Amnesty International kritisiert Urteil gegen Flüchtlingshelferin

Bellinzona, 29.9.17 (kath.ch) Die Tessiner SP-Grossrätin und Sozialarbeiterin Lisa Bosia Mirra ist am Donnerstag vom Bundesstrafgericht in Bellinzona zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Amnesty International Schweiz äussert sich besorgt über den Gerichtsentscheid.

Lisa Bosia Mirra sei «keine Schlepperin und keine Verbrecherin, sondern vor allem eine Menschenrechtsaktivistin», sagt Denise Graf, Asylexpertin von Amnesty Schweiz, gemäss Mitteilung. Sie habe «die Rechte von Minderjährigen und anderen besonders verletzlichen Personen» geschützt, «die der Untätigkeit, dem Versagen und sogar Rechtsverletzungen seitens der italienischen und schweizerischen Behörden ausgesetzt waren.»

Verurteilt für Einsatz für Menschenrechte

Die Menschenrechtsorganisation äusserte sich besorgt darüber, «dass Menschen dafür verurteilt werden, dass sie Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten ohne Gegenleistung unterstützen, damit ihre Menschenrechte respektiert werden.»

Laut Medienberichten hat das Strafgericht Bosia Mirra wegen wiederholter Anstiftung zum illegalen Eintritt in die Schweiz schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Es handelt sich dabei um eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 110 Franken zur Bewährung auf zwei Jahre sowie um eine zusätzliche bedingte Busse von 1000 Franken.

Die 45-jährige Bosia Mirra wurde für schuldig befunden, im August letzten Jahres 24 Migranten geholfen zu haben, illegal über die Grenze von Italien in die Schweiz einzureisen. Sie war schliesslich am 1. September 2016 von der Grenzwache erwischt worden.

Rekurs «sehr wahrscheinlich»

Das aktuelle Urteil habe ihr eines gezeigt, erklärte Lisa Bosia Mirra in der anschliessenden Pressekonferenz: Man dürfe das Gesetz nicht mal übertreten, wenn Personen in Schwierigkeiten seien. Die Flüchtlingsaktivistin will sich laut ticinonews.ch einige Tage Zeit lassen, um herauszufinden, ob sie das Urteil akzeptieren könne. «Aber sehr wahrscheinlich werden wir Rekurs einlegen – bis zur letzten Instanz», fügte sie an. Aufgeben will sie vorläufig nicht.

Am 14. Oktober soll in Bellinzona ein Willkommensmarsch für Flüchtlinge starten, der 1000 Kilometern durch die Schweiz führt. Initiatorin des Marsches ist Lisa Bosia Mirra, die auch die Tessiner Flüchtlingshilfeorganisation «Firdaus» gegründet hat. Der Anlass wird vom Freundeskreis Cornelius Koch und von «Solidarité sans frontières» mitorganisiert.

«Freundeskreis Cornelius Koch» ist schockiert

Auch der «Freundeskreis Cornelius Koch» zeigt sich «schockiert» über die Verurteilung der Tessiner Grossrätin Lisa Bosia Mirra, wie es auf Anfrage hiess. Der Freundeskreis hatte am 22. Februar den Menschenrechtspreis «Offene Alpen», der mit 12’000 Franken dotiert ist: Die eine Hälfte wurde an Lisa Bosia Mirra, während die andere an den Priester von Rebbio bei Como, Don Giusto della Valle, für deren Flüchtlingshilfe an der Südgrenze der Schweiz und Norditalien vergeben.

Die Verurteilung durch das Tessiner Strafgericht zeige, so der Freundeskreis-Mediensprecher Claude Braun gegenüber kath.ch, dass diese Instanz sich in die Reihe der anderen europäischen Gerichte stelle. «Gerichte, die lebensrettende Flüchtlingshelfer verurteilen, statt deren ehrenhaftes humanitäres Engagement zu huldigen, tragen zur Erbauung der Festung Europa bei.»  Lisa Bosia Mirra könne nach wie vor auf die volle Unterstützung und Solidarität des Freundeskreises zählen. (rp)

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