig.

Was, wenn die Kirche jetzt schweigt?

Curau-Aepli: Tatsächlich haben sich die Bischöfe – im Gegensatz zur Leitung der Evangelischen Kirchen Schweiz EKS – aktuell nur vage zu diesem Klimaschutzgesetz geäussert. Das bedauere ich. Ich wünsche mir sehr, dass sich die Kirchenleitung aufgrund ihrer ethisch-religiösen Grundhaltung für ein gutes Leben für alle einsetzt. Das ist die Legitimation der Kirche. Da darf sie keinem Druck von aussen nachgeben und schweigen. Dafür werde ich mich einsetzen.


Simone Curau-Aepli setzt sich für Umwelt und Gleichstellung ein. | © Raphael Rauch
27. Mai 2023 | 10:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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«Christ:innen für Klimaschutz»: Ja fürs Klimaschutzgesetz

Der Schweizerische Katholische Frauenbund ruft in einer Mitteilung auf, Verantwortung für Klima und Schöpfung zu übernehmen. Die Unterstützung kirchlicher Kreise sei bedeutsam. Den Aufruf tätigt der SKF im Namen der Koalition «Christ:innen für Klimaschutz». Diesen haben neben dem SKF auch die Hilfswerke Fastenaktion und Heks initiiert – gemeinsam mit den Evangelischen Frauen Schweiz EFS, dem Verein Oeku Kirchen für die Umwelt sowie der sozialethischen Kommission der Schweizer Bischofskonferenz Justitia et Pax. Gemäss dem Klimaschutzgesetz soll die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden.