Manfred Belok an einem Vortrag in Luzern
Schweiz

Manfred Belok zum Hirtenbrief: «Perfekte Anleitung zur Schizophrenie»

Chur, 4.11.15 (kath.ch) Deutliche Kritik am neuen Hirtenbrief der Schweizer Bischöfe zum Predigtverbot für «Laien» in einer Eucharistiefeier übt der Churer Pastoraltheologe Manfred Belok. «Insgesamt kann ich keine Weiterentwicklung zum Pastoralschreiben der Schweizer Bischöfe von 2005 ‹Beauftragte Laien im kirchlichen Dienst› erkennen», sagte er am Mittwoch, 4. November, gegenüber kath.ch. Das neue Schreiben grenze ab, statt auf der Basis der Taufe die Mitarbeiter in der Seelsorge umfassend in den kirchlichen Dienst einzubinden.

«Als römisch-katholische Kirche verstehen wir uns von den Sakramenten her und leben aus ihnen», hält der Theologe fest. Das Hirtenschreiben erinnere darum zu Recht daran, dass die Eucharistie «das Herz des Lebens der Kirche» ist. Es brauche von der sakramentalen Struktur der Kirche her ohne Frage den Priester für den Vorsitz in der Eucharistiefeier und «Priester sind nur durch Priester zu ersetzen».

Der Churer Professor für Pastoraltheologie und Homiletik meint, die vielen Frauen und Männer, das geweihte und nichtgeweihte pastorale Personal, sollten als «Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gottes» ihr jeweiliges Charisma einbringen können, um den beiden im Bischofsbrief genannten Zielen gerecht zu werden. Es gehe darum, den «Zeitgenossen die Kirche und ihr Leben begreiflich zu machen» und «pastorales Handeln zu fördern», wie es im Hirtenbrief heisst. Dazu gehöre auch der «Dienst der Verkündigung in der vornehmsten Versammlung der Gemeinde, nämlich der Eucharistie», so Belok.

Der Hirtenbrief der Bischöfe betone ebenfalls zu Recht, «grundlegend für jedes Amt in der Kirche ist das neutestamentliche Prinzip des Dienstes». Daher sei, so Belok, auf Folgendes hinzuweisen: Die Kirche habe keinen «Priestermangel», sondern einen «Weihemangel». Letzteren zu beheben, müsse auch Ziel der Bischöfe sein. Zumal: Es gebe doch genügend theologisch qualifizierte, spirituell verwurzelte und menschlich geerdete Frauen und Männer, die als Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten in der Seelsorge tätig sind. Es wäre theologisch und pastoral sinnvoll, diese Personen für das, was sie ja nicht als Privatpersonen, sondern im ausdrücklichen Auftrag ihres jeweiligen Ortsbischofs tun, öffentlich-amtlich zu beauftragen. Dies erfolge in neutestamentlicher Tradition durch Handauflegung und Gebet, sprich Weihe, so Belok.

Falsche Hierarchisierung

Es sei schliesslich ein Skandal, dass das Primärgut «Eucharistie», von dem zu Recht im Hirtenbrief betont werde, dass es die Mitte allen kirchlichen Lebens ist, dem Sekundär- oder gar Tertiärgut «Zugangswege zum Amt» geopfert werde. Es sei auch ein Skandal, dass die Kriterien «männlich» und «pflichtzölibatär» Frauen wie verheiratete Männer «bewusst ausschliessen».

Gefordert sei vom universalen Leitungsamt der Kirche, so Belok, darum der Mut zu einer Öffnung der Zugangswege zum Weiheamt und zugleich eine «Neubesinnung auf das, was Priestersein heute von Menschen erfordert, die sich hierfür in Dienst nehmen lassen». Christinnen und Christen seien aufgrund der Taufe eine «Gemeinschaft von Gleichgestellten und Gleichberechtigten in der Nachfolge Jesu». Dies müsse somit auch in der Zugangsmöglichkeit zu allen Ämtern in der Kirche ihren Ausdruck finden. Dann käme es auch nicht zur einer, wie die Bischöfe in ihrem Hirtenbrief beklagen, «Vermischung der Rollen des Priesters, der Diakone und der Laienseelsorger/ -innen, wie sie da und dort festzustellen ist», die «weder biblisch noch sakramententheologisch zu begründen» sei.

Berufungen dort erkennen, wo sie sind

«Es kann doch nicht sein, dass der Herr verzweifelt nach den Arbeitern im Weinberg Ausschau hält, aber die vielen theologisch qualifizierten, spirituell verankerten und menschlich geerdeten Arbeiterinnen sowie die vielen Frauen und Männer, ledig oder verheiratet, aber auf jeden Fall im Glauben bewährt (viri probati et mulieres probatae) dabei mutwillig übersieht», sagt Belok. Das Problem ist nicht neu. Der Theologe verweist auf die Kirchenlehrerin Theresia von Avila, die von 1515 bis 1582 lebte und erklärte: «Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Gutem begabte Geister zurückstösst, nur weil es sich um Frauen handelt.»

