Adrian Marbacher arbeitet bei der Jugendseelsorge Zürich als stellvertretender Dienststellenleiter und für Spiritualität.
Schweiz

«Eine Art Sauna»: Zürcher Jugendseelsorger will an Schwitzhütten festhalten

Die Jugendseelsorge Zürich bietet Schwitzkreis-Rituale für Firm- und Jugendgruppen an. Sie sitzen dabei leicht bekleidet im Dunkeln. Übergriffe gebe es dort nicht, sagt Adrian Marbacher (46). Er fände es schade, würde das Ritual aufgrund des neuen Verhaltenskodex des Bistums Chur abgeschafft.

Jacqueline Straub

Was ist ein Schwitzkreis-Ritual?

Adrian Marbacher*: Das Schwitzkreis-Ritual ist ein ursprünglich indigenes Ritual, bei dem es darum geht, dass Kinder oder Jugendliche in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden. Es werden auch grosse Entscheidungen getroffen.

«Vor allem Firmgruppen nehmen dieses Angebot in Anspruch.»

Welche etwa?

Marbacher: Wir haben das Ritual für die kirchliche Jugendarbeit angepasst. Vor allem Firmgruppen nehmen dieses Angebot in Anspruch. Dabei steht dann die Frage im Fokus, ob man die Firmung machen möchte. Und Jugendliche, die schon gefirmt sind, besprechen zum Beispiel die Frage: In welche Richtung soll mein Leben gehen?

Die Jugendseelsorge Zürich bietet Schwitzkreis-Rituale für Firm- und Jugendgruppen an.
Die Jugendseelsorge Zürich bietet Schwitzkreis-Rituale für Firm- und Jugendgruppen an.

Wie kann ich mir die Schwitzhütte genau vorstellen?

Marbacher: Es wird eine Hütte aus Ästen und Wolldecken gebaut. Parallel werden Steine für etwa drei Stunden ins Feuer gelegt. Diese heissen Steine kommen danach in die Hütte. Dann setzen sich die Jugendlichen und der Firmbegleitende in die heisse und dunkle Hütte. Es ist wie eine Art Sauna für rituelle Zwecke.

Sind die Jugendlichen nackt?

Marbacher: Alle haben einen Badeanzug oder eine Badehose an. Zudem wickeln alle ein Tuch um sich. Im klassischen Ritual ist man nur mit einem Tuch bekleidet. Aber da der Körper im Jugendalter so ein intensives Thema ist, muss man sehr sensibel sein. Wer nicht mitmachen möchte, muss nicht in die Hütte.

«Wichtig ist auch, dass ein Bezug zur Natur hergestellt wird.»

Was passiert, wenn die Jugendlichen in der Hütte sitzen?

Marbacher: Wir beginnen vor der Hütte mit einem Gebet. Dann gehen die Jugendlichen und die Firmbegleitenden in die Hütte und gehen Fragen nach wie: Für was brenne ich? Wo spüre ich den Heiligen Geist? Was gibt mir Halt? Jeder Jugendliche antwortet darauf. Die anderen sagen dann Amen. Wichtig ist auch, dass ein Bezug zur Natur hergestellt wird. Am Schluss sprechen wir das Vaterunser. Nach 40 Minuten verlassen alle die Hütte, kühlen sich ab und duschen. Danach gibt es einen weiteren Austausch in der Gruppe.

Wo genau findet das Ritual statt – und wo sind die Duschen?

Marbacher: Das Ritual findet je nachdem auf dem Gelände der Pfarrei oder einem Pfadiheim statt. Es kommt immer auf die Absicht darauf an. Wir besprechen das mit den Verantwortlichen im Voraus. Meist hat es im Jugendheim oder Pfarreizentrum eine Dusche.

Das Ritual findet je nachdem auf dem Gelände der Pfarrei oder einem Pfadiheim statt.
Das Ritual findet je nachdem auf dem Gelände der Pfarrei oder einem Pfadiheim statt.

Die Jugendlichen sitzen in einer engen Hütte, leicht bekleidet im Dunkeln. Sehen Sie keine Probleme in Bezug auf Nähe und Distanz?

Marbacher: Wir instruieren die Jugendlichen gut im Vorfeld und sagen auch, dass jeder bei sich bleiben und den Sitznachbar oder die Sitznachbarin in Ruhe lassen soll. Wenn jemand übergriffig wird, bekommen es die anderen mit. Wer sich nicht wohlfühlt, kann jederzeit die Hütte verlassen. Ich bin die ganze Zeit draussen vor der Hütte und kann jene, die frühzeitig abbrechen, betreuen.

«In der Schwitzhütte ist es zwar dunkel und eng, aber ein Übergriff ist schwierig.»

Und was ist mit Gruppenzwang? Vielleicht gibt es Jugendliche, die keine Lust auf die Schwitzhütte haben – aber Angst haben, uncool zu sein.

Marbacher: Der Gruppendruck spielt in diesem Alter natürlich eine grosse Rolle. Die Firmandinnen und Firmanden, respektiv die Eltern, werden schon im Vorfeld über das Ritual informiert und die Jugendlichen werden dann nochmals gefragt, ob sie wirklich hineinwollen. Zudem spreche ich mich mit den Verantwortlichen ab, die die Jugendlichen kennen, bei wem es bedenklich sein könnte. Bis jetzt war das niemals ein schwieriger Punkt.

Das Bistum Chur hat kürzlich einen Verhaltenskodex herausgeben. Ist das Schwitzhütten-Ritual trotzdem noch tragbar?

Marbacher: Wir waren bis jetzt schon sehr vorsichtig im Umgang damit. In Zukunft werden wir es aber anhand des Verhaltenskodex überarbeiten. Ich fände es aber schade, wenn wir das Ritual nicht mehr durchführen könnten. Missbrauch passiert vor allem dort, wo jemand seine Machtverhältnisse ausnutzt. In der Schwitzhütte ist es zwar dunkel und eng, aber ein Übergriff ist schwierig. Abgesehen davon würde es jeder mitbekommen. Ich glaube, dass die Jugendlichen in der Schwitzhütte sicherer sind als etwa in einem Lager.

Karin Iten
Karin Iten

Haben Sie schon mal eine Präventionsschulung bei der Churer Präventionsbeauftragten Karin Iten absolviert?

Marbacher: Ja, das letzte Mal vor zwei oder drei Jahren. Wir von der Jugendseelsorge werden diese sicher auch wiederholen.

«Ich habe grosses Interesse an schamanischen Ritualen.»

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee Schwitzkreis-Rituale anzubieten?

Marbacher: Die ursprüngliche Idee kam von einem Firmverantwortlichen aus der Innerschweiz, der das schon einige Jahre zuvor machte. Ich habe aber grosses Interesse an schamanischen Ritualen.

* Adrian Marbacher (46) arbeitet bei der Jugendseelsorge Zürich als stellvertretender Dienststellenleiter und für Spiritualität. Seit acht Jahren bietet er für Firm- und Jugendgruppen das Schwitzkreis-Ritual an.


Adrian Marbacher arbeitet bei der Jugendseelsorge Zürich als stellvertretender Dienststellenleiter und für Spiritualität. | © zVg
22. April 2022 | 12:00
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