Wandermedaille für Seelsorge-Paar: «Uns freut, dass unsere Pfarrei in die Auszeichnung eingeschlossen ist»

Hella und Gregor Sodies leiten gemeinsam die Pfarrei Greifensee ZH. Für die Art, wie sie das tun, nämlich «geschwisterlich», erhalten sie nun die Wandermedaille der Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche. Was die Auszeichnung ihnen bedeutet und wie das Geschwisterliche bei ihnen funktioniert, beschreibt das Seelsorge-Ehepaar in gemeinsam formulierten Antworten.

Regula Pfeifer

Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Hella und Gregor Sodies: Wir freuen uns, dass es offenbar über unsere Pfarrei hinaus strahlt, wie wir versuchen, Kirche-Sein in unserer Zeit zu leben. Letztlich haben wir nicht das Gefühl, etwas «Besonderes» zu machen. Was uns jeden Tag leitet, ist der Wunsch, mit den Menschen am Ort unterwegs zu sein – auf Augenhöhe, freundschaftlich und wohlwollend. Miteinander nach Wegen gelingenden Lebens für möglichst viele suchen und dazu auch Räume öffnen, in denen Menschen sich bewusst mit dem Urgrund, den wir Gott nennen, verbinden können.

Wenn wir drüber nachdenken, erscheint es uns verrückt, dass das eine Auszeichnung wert ist.

Verrückt?

Sodies: Ja, denn wir finden, unsere Art miteinander umzugehen, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Aber Sie geniessen die Auszeichnung?

Sodies: Ja, es ist schön, mit dem eigenen Wirken wahrgenommen zu werden, insbesondere weil wir als nicht-geweihte Seelsorgende von der Amtskirche über viele Jahre nicht gerade Wertschätzung und Interesse für unser Engagement und unsere Fähigkeiten erfahren haben – obwohl viel Herzblut und Knowhow drinsteckt und unsere Arbeit in weiten Teilen unser Leben ist.

Besonders berührt und freut uns, dass die Pfarrei in die Auszeichnung explizit miteingeschlossen ist. Das ist uns wichtig, denn nicht wir haben die Kultur und die Strukturen hier am Ort geprägt.

Wie genau pflegen sie das Geschwisterliche?

Sodies: Wir versuchen – mit unserem ganzen Team und rund 150 Freiwilligen – den Gründungsimpuls der Pfarrei weiter zu fördern: Wir sind eine Bottom-up-Pfarrei.

Eine Bottom-up-Pfarrei?

Sodies: Anfang der 70er-Jahre ist die Gemeinde auf Initiative der Basis entstanden. In den ersten fünf Jahren gab einen keine angestellten Hauptamtlichen, dadurch haben viele Pfarreimitglieder Verantwortung übernommen und «einfach gemacht». Wer sich dafür interessiert, lese das Buch zu den Gründungsjahren, welches wir 2022 herausgegeben haben. Etwa 80 Pfarreimitglieder und mit uns verbundene Menschen haben daran mitgewirkt.

In diesem Sinne ermutigen und ermächtigen sich Menschen hier auch heute gegenseitig, sich mit den je eigenen Talenten in der Pfarrei und auch in der Gesellschaft einzubringen. Wir sind ein Teil davon – mit dem Privileg, dass wir neben unserer Ausbildung und unseren Kompetenzen auch unsere Arbeitszeit in die Ideen und Projekte, die entstehen, investieren können. Bei uns hat jede und jeder, der oder die sich einbringen möchte, Gestaltungsraum und ist in seiner beziehungsweise ihrer Individualität und Freiheit willkommen.

«All das stiftet Gemeinschaft.»

Nicht zuletzt feiern wir einfach gern und lieben das Leben und die Menschen. Und wir haben beziehungsweise sind ein grossartiges Team. All das stiftet Gemeinschaft. Viele unserer Pfarreimitglieder sagen, dass die Pfarrei für sie wie eine erweiterte Familie ist. So empfinden wir selbst das auch.

«Bei uns wird also viel geredet und diskutiert.»

Inwiefern ist Ihre Entscheidungskultur synodal?

Sodies: Wir beide haben uns selbstverpflichtet, keine Entscheidungen über das Pfarreiteam, den Pfarreirat und die je nach Thema betroffenen Arbeits- und Projektgruppen hinweg zu treffen. Daran rütteln wir nicht. Bei uns wird also viel geredet und diskutiert, hier und da auch kraftvoll gestritten – und zwischendurch gemeinsam geschwiegen, um sich wieder auszurichten auf das, was uns verbindet und wofür wir einstehen wollen. Sich verständlich machen und versuchen, einander zu verstehen – keine Frage, das ist auch anstrengend, zumal auch wir beide längst nicht immer derselben Meinung sind. Aber es macht die Pfarrei lebendig. Und Lebendigkeit inspiriert uns dann auch wieder.

Ist die Wandermedaille ein Ansporn?

Sodies: Sie ist sicher Ansporn, so weiterzumachen wie bisher und Ermutigung für Momente oder Zeiten, in denen wir kräftemässig an Grenzen kommen.

…auch ein Ansporn für Verbesserungen?

Sodies: Bei der Liturgiegestaltung sind wir schon länger mit der Frage unterwegs, wie wir noch partizipativer werden könnten, auch in den «ganz normalen» Gottesdiensten, die nicht sowieso schon von mehreren aus dem Team und zusammen mit Freiwilligen gestaltet werden. Wenn uns die Medaille anspornt, in diesem Bereich vermehrt nach zeitgemässen Formen zu suchen und mit unseren Pfarreimitgliedern darüber ins Gespräch zu kommen, wäre das eine schöne Frucht.

Darüber hinaus ist die Medaille Anstoss, unsere Pfarreimitglieder wieder mal gezielt zu fragen, ob und wenn ja wo sie sich noch stärker einbringen könnten oder möchten. Wir sind gespannt!

Das Interview wurde schriftlich geführt. Da Hella und Gregor Sodies die Fassung gemeinsam formuliert haben, sind sie ausnahmsweise beide als Interviewpartner angegeben.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/wandermedaille-fuer-seelsorge-paar-uns-freut-dass-unsere-pfarrei-in-die-auszeichnung-eingeschlossen-ist/