Studie zeigt: Der Kirche fehlt die Nähe zu Migranten

St. Gallen, 22.11.16 (kath.ch) Die Schweiz ist multikulti – ebenso wie die Kirchen der Schweiz. Das belegt nun auch die Studie des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institutes (SPI) «Kirchen in Bewegung – Christliche Migrationsgemeinden in der Schweiz». Darin heisst es, Kirchen seien mit «Volldampf» in Bewegung, aber tun trotzdem zu wenig.

Francesca Trento

«Die Mehrheit der Schweizer Migranten sind Christen», sagt die Mitherausgeberin der Studie Judith Albisser gegenüber kath.ch. Doch jeder einzelne Migrant nehme einen kulturell bedingten christlichen Glauben aus der Heimat mit in die Schweiz. Diese Pluralität könne nicht ignoriert werden, so Albisser weiter. Durch die Studie erwarte sie, die Kirche werde ihr Auge endlich verstärkt auf die Migrationsgemeinden richten. «Das Rezept dafür habe ich aber nicht», fügt sie hinzu.

Migranten suchen Zugehörigkeit

Von den christlichen Migranten in der Schweiz sind ca. 40 Prozent katholisch. Sie suchen in einer Migrationsgemeinde, auch «Anderssprachige katholische Mission» genannt, nicht nur Spiritualität, sondern eine gemeinsame Kultur, soziale Nestwärme und ähnliche Erfahrungen, die sie miteinander verbindet.

«Missionen sind – etwas zugespitzt formuliert – ein notwendiges Übel», so Samuel Behloul, Fachleiter Christentum beim Zürcher Institut für Interreligiösen Dialog, gegenüber kath.ch. Damit auch die Kirchen vor Ort mit christlichen Migranten zusammenarbeiten können, brauche es eine bessere Ausbildung von kirchlichen Mitarbeitern und «kultursensible pastoralen Angebote». «Unseren Pastoralschaffenden fehlen meistens die interkulturellen Kompetenzen, um die Migranten abzuholen», so Behloul, früherer Direktor der bischöflichen Kommission Migratio.

Diese Missionen leisten laut Publikation viel Integrationshilfe. Sie helfen ihren Mitgliedern in alltäglichen Hürden wie: Übersetzungsdienste und Unterstützung bei Behördengängen, im Gesundheitsbereich oder bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Würde diese Arbeit erkannt und gefördert, könnte die Integration erleichtert werden. Denn finanziell seien Migrationsgemeinden meist auf sich gestellt und abhängig von freiwilliger Hilfe.

Kirche vor Ort muss Verantwortung übernehmen

Sowohl die Herausgeber als auch die verschiedenen Autoren der Gastbeiträge der Studie erhoffen sich eins: eine aktive Unterstützung. Die Kirchen vor Ort hätten eine Verantwortung für die Migrantinnen und Migranten zu übernehmen, so Mariano Delgado, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Freiburg, in seinem Beitrag. «Die einheimischen Seelsorgenden müssten im Sinne einer ‹Geh-hin-Pastoral› versuchen, auf die Mitglieder ihrer Pfarrgemeinde mit Migrationshintergrund zuzugehen, ohne sich durch die bestehenden Migrationsgemeinden davon dispensiert zu fühlen.» Dafür bräuchte die Kirche ein «interkulturelles Pastoral», so Delgado weiter.

Auch der Generalsekretär der römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, Daniel Kosch, sagt, dass die «weit verbreitete ‹einheimische› Auffassung», eine rasche Integration der Zugewanderten zu erwarten, unberechtigt sei. Vielmehr müsste die «einheimische Seelsorge bereit sein», für Fremdes offen zu sein und sich auf eine «grössere Vielfalt» einzulassen.

22. November 2016 | 07:30
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