Schweizer Hilfswerksvertreter in Ecuador – Eindrücke zur Papstreise

Quito/Zürich, 6.7.15 (kath.ch) Welche Bedeutung hat die Papstreise nach Lateinamerika für Menschen in diesen Ländern, die während diesen Tagen kaum im Rampenlicht stehen werden? kath.ch hat bei Projektverantwortlichen von Schweizer Hilfswerken nachgefragt. Im Süden von Quito, der Hauptstadt von Ecuador, sind Anne Stickel und Warner Benitez* im Auftrag des Hilfswerks Comundo (früher Bethlehem Mission Immensee) tätig. Anne Stickel beantwortete die Fragen von kath.ch.

Martin Spilker

Wie wird der Papstbesuch in Ecuador bei den Katholikinnen und Katholiken in Ihrer Nähe und bei der Kirchenleitung im Land aufgenommen?

Anne Stickel: In der breiten Bevölkerung herrscht eine hohe Erwartungshaltung. Viele der Nachbarn werden versuchen, zum alten Aiport-Gelände im Norden Quitos zu kommen, wo der Papst seine Messe halten wird. Besucherinnen und Besucher aus Provinzen Ecuadors und dem angrenzenden Kolumbien werden erwartet. Der Papst ist ein anerkannter «Líder Espiritual», ein spiritueller Führer, für die breite, einfache Bevölkerung. Diese will ihm recht vertrauensvoll auch eigene Anliegen mit durchaus politischem Charakter nahebringen, angefangen von der Unterstützung für die Reformen in der Kirche bis zu Themen, die in der Gegenwart Ecuadors brennen.

Die Kirchenleitung ihrerseits konzentriert sich darauf, dem Papstbesuch einen pastoralen Charakter zuzusprechen. «Der Papst ist keine Box für Beschwerden, in der man seine Beschwerden loswerden kann, der Papst ist ein Geistiger Vater», sagte Monseñor Tráves, Präsident der Ecuadorianischen Bischofskonferenz, in einem Interview vor dem Besuch und bestätigt die «Kirchenautorität», für die an allererster Stelle das Katholische und die Bekehrung zu Jesus Christus stehen – und damit die Unanfechtbarkeit der kirchlichen Hierarchie, so wie sie derzeit hier besteht.

Welche Bedeutung messen Sie persönlich dem Papstbesuch bei?

Stickel: Über die Ereignisse in Ecuador hinaus impliziert die Reiseroute des Papstes schon von sich aus eine starke politische Dimension. Die ersten beiden Länder des Besuches, Ecuador und Bolivien, zeichnen sich durch eine neugewonnene politische, wirtschaftliche, soziale Autonomie in Bezug auf die «alten Mächte» auf dem Kontinent, insbesondere gegenüber den USA aus. Die vor kurzem erschienene Enzyklika des Papstes zu ökologischen Themen legt hier eine interessante Überschneidung nahe: Eine der ersten Begegnungen in Quito wird die vom Papst mit dem Präsidenten sein.

Die Opposition Ecuadors, mit deutlicher politischer Nähe zur Opposition in Venezuela, nutzt den Besuch des Papstes für eigene Interessen: Seit knapp zwei Wochen inszeniert sie «Protestmärsche» gegen eine angeblich «diktatoriale» Regierung. Die Regierung ihrerseits bestätigt: «Unsere Gesetze sollen für Gleichheit sorgen. Das, was den Armen schadet, ändern wir.» Der Präsident, Rafael Correa, begegnet den Protesten im Kontext mit Sätzen wie «A derrotar el golpismo con alegría" (»Die Putschversuche mit Freude niederstrecken») – in Anlehnung an das Motto der Evangelisierungskampagne der katholischen Kirche «A evangelizar con alegría" (»Mit Freude evangelisieren»). Der Präsident hatte beschlossen: «Wir warten friedlich, im Vertrauen auf Gott», und erklärte, das Ambiente in Ecuador werde «friedlich» sein  zum Papstbesuch und kein spannungsvolles Konfliktszenario, wie es in den zwei Wochen vor dem Besuch täglich war.

Wenn Sie den Papst treffen könnten: Welche Botschaft würden Sie ihm gerne aus Ihrem Projekt mitgeben?

Stickel: Mögen die Veränderungen in der katholischen Kirche weiter und an die Wurzeln gehen. Mögen in der Sache kompetente Menschen Themen angehen, die aus der Wirklichkeit des Lebens nach Veränderung rufen, und diese Prozesse unterstützen: Friedensverhandlungen (in Lateinamerika vor allem in Kolumbien), die Suche nach ökonomischer, politischer, sozialer Gleichheit, insbesondere mit Blick auf die Jugend, die Stärkung der jeweils lokalen Kulturen, die Sensibilisierung für Ökologie, einen gelebten Glauben. In diesen Tagen tauchte ein Graffiti in Quito auf: «Sie predigen Demut und leben wie die Götter», mit viel Gold und Tand um einen verzerrten Kirchenmann herum. Die katholische Kirche hat reiche Mittel, um tatsächlich über das «Dekorative» einer Papstfigur und Kardinalsroben hinaus ein Zeichen in der Gesellschaft zu setzen. (ms)

Das Interview wurde schriftlich geführt.

* Anne Stickel und Warner Benitez Daviz sind Koordinatoren für «Comundo» Ecuador und Fachpersonen im Projekt «Mural Comunitario» im Centro Monseñor Léonidas Proaño, Quito Sur. Für das Schweizer Hilfswerk sind sie seit September 2013 vor Ort tätig.

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