Der lächelnde Gott von Pavel Pepperstein: «Zwischen Nirwana und Nichts»

Auf Bildern des Christentums wirkt Gott meist ernst. Strafend-richterlich. Zornig. Schmallippig. Der russische Konzeptkünstler Pavel Pepperstein hat einen Gott «hingetuscht», bei dessen Anblick es einem in der Seele sofort wohlig warm wird. Ein Beispiel für einen liebenden, barmherzigen Gott – der aber nicht zuletzt ironisch zu verstehen ist, wie Matthias Haldemann, Direktor des Zuger Kunsthauses versichert.

Wolfgang Holz

Wie sanfte Wellen wogen die wenigen Pinselstriche über dieses kreisrunde Antlitz: Augenbrauen und Lider des Gesichts. Sanft wie zwei kleine Kaulquappen sind die beiden Nasenöffnungen darunter chiffriert. Noch eine Etage tiefer schlängeln sich zwei weiche Linien zu einem breiten Lächeln der Lippen. Himmlisch harmonisch!

«Medical Hermeneutics»

Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Angesicht! Jeder kennt aus Kindertagen dieses Minimalkonzept für eine Gesichtsdarstellung.

Pavel Pepperstein (57), russisch-zeitgenössischer Künstler und Mitbegründer der 1987 ins Leben gerufenen Künstlergruppe «Medical Hermeneutics», die sich nach dem Untergang des sowjetischen Kommunismus formierte, hat nach einem ähnlichen Strickmuster seine Tuschezeichnung «God3» (2016) auf kreisrundem Papier in Szene gesetzt.

Positive «Vibes»

Was an seinem lächelnden Gottesbild auf den ersten Blick so fasziniert, sind die unglaublich positiven «Vibes», die es ausstrahlt. An diesen Gott mag man sofort glauben. Man möchte sich ihm sofort für immer anvertrauen und sich in seine Obhut begeben. Dieser Gott im weissen Kreis, in wenigen schwarzen Pinselstrichen skizziert, scheint selig zu schlummern und gleichzeitig zu lächeln.

Paradiesischer Anblick

Sämtliche Sünden der Menschen hat er offenbar auf alle Ewigkeit vergeben. Ja, sein entrückt-ultimativ zufriedenes Antlitz wirkt fast so, als könne er sich für immer aus der Welt des Menschen zurückziehen – als sei sein göttliches Werk für alle Zeiten und unzerstörbar angesichts möglicher künftiger menschlicher Verfehlungen vollbracht. «God3» von Pavel Pepperstein ist ein paradiesischer Anblick. Und das in wenigen Strichen. Göttlich genial.

«Das Religiöse taucht im Werk Peppersteins immer wieder auf, auch das Buddhistische, Russisch-Orthodoxe, zumeist mit einem humorvoll-kritischen Unterton», erklärt Zugs Kunsthausdirektor Matthias Haldemann gegenüber kath.ch.

«Pepperstein stellt das Religiöse nicht wirklich dar, eher das Mythologische und das Politische.»

Matthias Haldemann, Kunsthausdirektor Zug

Wobei Haldemann im gleichen Atemzug relativiert. «Pepperstein stellt das Religiöse nicht wirklich dar, eher das Mythologische und das Politische.» Allerdings habe Pepperstein zum Beispiel im Zuger Kunsthaus schon wilde Porträts von russisch-orthodoxen Priestern 1998 an die Wände gemalt, die ziemlich ›wild’ ausschauten.

Pilze rauchende buddhistische Mönche

«Verstört, kriminell, verblödet. Es war die Zeit des Kathedralneubaus in Moskau, als bekannt wurde, dass Priester für den KGB gearbeitet hatten», so Haldemann. Putin zeige sich dort gerne öffentlich. «Pepperstein hat bei uns auch buddhistische Mönche gemalt, die Pilze rauchten…»

Was Peppersteins Gott in der aktuellen Ausstellung anbelangt, sei dieser wohl zunächst ironisch gedacht, so der Zuger Kunsthausdirektor. Denn das Werk «God» trage eine Nummer: es gebe «God Nr. 1», «God, Nr. 2» und so weiter. Gleichzeitig sieht er den lächelnden Gott des russischen Konzeptkünstlers als eine spezielle Darstellung.

Lachen im Diesseits: «Sache des Teufels»

«Im christlichen Zusammenhang gibt es allenfalls das selige Lächeln im Jenseits. Diesseits wird eigentlich nicht gelacht, das ist nämlich Sache des Teufels. Im Unterschied zum Judentum und zum Buddhismus», bringt es Haldemann auf den Punkt.

«Das Gesicht ist aus wenigen Strichen zusammengesetzt und strahlt eine Ruhe und Zufriedenheit aus, die gut tut.»

Matthias Haldemann

Dieser «Gott» von Pepperstein erinnere ihn deshalb eher an eine heitere Buddhafigur sowie an ein Kleinkind: «Das Gesicht ist aus wenigen Strichen zusammengesetzt und strahlt eine Ruhe und Zufriedenheit aus, die gut tut.»

Das Runde in der Darstellung von Peppersteins «God3» sorge wiederum für Konzentration, eine Art von Sammlung, strahlt aber auch nach aussen in den Raum. «Gerne spricht Pepperstein auch von ›Nirwana’. Das Weiss im perfekten Kreis wäre insofern ein ›Nichts’, das ›alles’ werden kann, und tatsächlich eine bemalte Leinwand ist.»

Schelmisches Grinsen

Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, vermögen Betrachtende des Peppersteinschen Gottes durchaus auch ein schelmisches Grinsen im Antlitz von «God3» entdecken. Keine Frage: Der Gott des Russen zeitigt wohltuenden Humor und Selbstironie.

*Pavel Pepperstein, geboren 1966 in Moskau, lebt und arbeitet in Moskau und in Tel Aviv. Von 1985-1987 studierte er an der Akademie der Schönen Künste in Prag. 2009 vertrat er Russland an der Biennale in Venedig, 2014 erhielt er den Kandinsky-Preis. Mit seinem Werk ist er an zahlreichen Ausstellungen auf der ganzen Welt präsent. Mehrmals stellte er bereits im Kunsthaus Zug aus. Momentan ist sein Gottesporträt «God3″ in der aktuellen Ausstellung «Lust auf Farbe» des Zuger Kunsthauses zu sehen, die noch bis zum 10. September dauert.


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https://www.kath.ch/newsd/der-laechelnde-gott-von-pavel-pepperstein-zwischen-nirwana-und-nichts/