Während in der heutigen Gesellschaft der lange Zeit gültige, paradoxe Kanon «Gleiche Würde für alle, aber ungleiche Rechte für Frauen» weitgehend überwunden sei, sei dieser in der römisch-katholischen Kirche nach wie vor gültig. Auf den Punkt gebracht: «Die katholische Kirche ist nach wie vor eine von wenigen Männern geleitete Frauenkirche, so Belok. Denn mehrheitlich seien es «doch die Frauen, die sich in der Kirche engagieren und diakonal tätig sind». Geleitet werde die Kirche aber «ausschliesslich von zölibatären Männern».

Taufe aufwerten

Die Kirche habe darum mit ihrer Glaubwürdigkeit zu kämpfen. Denn das «kirchliche Lehr- und Hirtenamt» setze sich in aller Welt für die Beachtung der Würde und die Rechte der Frau ein, schliesse diese aber von allen Weiheämtern aus.

Die grundlegende Berufung zum Christsein erfolge durch die Taufe. Diese gelte es bewusst zu machen und zu stärken, etwa durch die Rede von einer «Pastoral der Berufenen», statt von einer «Berufungspastoral, die immer noch vor allem den Priester- und Ordensnachwuchs im Blick hat». Auf dieser Basis eines Selbstbewusstseins der Berufung zum Christ-sein wären Frauen und Männer zu einer Bereitschaft für die Übernahme eines speziellen Dienstes in der Kirche zu motivieren.

Nicht abgrenzen – sondern einbinden

Im Hirtenbrief würden die Bischöfe zur Predigt in der Eucharistiefeier das «falsche Problem» benennen. Nicht ob ein Priester oder eine Pastoralassistentin predigt, sollte die Frage sein. Vielmehr müssten sich die Bischöfe aus der Sicht des Pastoraltheologen die Frage stellen: «Wer kann am besten das Wort Gottes in dieser Zeit den Menschen vermitteln, den Zeitgenossen die Kirche und ihr Leben begreiflich machen?» Der Tenor im Hirtenbrief laute aber, etwas polemisch formuliert: «Sie predigen zwar gut, aber leider sind Sie kein ordinierter Mann, oder schlimmer noch, Sie sind eine Frau.»

Der Schwerpunkt des Hirtenschreibens liegt daher «eher in den Abgrenzungsbemühungen». So aber werde eine Berufsgruppe «unnötig gekränkt, deren qualifizierte Dienste für die Gemeinden und für die Bischöfe unverzichtbar sind». Und da die geforderte Norm (Homilieverbot) auch weiterhin von der Praxis abweichen wird – siehe die Erklärungen der Bischöflichen Ordinariate der Bistümer Basel und St. Gallen sowie des Generalvikariates Zürich – «bestätigt sich mein Eindruck», so Belok, «dass die Organisation Kirche ihren hauptberuflichen pastoralen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mal wieder die perfekte Anleitung zur permanenten Schizophrenie liefert».

Einen weiteren Mangel im Hirtenbrief macht der Churer Professor beim Gebrauch des Wortes «Laie» aus. Das Schreiben erkläre nicht, was mit «Laie» gemeint sei. Die hauptberuflich in der Seelsorge tätigen und ausgebildeten Personen dürften nicht einfach als «Laien» gesehen werden. Aufgrund der bischöflichen Beauftragung übten sie ein Kirchenamt aus.

Auch Priester sind gefordert

Die Argumentation im Hirtenbrief, es sei allein Aufgabe des Priesters «in der Heiligen Messe die Homilie zu halten, da während der Eucharistiefeier der Tisch des Wortes nicht vom Tisch des Brotes getrennt werden kann», ist aus der Sicht Beloks nicht theologisch, sondern kirchenpolitisch motiviert. Würde die Argumentation zu Ende gedacht, dann dürfte die Homilie auch nicht durch einen Diakon gehalten werden. Auch sei es dann einem Priester nicht gestattet, lediglich zum Halten der Predigt in der Eucharistiefeier zu erscheinen und dann wieder zu gehen. Solches geschehe aber zum Beispiel an Wallfahrtsorten oder «Predigtwochenenden», an denen ein Priester jeweils nur predige, aber nicht an der ganzen Eucharistiefeier teilnehme. (gs)

Manfred Belok an einem Vortrag in Luzern | © Urban Schwegler
4. November 2015 | 16:23
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