Bischof Markus Büchel: An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge

Im Wortlaut

Mitteilung des Bischofs von St. Gallen an die Seelsorgenden in seinem Bistum

Es erreichen mich zahlreiche Reaktionen auf Aussagen des Bischofs von Chur zu einer Bibelstelle, welche Homosexualität thematisiert. Die Reaktionen zeugen von einer grossen Betroffenheit, so ist es mir wichtig, Ihnen ein paar Gedanken in diesem Themenkreis zu schreiben.

Der Mensch ist kein Einzelwesen, sondern er ist immer auf Beziehungen angelegt. Diese soziale Dimension gehört grundlegend zum Menschsein, sie ist ein wichtiger Teil der Person. Für uns Christinnen und Christen ist jede Person ein Ebenbild und ein Kind Gottes, jeder Person kommt die gleiche Würde zu. Menschliche Beziehungen sind dann wertvoll, wenn sie dieser Würde Rechnung tragen und das Wohl der Personen fördern. Das bestätigt eindrücklich die katholische Lehre im grundlegenden Prinzip der Personalität.

Menschliche Beziehungen haben viele Dimensionen, wie jede Person in sich viele Dimensionen trägt. Eine davon ist die Sexualität. Für die Förderung des Wohls der Person ist nun weniger die hetero- oder homosexuelle Neigung entscheidend als vielmehr der verantwortungsvolle Umgang mit Sexualität und allen anderen Dimensionen in einer Beziehung (wie Achtsamkeit, Sorgfalt, Respekt oder Treue). Hier dürfen wir gerade als katholische Gläubige auf das Gewissen jedes und jeder Einzelnen vertrauen. Freuen wir uns an jeder Beziehung, in der sich die Partner als gleichwertige, wertvolle, geliebte Kinder Gottes annehmen, die Würde des anderen achten und das Wohl der Personen befördern!

Die Beachtung der Menschenwürde bedeutet auch, eine Person und ihre Beziehungen nicht auf die Sexualität zu reduzieren. Jesu Lehre ist uns Wegweiser und Orientierung: in seiner Botschaft steht die Zuneigung und die Liebe zum Nächsten im Vordergrund. Solche Grundaussagen und Prinzipien sind auch Schlüssel zur Interpretation und zur Überführung von biblischen Aussagen in die jeweilige Zeit hinein. Unser heutiges Wissen um die Homosexualität als Anlage und nicht frei gewählte sexuelle Orientierung war zur Zeit der Bibel gar nicht bekannt.

Ich sehe es als Aufgabe der Kirche heute, mit den Menschen einen Weg zu gehen, auf dem sie ihre Sexualität als Geschenk Gottes in ihr Leben und in die Gestaltung ihrer Beziehungen integrieren können. So müssen wir uns als Kirche der historischen Lasten im Umgang mit der Homosexualität bewusst stellen und eine neue menschen-und sachgerechte Sprache finden.

Ich schliesse mit einem Dank für all Ihre seelsorgerliche Arbeit und besonders für die Begleitung der Menschen in unserem Bistum.

Mit herzlichen Grüssen und Segenswünschen

Markus Büchel

Bischof von St. Gallen

Brief von Bischof Markus Büchel_Stellungnahme Homosexualität (pdf)

Bistum St. Gallen
7. August 2015 | 16:18