Es brodelt in der Oltner Kirchgemeinde: Nun geht auch der Vizepräsident

Zoff in Olten: Erst tritt der Präsident der Kirchgemeinde zurück. Nun hat auch sein Stellvertreter den Rücktritt bekanntgegeben. Der Vizepräsident Martin Rieder spricht von mangelndem Vertrauen und Spannungen in Olten.

Jacqueline Straub

Warum treten Sie als Vizepräsident der römisch-katholischen Kirchgemeinde Olten/Starrkirch-Wil zurück?

Martin Rieder*: Anlass für meinen Rücktritt auf Ende Jahr sind fehlendes Vertrauen, mangelnde Kooperation und Spannungen im Rat.

Wie fielen die Reaktionen auf Ihren Rücktritt aus?

Rieder: Es gab vereinzelt heftige Reaktionen. Heute sollte die letzte Sitzung mit einem anschliessenden Essen stattfinden. Der Kirchgemeinderat hat diese nun abgesagt. Er will keine Sitzung mehr mit mir durchführen. Meinen Pflichten werde ich selbstverständlich bis Ende des Jahres nachkommen.

Wo stellen Sie fehlendes Vertrauen und Spannungen im Rat fest?

Rieder: Es ging auch um die Frage, ob das Personal der Kirchgemeinde einen Teuerungsausgleich erhält. Ohne vertiefende Vorgespräche wurde ein Budget ohne Teuerungsausgleich erstellt, in der Dienst- und Gehaltordnungskommission kaum besprochen und im Rat beschlossen. Ich hätte mir Gespräche gewünscht mit den Finanzverantwortlichen. Und dass wenigstens jene eine Teuerung erhalten, die im unteren Einkommenssegment sind. Das gemeinsame Finden von Lösungen hat im Rat zu wenig stattgefunden. Zudem waren die Vorlagen oft kaum vorbesprochen, sodass es im Rat zu abendfüllenden Diskussionen kam, oft ellenlangen Sitzungen.

«Ich habe es nicht geschafft, unterschiedliche Positionen zusammenzubringen.»

Sie kritisieren, dass im Rat Entscheidungen sachlich falsch getroffen wurden.

Rieder: Darüber kann ich nicht Auskunft geben, es betrifft vor allem den Umgang mit Personal und personalrechtlichen Angelegenheiten.

Als Vizepräsident haben Sie eine Mitverantwortung für Missmanagement. Was ist Ihnen nicht gelungen?

Rieder: Ich habe es nicht geschafft, unterschiedliche Positionen zusammenzubringen. Deswegen ist mir eine konstruktive Zusammenarbeit innerhalb des Kirchgemeinderats und zwischen Kirchgemeinderat und Pastoralraumteam nicht gelungen. Dazu bräuchte es eine inhaltliche Übereinstimmung im Rat. Diese war bei vielen Themen nicht gegeben. Ebenso müsste der Rat mit unterschiedlichen Interessen umgehen können.

«Er hat gesagt, dass es schwierig war.»

Sehen Sie Probleme im System oder bei den Mitgliedern des Rates?

Rieder: Es liegt immer an den Personen. Das System und die Regeln der Organisation sind ja vorgegeben. Wie einzelne Personen und der Rat als Ganzes mit den Regeln umgehen, ist der entscheidende Faktor.

Sie sind derzeit Interimspräsident, weil Thomas Laube vergangenen Juni zurückgetreten war. Er gab gesundheitliche Gründe an.

Rieder: Ich denke, dass es immer ein Zusammenspiel von mehreren Gründen ist. Er hat gesagt, dass es schwierig war und er eine schlechte Stimmung im Pastoralraum wahrgenommen hat. Er hat aber auch gesagt, dass er aus gesundheitlichen Gründen zurücktrete.

Welche Baustellen sehen Sie in der Kirchgemeinde Olten/Starrkirch-Wil?

Rieder: Es ist eine grosse Aufgabe, die Finanzen im Gleichgewicht zu halten. Die Austritte sind nach wie vor hoch – und sie nehmen auch nicht ab. Die Einnahmen werden dadurch immer kleiner. In Zukunft muss überlegt werden, was sich die Kirchgemeinde noch leisten will und kann. Etwa, ob eine Kirche geschlossen oder Personal abgebaut werden muss.

«Dieser Konflikt wird sich vermutlich nie auflösen lassen.»

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Rieder: In der Gesprächskultur, in der Organisation allgemein gibt es Entwicklungsbedarf. Das habe ich im Rat versucht anzustossen. Wichtig ist auch das Organisationswissen des Personals und die Personalführung. Der momentane Umgang mit Personal ist nicht auf der Höhe der Zeit. Dazu zählen etwa Personalgespräche, Zielvereinbarungen mit Indikatoren und der Umgang mit Konflikten. Ein Grundkonflikt sehe ich auch darin, dass die einen die Immobilien auf Vordermann bringen wollen, die anderen das Geld lieber in die Diakonie und Seelsorge stecken möchten. Dieser Konflikt wird sich vermutlich nie auflösen lassen.

Wie wird es weitergehen?

Rieder: Der Rat wird sich neu konstituieren müssen.

* Martin Rieder (71) ist seit Juni 2022 Ad-interim-Präsident der Kirchgemeinde Olten/Starrkirch-Wil. Er ist pensionierter Lehrer und lebt in Olten. Ende Dezember verlässt er den Kirchgemeinderat.


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