«Jesus und Maria hatten miteinander Sex»: Mit kruder Inzest-Theologie gläubige Frauen missbraucht

Er war ein angesehener Theologe der Uni Freiburg. Doch dem Dominikaner Marie-Dominique Philippe ging es nicht nur um Metaphysik, sondern auch um Missbrauch. Mit seinen Geschwistern behauptete er: Jesus und Maria hatten miteinander Sex. Entsprechend sollten gläubige Frauen mit Priestern schlafen.

Annalena Müller

Es ist eine krude Inzest-Theologie: Jesus und Maria hatten miteinander Sex. Durch ihre regelmässige körperliche Vereinigung werde das Fleisch rehabilitiert und das himmlische Leben vorweggenommen. Die französischen Brüder Thomas und Marie-Dominique Philippe sowie ihre Schwester Cécile nötigten mit Verweis auf Maria und Jesus mutmasslich hunderte Frauen zu sexuellen Taten. Marie-Dominique Philippe war von 1945 bis 1982 Professor an der Universität Freiburg i.Ü.

Thomas Philippe – von Rom früh verurteilt 

1957 wird Thomas Philippe (1905–1993) vom Vatikan verurteilt. Er darf künftig keine Sakramente mehr spenden und auch keine spirituelle Leitung mehr übernehmen. In der Folge übernimmt der 24-jährige Jean Vanier die Leitung von Philippes Gemeinschaft, L’Eau vive. 

Vanier wird später die ebenfalls skandalgeschüttelte Arche gründen. 1957 blieben die Gründe für Philippes Bestrafung noch geheim. Heute sind sie bekannt – und sie sind schrecklich. Spätestens in den 1940er-Jahren ersann Thomas Philippe eine krude Inzest-Mystik. Die machten sich seine leiblichen und spirituellen Familienmitglieder zum Gebrauch, um Frauen zum Sex zu nötigen.

Sexuelle Mystik

Am 30. Januar ist eine insgesamt 2000 Seiten dicke Studie über die systematischen Missbräuche durch die Brüder Philippe und Jean Vanier erschienen. Die Dominikaner, der Vatikan und die von Marie-Dominique Philippe gegründete Bruderschaft St. Jean haben den Wissenschaftlern ihre Archive geöffnet. 

Unter den Dokumenten fand sich auch die schriftliche Verteidigung von Thomas Philippe aus dem Jahr 1956. Darin behauptete dieser, dass ihm 1939, ausgerechnet im biblischen Alter von 33 Jahren, die Heilige Jungfrau erschienen sei. Diese habe ihm die Geschlechtsorgane als Ort göttlicher Liebe zu erkennen gegeben. 

Erfundene Vision, echte Manipulation

Drei Monate später sei es zur spirituellen Vereinigung zwischen ihm und der Mutter Gottes gekommen. Maria habe ihm dabei erläutert, dass sie mit ihrem Sohn Jesus eine sexuelle Beziehung gepflegt habe. Diese körperliche Vereinigung hatte zum Ziel, das menschliche Fleisch zu rehabilitieren und sei gleichzeitig ein Vorgeschmack auf das himmlische Leben gewesen. 

Der Franzose Tangi Cavalin, Historiker und Mitautor der Studie, geht davon aus, dass Thomas Philippe diese Visionen erfunden hat, um seine Strafe zu mildern. Nirgends habe Thomas Philippe diese Vision in seiner umfangreichen Korrespondenz erwähnt. Stattdessen habe sich Thomas Philippe dieses Narrativ zunutze gemacht, um sich zahlreiche Frauen gefügig zu machen – Nonnen und Laiinnen.

Der Missbrauch geht weiter – und die Familie macht mit

Es sind nicht nur Thomas Philippe und sein spiritueller Zögling, Jean Vanier, die sich dieser mystischen Manipulationen bedienen, um Frauen zu missbrauchen. Auch Philippes Schwester, Cécile, Priorin eines Konvents nahe der L’Eau vive-Gemeinschaft ihres Bruders, ist beteiligt. Auch sie wird verurteilt. 

Sie soll Nonnen ihres Konventes in die Arme ihres Bruders getrieben haben. Auch soll sie selbst sexuell mit einigen Nonnen verkehrt und sogar inzestöse Kontakte mit ihrem Bruder gepflegt haben. Und auch der jüngere Bruder der beiden, Marie-Dominique, der ab 1945 Metaphysik in Freiburg unterrichtete, soll sich an zahlreichen Frauen vergangen haben.

Eine Art Transsubstantiation: Verwandlung in den Körper Mariens

Eine Nonne, die in den 1950er-Jahren missbraucht wurde, berichtete: Thomas habe ihr erklärt, die Zärtlichkeiten würden ihren menschlichen Körper in jenen Mariens verwandeln. Der so von Thomas ernötigte Geschlechtsakt bekam damit die Aura eines Sakramentes, eine Art Transsubstantiation.

Für den Freiburger Professor Marie-Dominique Philippe lassen sich solche Taten erst ab den 1970er-Jahren nachweisen. Michèle-France Pesneau berichtete bereits 2019, wie Marie-Dominique Philippe sie zum Sex gedrängt habe. Er wolle sie die Liebe Jesu spüren lassen. Auch Maria und Jesus hätten sich fleischlich vereinigt. Aber dies «spiele sich derart in Gott ab, dass die menschlichen Grenzen hier nicht zählten». 

Mystischer Sex, reale Abtreibung

Sex also, der angeblich keiner war. Dennoch konnte diese allzu menschliche mystische Vereinigung zu Schwangerschaften führen. Denn auch das zeigt die jüngst erschienene Studie: Bereits 1947 kam es zu einer Abtreibung. Anne de Rosanbo war von Thomas Philippe schwanger geworden. Die Abtreibung hat er organisiert. Ausgerechnet am 8. September – Mariä Geburt. In den vielen Jahrzehnten des Missbrauchs wird es nicht das einzige Mal gewesen sein.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/jesus-und-maria-hatten-miteinander-sex-mit-kruder-inzest-theologie-zwang-die-familie-philippe-glaeubige-frauen-zum-sex/