Bischof Paul Hinder: «Das Gold der Kirche ist für die Armen da»

Die Heiligen Drei Könige stammen laut Legende aus Arabien. Sie brachten Jesus Gold, Weihrauch und Myrrhe. Der Schweizer Kapuziner Paul Hinder (78) ist der Bischof von Abu Dhabi. Ein Gespräch über Gold, Corona – und «Die Legende vom Vierten König».

Raphael Rauch

Was gefällt Ihnen an der Geschichte der Heiligen Drei Könige?

Paul Hinder*: Es ist eine fromme, sehr schöne Legende. Sterndeuter aus dem Osten machen sich auf den Weg und folgen dem Stern von Bethlehem. Sie suchen nach Glück. Ich lebe in einer Region, wo Menschen aus der ganzen Welt zusammenkommen. Gutverdienende Geschäftsleute aus dem Westen, arme Bauarbeiter und Dienstmädchen aus Indien, Sri Lanka und den Philippinen. Die Sterndeuter stehen für verschiedene Völker, die unterwegs sind – ein Spiegelbild unserer Migrantenkirche in Arabien.

Laut Bibel beschenkten die Sterndeuter Jesus mit Weihrauch, Myrrhe und Gold.

Hinder: Das passt doch gut zum reichen Orient! (lacht) Weihrauch wird hier nicht nur religiös gebraucht, sondern wird in vielen Häusern verwendet.

«Der Geruchssinn hat das beste Gedächtnis.»

Bei einem Empfang geht jemand mit dem Weihrauch rum und fächert mit den Händen den Duft ins Gesicht. Nach einem Mahl auch mal unter die Kleider, um die Gerüche zu neutralisieren.

Welche spirituelle Dimension hat Weihrauch für Sie persönlich?

Hinder: Ich habe einmal gelesen, dass der Geruchssinn das beste Gedächtnis hat. Tatsächlich erinnert mich der Weihrauch heute noch an meine Zeit als Ministrant vor mehr als 65 Jahren. Sein Duft erfüllt mich auch heute noch bei der Messfeier mit einem festlichen Gefühl.

Welche Myrre?

Hinder: Myrre wird zwar wie der Weihrauch ebenfalls in meinem Vikariat gewonnen, und zwar im Oman und in Süd-Jemen. Ich habe aber dazu primär eine eher literarische Beziehung über die Bibel.

«Die Kirche verträgt soviel Gold, wie es für die Armen abträgt.»

Hier hat Myrre in den Passions- und Auferstehungsberichten einen festen Platz hat und erinnert mich an die Schwelle vom irdischen zum ewigen Leben.

Und welche Gold?

Hinder: Der einfache, aber doch vergoldete Bischofsring macht mir ständig bewusst, dass ich im Dienst dessen stehe, dem nach Matthäus bereits am Anfang Gold geschenkt wurde als Anerkennung seiner göttlichen Königsherrschaft.

Wie viel Gold verträgt die Kirche?

Hinder: Soviel, wie es für die Armen abträgt, und soviel, wie sie zur Verherrlichung Gottes und nicht ihrer eigenen beiträgt.

«Dank dem Gold des Emirs habe ich in Abu Dhabi die Impfung gratis bekommen.»

Der britische Premier Boris Johnson hat die Virologen mit den Weisen aus dem Osten verglichen. Würden die Heiligen Dreikönige heute Jesus kein Gold bringen, sondern einen Impfstoff?

Hinder: Dank dem Gold des Emirs habe ich in Abu Dhabi die Impfung gratis bekommen. Die Eltern Jesu hätten mit dem geschenkten Gold daher auch den Impfstoff besorgen können.

Sehen Sie die Heiligen Drei Könige im Geiste der Papst-Enzyklika «Fratelli tutti»?

«Die heiligen Drei Könige sind eine ganz starke Botschaft in Richtung Fratelli tutti.»

Hinder: Die Tradition weist die Heiligen Drei Könige verschiedenen Ethnien und entsprechend auch unterschiedlichen Religionen zu. Damit ist eine ganz starke Botschaft in Richtung «Fratelli tutti» gegeben. Menschen auf der ernsthaften Suche nach dem gemeinsamen Urgrund unserer Existenz finden zueinander und erfahren sich als Schicksals-Geschwister.

Welche Aktualisierung der Dreikönigsgeschichte gefällt Ihnen?

Hinder: Vor genau 60 Jahren hat Edzard Schaper die russische Legende vom Vierten König auf deutsch zugänglich gemacht. Seither kann ich das Dreikönigsfest nur noch vor dessen Hintergrund feiern: Der vierte König verarmt Schritt für Schritt, weil er aus Liebe nach und nach alles weggibt. 30 Jahre verspätet schafft er es nicht mehr an die Krippe in Bethlehem, sondern nur noch an den Fuss des Kreuzes auf Golgota, wo er erschöpft vor dem Gekreuzigten niederfällt. Die Legende muss zur «Vivende», zum Lebensauftrag werden.

«Ich warte schon seit drei Jahren auf meinen Nachfolger.»

Wann kommen Sie mal wieder in die Schweiz?

Hinder: Covid-19 macht eine feste Planung unmöglich. Ich hoffe aber, dass ich im Sommer meinen Jahresurlaub wieder in der Schweiz machen kann.

Wie lange sind Sie noch Bischof?

Hinder: Was die Weihe betrifft, bis zum letzten Atemzug. Auf das jetzige Amt bezogen, warte ich schon seit drei Jahren auf meinen Nachfolger. Papst Franziskus hat mir im vergangenen September keinen Termin genannt, sondern nur gesagt: «Du musst dich noch etwas gedulden!»

* Paul Hinder (78) ist ein Schweizer Kapuziner-Priester und Bischof von Abu Dhabi. Zu seiner Diözese gehören Bahrain, Jemen, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.


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