«Manifest» – Einmal Fegefeuer und zurück 

In der Netflix-Serie «Manifest» geht es um den Sinn des Lebens, Berufung, Glaube und Vernunft. Die Theologin Sabine Zgraggen hat die Serie mit religiösen Augen betrachtet und erkennt überall spirituelle Zeichen. «Es ist alles verbunden», ist der Leitspruch der Hauptfiguren Ben und Michaela Stone. Und es geht um «die letzten Dinge des Menschen».

Sabine Zgraggen

Ein Flugzeug verschwindet und taucht mehr als fünf Jahre später wieder auf. Was ist mit den Passagieren von Flug 828 geschehen? Warum tauchen sie plötzlich in einer zeitverschobenen Welt wieder auf? Neun Millionen Zuschauende waren in den USA pro Folge dabei und wollten wissen, wie die Geschichte der 191 Flugpassagiere ausgeht.

Über vier Staffeln und 62 Folgen hinweg spielt die Netflix-Serie «Manifest» mit endzeitlichen Glaubensinhalten und bringt uns eine moderne Interpretation «über die letzten Dinge des Menschen». Bester Stoff für eine theologische Lesart. 

Flug 828 – Die Geschichte eines verschollenen Flugzeugs

191 Passagiere steigen am 7. April 2013 auf Jamaika in ein Flugzeug. Als sie in New York landen, sind auf der Erde über 5 Jahre vergangen und die Zeitrechnung zeigt das Jahr 2018. Niemand weiss, wo sie waren. Sie selbst können es sich auch nicht erklären.

Innere Stimmen führen sie immer wieder zusammen. Folgen sie diesen Eingebungen – in der Serie «Callings» genannt – können sie anderen Menschen helfen und ihre eigenen Fehler erkennen. Verweigern sie sich diesen Visionen, werden die Probleme grösser.  

Die Geschwister Michaela und Ben – Glaube versus Vernunft  

Wegen einer Flug-Überbuchung trennt sich die vierköpfige Familie Stone. Vater Ben steigt mit seinem krebskranken Sohn Cal ins Flugzeug. Mitreisende ist auch Bens Schwester Michaela. Nach ihrer rätselhaften Wiederkehr lernt Polizistin Michaela schneller als ihr Bruder Ben, dass die inneren Stimmen und Visionen göttliche Berufungen sind.

Ben fühlt sich als Mathematiker der Wissenschaft verpflichtet und sucht verbissen logische Erklärungen für das übersinnliche Phänomen. Schliesslich müssen beide zur Rettung von Cal und der Welt einsehen: Glaube und Vernunft gehören zusammen.  

Flugnummer 8 2 8  

Gibt es Hoffnung für die am Abgrund stehende Welt? Da taucht in mehreren Folgen ein Schriftzug auf. Das Zitat aus dem Römerbrief 8, Vers 28: «Und wir wissen, dass Gott alles zum Besten derer wirkt, die ihn lieben und nach seinem Vorsatz berufen sind». Die Chiffre «8-28» verweist also auf die paulinische Theologie.  

Ein Kind als Schlüsselfigur zur Erlösung aller

Rückblenden zeigen: der Flug 828 ist in Wahrheit abgestürzt. Die Wiederkehr somit ein überirdisches Wunder. Die Menschheit ist darüber gespalten. Nach der ersten Freude sehen viele darin ein göttliches Zeichen. Eine neue Glaubenswelle wird losgetreten. Andere sehen eine feindliche Bedrohung und wollen die Insassen töten.

Die Regierung schliesst die Passagiere in ein Lager ein. Wäre da nicht Cal, der als auserwähltes Kind immer einen neuen Hinweis findet und weiss, wie es weitergehen kann. Im Finale bringt er das ultimative Opfer, um allen anderen den Weg zu weisen. 

Egoist wird zum Judas 

Die Figur namens Eagan kommt ab Staffel 3 ins Spiel. Sein dargestellter Charakter kann als Egomane bezeichnet werden. Er wechselt seine Haltung gemäss bestem Vorteil. Bindungen will er nicht eingehen und seinen Eltern nicht vergeben. Als die Lösung aller Probleme im Finden eines blauen Saphirs liegt, stiehlt er ihn kurzerhand. Menschen, die ihn mögen, verrät er immer wieder und lässt sie im Stich.  

Stunde der Läuterung 

Als auch Eagans Leben auf dem Prüfstein steht und der Sitznachbar, der ein besserer Mensch als er war, zu verglühen droht, bekehrt er sich und betet zu Gott: Nimm mich und nicht ihn!

Dieser eine Moment der Selbstlosigkeit erlöst nicht nur den Kollegen. Sogar Eagan als Judasfigur hat eine zweite Chance im Leben bekommen. 

Gemeinsam gegen das Böse 

Nachdem jede und jeder einzeln sein Fegefeuer durchlebt und sich der Wahrheit über sich selbst stellen muss, bäumt sich eine schwarze Rauchsäule im Flugzeug auf. Michaela und Ben verstehen: Jetzt geht es um alles. Sie sind nun keine Einzelkämpfer mehr, sondern treten füreinander ein. Sie halten sich gegenseitig fest.

Michaela ruft: «Wir haben diese zweite Chance verdient. Wir sind nur normale Menschen, wir haben Fehler, aber wir haben auch gelernt, wofür es sich zu leben lohnt». So verliert «das Böse» seine Angriffsfläche und lässt sich von der geballten Power der Gemeinschaft endgültig vertreiben.  

War alles nur ein Traum? 

Michaela geht ins Cockpit zum Piloten. Das Gewitter von vor fünf Jahren ist wieder da. Blitze donnern. Ein Lichtpunkt taucht auf. Das Flugzeug steuert bewusst darauf zu. Die Passagiere des Flugs 828 sind bereit, der letzten Wahrheit ins Gesicht zu schauen.

Wie es jetzt auch kommt, es wird gut sein. – Plötzlich steht alles still. Als sich die Türen des Flugzeugs öffnen, wissen die Passagiere nicht, ob sie im Himmel oder auf der Erde gelandet sind. Es ist hell. Ist das die Rückkehr aus dem Fegefeuer? – Der lange Weg durch die 62 Folgen von «Manifest» lohnt sich auch für die Zuschauenden. 


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/manifest-einmal-fegefeuer-und-zurueck/