Hildegard Aepli: «Ich gehe davon aus, dass der Papst nichts von uns weiss»

Rom, 4.7.16 (kath.ch) Hildegard Aepli, Initiantin des Projekts «Für eine Kirche mit den Frauen», blickt am Ende des Pilgerwegs auf das Projekt zurück. Auch wenn Papst Franziskus nicht gekommen sei, habe sich der Pilgerweg gelohnt, sagt sie im Interview mit kath.ch.

Sylvia Stam

Hildegard Aepli, hat sich der lange Weg von St. Gallen nach Rom gelohnt?

Hildegard Aepli: Er hat sich auf jeden Fall gelohnt. Durch unser Pilgern ist sehr viel in Bewegung gekommen. Viele haben sich uns angeschlossen und dabei entdeckt, was es heisst, eine pilgernde Kirche zu sein. Über unsere Homepage, über Facebook und die Medien hat das Projekt weitere Kreise gezogen. Die katholische Kirche in der Schweiz hat in den letzten zwei Monaten mal wieder gute Presse gehabt und das ist für mich auch Balsam.

Was waren die prägendsten Erlebnisse?

Aepli: Zum einen die Liturgie beim Start in der Kathedrale St. Gallen: Sie war fröhlich, tief und innig zugleich, und es war so eine bunte Menschenschar dabei! Immer wieder bekamen wir unterwegs zu hören: «War das eine tolle Liturgie!»

Beeindruckt haben mich auch jene sechs Frauen, die nebst Esther Rüthemann, Franz Mali und mir den ganzen Weg gepilgert sind. Wir drei vom Kernteam waren ja die jüngsten, die anderen waren zwischen 58 und 75 Jahre alt. Deren Entschlossenheit und Hingabe für dieses Projekt, ihre Fähigkeit, auch Strapazen zu ertragen, das war einfach grandios!

Schliesslich der abschliessende Pilgertag in Rom mit den vielen Menschen, die angereist sind. Ich hatte vor diesem Tag eine schlaflose Nacht, aber dann spürte ich erneut diese Atmosphäre, dass gar nicht alles vorbereitet sein muss. Dieses Gefühl, «Wir sind Kirche» und «Wir sind gern Kirche auf diese Art und Weise», das hat mich sehr beglückt.

Woran denken Sie ungern zurück?

Aepli: Schwierig waren die täglichen Strapazen. Da war einerseits das Wetter: Es gab Tage mit Regen und Schlamm, wir sind tagelang mit nassen Füssen gelaufen. Manche Etappen waren sehr lang, bis zu 32 km. Für einige waren auch die katastrophalen Unterkünfte schwierig, wir mussten mal ohne Strom, mal ohne Wasser auskommen. Und am Schluss war die Hitze sehr anstrengend.

Der Papst ist nicht erschienen. Sind Sie enttäuscht?

Aepli: Ich habe von Anfang an mit diesem Gedanken gelebt und kann deshalb nicht von einer Enttäuschung sprechen. Für mich setzt der Papst Zeichen und spricht eine Sprache, die das, was wir hier machen, immer schon willkommen heisst.

Was haben Sie denn unternommen, um eine Begegnung mit dem Papst zu erreichen?

Aepli: Insgesamt wurden zwei Briefe verschickt. Einer ging direkt an die Adresse der Heiligen Vaters und einer über den Nuntius. Wir haben konkret um eine Audienz oder eine Eucharistiefeier mit dem Papst angefragt. Zur Antwort bekamen wir, dass der Papst am 2. Juli Ferien habe. Inzwischen haben wir allerdings erfahren, dass er sich am Samstag mit der römischen Bürgermeisterin getroffen haben soll und erst am kommenden Donnerstag in die Ferien fährt. Ich gehe davon aus, dass er gar nichts von uns weiss.

Wurde ein Weg via Kardinal Kurt Koch versucht?

Aepli: Wir haben Kardinal Kurt Koch gefragt, ob er unser Projekt dem Papst vorstellen würde, aber er hat das abgelehnt.

Sie haben dem Papst Ihr Anliegen nun schriftlich unterbreitet und den Brief Bischof Markus Büchel übergeben.

Aepli: Ja, der Brief ist die überarbeitete Fassung eines Textes, der aufgrund der Ereignisse und Erfahrungen in den zwei Jahren Vorbereitungszeit des Projekts entstanden ist. Darin stellen wir dar, wie wir das Projekt verstehen. Wir sagen darin auch, dass wir als Kernteam in Zukunft nicht repräsentativ sind für das Anliegen, sondern wir ermuntern alle Männer in der katholischen Kirche, das zu tun, was ihnen möglich ist, damit eine Kirche mit Männern und Frauen auf Augenhöhe entsteht.

Was könnte denn der Papst Ihrer Meinung nach konkret für dieses Anliegen Dialog tun?

Aepli: Wenn zum Beispiel diese Kommission zur Prüfung des Frauendiakonats gegründet werden soll, wäre das eine Möglichkeit zu sagen: In diese Kommission gehören auch Frauen. Überall, wo es solche Gefässe gibt, in denen über Frauen nachgedacht wird, müssten von den zuständigen Männern alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, dass Frauen mit dabei sein können.

Was können Sie konkret tun, damit diese Hebel in Bewegung gesetzt werden?

Aepli: Gute Frage! Ich kann sagen, was ich für Möglichkeiten sehe, wie zum Beispiel bei der Kommission für das Frauendiakonat. Ich kann das Anliegen wachhalten, ich kann hoffen und beten. Mehr kann ich im Moment selber nicht tun.

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Aepli: Zunächst wird es über das Projekt einen Dokumentarfilm mit dem Titel «Habemus Feminas» geben. Denkbar wäre auch ein Buch, zum Beispiel ein Bildband. Es war ganz toll, die Pilgerschar immer wieder in einer schönen Landschaft zu sehen. Wir hoffen aber auch, dass andere Menschen sich überlegen, wie es weitergehen soll. Es wird nicht nur an uns hängen.

Die Idee einer Frau, die in der ersten Woche mitgepilgert ist, gefällt mir zum Beispiel sehr gut. Sie meinte, dass aus unserer Wegstrecke ein «Pilgerweg Kirche mit *» werden sollte, den auch andere Gruppierungen mit anderen Anliegen begehen könnten. Das «mit *» würde eine Offenheit signalisieren für alle Gruppierungen, die sich von der katholischen Kirche zu wenig Ernst genommen fühlen: Mit Homosexuellen, mit geschiedenen Wiederverheirateten, mit Menschen am Rand, mit Prostituierten.

Wie geht es für Sie persönlich weiter? Planen Sie weitere Pilgerprojekte?

Aepli: (lacht) Schon dieses Pilgerprojekt habe ich nicht gesucht und ich plane auch keine weiteren. Ich fliege am Montag, 4. Juli, zurück in die Schweiz und beginne am Dienstag meine Arbeit im Ordinariat des Bistums St. Gallen wieder. (sys)

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