Umweltenzyklika: Papst ruft Welt zu fundamentalem Umdenken auf

Rom, 18.6.15 (kath.ch) Die Verminderung der Umweltverschmutzung und Bekämpfung von Armut gehören zusammen. Die heute veröffentlichte Enzyklika «Laudato si» ist ein Plädoyer für eine «ganzheitliche Ökologie» und «um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde».

Die Welt steht vor grundlegenden Zukunftsfragen, die keinen Aufschub mehr dulden und die gemeinsames internationales solidarisches Handeln erfordern: Das macht Papst Franziskus mit seiner neuen Öko-Enzyklika «Laudato si» deutlich, die Donnerstagmittag, 18. Juni, im Vatikan veröffentlicht wurde. Mit den herrschenden Maximen eines rein technologischen Fortschrittsglaubens, gepaart mit einem rein auf Gewinn ausgelegten Wirtschaftssystem und Moralvorstellungen fährt die Menschheit die Welt und sich selbst an die Wand, so zusammenfassend die Warnung des Papstes. Er ruft die Weltgemeinschaft zu einem fundamentalen Umdenken und jeden Einzelnen zu einem umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstil auf.

Die zweite Enzyklika von Franziskus trägt den Untertitel «Über die Sorge für das gemeinsame Haus» und umfasst rund 220 Seiten. Zum ersten Mal stellt ein Papst damit ökologische Fragen in Mittelpunkt eines so verbindlichen päpstlichen Dokuments. Franziskus wendet sich dabei zugleich an «alle Menschen guten Willens».

Lösung liegt in «Human-Ökologie»

Kein gutes Haar lässt der Papst an den internationalen Klimakonferenzen. Die Erfolge seien «sehr spärlich». Und auch aus der Finanzkrise habe die Welt nichts gelernt. Die Politik dürfe sich nicht länger dem Diktat der Wirtschaft unterwerfen, sie müsse sich aber auch selbst aus den Vorgaben rein kurzfristiger Perspektiven befreien und endlich über «armselige Reden» hinauskommen. Eindeutig spricht sich der Papst auch für starke internationale Institutionen mit Sanktionsmöglichkeiten aus, um die Reduzierung der Umweltverschmutzung bei gleichzeitiger Bekämpfung von Armut in Angriff nehmen zu können.

Franziskus spricht von einer einzigen, umfassenden sozio-ökologischen Krise: Umweltschutz, Armutsbekämpfung und der Einsatz für Menschenwürde gehörten untrennbar zusammen. Ein wirklich ökologischer Lösungsansatz sei deshalb immer auch ein sozialer Ansatz, «der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde». Nicht zuletzt, weil von der Öko-Krise die Armen am schlimmsten betroffen seien.

Die Lösung könne deshalb für den Papst nur in einer «ganzheitlichen Ökologie» oder «Human-Ökologie» liegen. Das bedeutet aber etwa auch: Wer für die Bewahrung der Natur eintritt, könne deshalb nicht zugleich für Abtreibung oder Experimente mit lebenden menschlichen Embryonen sein.

Klimawandel und Wasserknappheit

Franziskus behandelt in sechs Kapiteln auf rund 220 Seiten viele einzelne Aspekte der gegenwärtigen ökologischen und sozialen Krise, etwa wenn es um Umweltverschmutzung, Klimawandel, die Wasserfrage oder die Verschlechterung der Lebensqualität und den sozialen Niedergang eines großen Teils der Weltbevölkerung geht. Wörtlich schreibt der Papst etwa: «Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln.»

Der Klimawandel ist für Franziskus ein wissenschaftlich belegtes Faktum; der Wassermangel ein zentrales Thema, für das er deutliche Worte findet: «Der Zugang zu sicherem Trinkwasser ist ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das Überleben der Menschen ausschlaggebend und daher die Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte ist». Den Armen den Zugang zu Wasser vorzuenthalten heisse, «ihnen das Recht auf Leben zu verweigern, das in ihrer unveräußerlichen Würde verankert ist».

Der lateinamerikanische Papst sorgt sich auch um die Pflege der kulturellen Reichtümer der Menschheit und um die indigenen Völker. Auch die Sorge um diese Völker sei Teil einer ganzheitlichen Ökologie, wie auch die Verbesserung der Lebensqualitäten eines Großteils der Weltbevölkerung.

Verantwortung der Menschheit für die Schöpfung

Franziskus bietet in seiner Enzyklika eine umfassende und auf der jüdisch-christlichen Tradition aufbauende Perspektive an und beschreibt die «unermessliche Verantwortung» der Menschheit für die Schöpfung, die enge Verbindung unter allen Geschöpfen. Der Glaube biete «wichtige Motivationen für die Pflege der Natur und die Sorge für die schwächsten Brüder und Schwestern», hält er fest. Die Verantwortung für die Natur sei Teil des christlichen Glaubens.

Der Politik allein traut der Papst nicht zu, die grossen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen. Er sieht auf diesem Weg vielmehr die Religionen als wichtigen Dialogpartner. Die Religionen müssten auch untereinander einen Dialog aufnehmen, «der auf die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit ausgerichtet ist», fordert Franziskus. (kap)

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