«Simon ist mein Klostername»: Simon Spengler wurde auf den Namen Christoph getauft

Simon Spengler war Zisterzienser-Mönch – und hat fürs Kloster den Namen Simon selbst gewählt. Sein Namenspatron Simon Zelotes erinnere ihn an die Radikalität des Christentums: «Das war keine Softie-Truppe.» Seine Frau wirft Spengler vor, nicht zuzuhören.

Raphael Rauch

Warum haben Sie Ihre Eltern Simon genannt?

Simon Spengler*: Meine Eltern liessen mich auf den Namen Christoph taufen. Simon ist mein Klostername, den ich in jungen Jahren als Zisterziensermönch selbst gewählt habe. Weil mich in der Schweiz, wo ich an der Uni in Freiburg i.Ü. Theologie studierte, alle als «Bruder Simon» kannten, habe ich nach meinem Austritt aus dem Orden den Namen behalten. Im Pass steht nun Simon Christoph.

Was verbinden Sie mit Ihrem Taufnamen Christoph?

Spengler: Christopherus als einer der 14 Nothelfer trägt mich durch alle Fluten und Stürme meines Lebens. Ausserdem ist mir der Name heilig, weil meine Eltern ihn für mich ausgesucht haben.

«Ich möchte nicht meinen Namenstag an dem Datum feiern, an dem sich die Klerikerkirche selbst zelebriert.»

Sie haben sich den Namen Simon selbst ausgesucht. Warum ist Ihr Patron nicht Simon Petrus, sondern Simon der Zelot?

Spengler: Zu Simon Petrus habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Sympathisch ist mir der Fischer aus Galiläa mit seinen persönlichen Widersprüchen. Dass die kirchliche Amtstheologie ihn für die Legitimierung ihrer Kleriker-Herrschaft instrumentalisiert, dafür kann Simon Petrus nichts. Aber ich möchte nicht meinen Namenstag an dem Datum feiern, an dem sich die Klerikerkirche selbst zelebriert. Abgesehen davon gibt es in meinem Heimatdorf eine alte Prämonstratenserabtei, in der eine Reliquie des Apostels Simon des Zeloten verehrt wird. Im späten Mittelalter war es ein bekannter Wallfahrtsort und die Reliquie soll bei Augenleiden geholfen haben – also für einen klaren Blick sorgen.

Gefällt Ihnen Ihr Name – und warum?

Spengler: Absolut, deshalb habe ich ihn ja gewählt. Eine ungetrübte Sicht auf die Wirklichkeit ist für einen Journalisten doch das höchste Ideal.

Haben Sie einen Spitznamen?

Spengler: Nicht, dass ich wüsste. Simon ist klar genug.

Wie hätten Sie geheissen, wenn Sie ein Mädchen geworden wären?

Spengler: Ich habe meine Mutter nie danach gefragt, meinen Vater schon gar nicht. Ich glaube auch nicht, dass er da ein grosses Mitspracherecht gehabt hätte.

Simon heisst so viel wie «Gott hat gehört». Was sagt Ihnen das?

Spengler: Ich würde eher übersetzen «Gott hört»: mein Flehen, meine Hoffnung, meine Ängste. Das gibt meinem Leben Sinn und meinem Handeln eine Perspektive.

«Nomen est omen» – was bedeutet das mit Blick auf Ihren Namen?

Spengler: Meine Frau wirft mir – oft zurecht – vor, ich höre nicht recht zu. Da werde ich meinem Namen noch nicht ganz gerecht.

«Wir sind Ohr», lautet eine Kampagne zum synodalen Prozess. Warum fällt der Kirche das Zuhören so schwer?

Spengler: Wer ist die Kirche? Die Bischöfe, die Priester – oder die lebendigen Gemeinden? Es gibt durchaus Orte in der Kirche, in denen sehr genau auf die Stimmen der Unterdrückten, der Benachteiligten, der Notleidenden gehört wird. Das sind für mich letztlich die einzig relevanten Orte, wo sich Kirche ereignet. Auch heute!

«Heute würden die Herrschenden diese Leute Terroristen schimpfen.»

Was verbinden Sie mit Simon dem Zeloten?

Spengler: Dieser Apostel Simon ist eine sehr spezielle Figur unter den Jüngerinnen und Jüngern Jesu. Er gehörte zur Partei der Zeloten, die mit gewaltsamen Mitteln die Besatzungsmacht in Palästina, die Römer, bekämpfte. Heute würden die Herrschenden diese Leute Terroristen schimpfen. Dass ein Parteigänger der Zeloten zum Schülerkreis des Rabbi Jesus gehörte, zeigt, dass dieser alles andere als eine Softie-Truppe war, im Gegenteil. Neben Simon Zelotes gab’s ja bekanntlich noch mehr Anhänger der Zeloten, die sich der Bewegung um Jesus angeschlossen hatten. Nicht zufällig hatte Petrus am Ölberg ein Schwert unter seinem Mantel versteckt.

Sie wollten mal Zisterzienser werden. Wie haben Sie in Hauterive den Namenstag gefeiert?

Spengler: Ich wollte nicht Zisterzienser werden, sondern ich war Zisterzienser. Und ganz tief in mir drin bin ich es noch heute. Am Namenstag gab es zum Abendessen ausnahmsweise ein Bier. Ich hab’ selten mit so viel Genuss ein Bier getrunken.

«Jesus von Nazareth steht für den gewaltsamen Aufstand zur radikalen Option für die Gerechtigkeit Gottes.»

Welcher Aspekt mit Blick auf Ihren Namen erscheint Ihnen noch wichtig?

Spengler: Die kirchliche Tradition hat aus dem Störenfried Simon dem Zeloten den harmlosen «Simon den Eiferer» gemacht und ihn damit kastriert. Ein sehr typischer Vorgang in der Kirchengeschichte, die ja leider sehr schnell auch zu einer Herrschaftsgeschichte wurde. Dass im innersten Kern der Bewegung einer war, der mit radikaler Konsequenz die Herrschenden bekämpfen wollte, stört natürlich. Diese Radikalität nahm mit Jesus von Nazareth eine neue Dimension an vom gewaltsamen Aufstand zur radikalen Option für die Gerechtigkeit Gottes. Diese neue Radikalität fordert noch heute heraus. Deshalb bin ich dankbar, dass es die Kirche gibt. Sie hält mit ihren eigenen Gründungsdokumenten die gefährliche Erinnerung an die Radikalität Jesu und seiner Jüngerinnen und Jünger wach – ob sie will oder nicht.

Laut Telefonbuch heissen Ihre Söhne Elias, Jakob und Micha. Warum haben Sie sich für jüdische Namen entschieden?

Spengler: Das hat mich eine Zollbeamtin am Flughafen in Tel Aviv auch gefragt, als wir als Familie vor ein paar Jahren Israel und Palästina besuchten. Meiner Frau und mir – sie versteht viel mehr davon als ich – ist die Bibel generell sehr wichtig. Die hebräische Bibel für mich aus zwei Gründen besonders: Jesus war Jude durch und durch, kein Katholik und kein Protestant. Das jüdische Fundament unseres Glaubens darf nie vergessen werden!

«Für einen Boulevard-Journalisten, der ich mal war, gibt es kein besseres Lehrbuch als das Alte Testament.»

Und zweitens?

Spengler: Das Alte Testament erzählt die besten Geschichten: Der radikale Elias, der die Baals-Priester abschlachtete, bis der Fluss sich rot färbte; die Jakobs-Erzählungen rund um Verrat, List, Tücke und um Versöhnung sind schlicht Weltliteratur; Micha steht für den Ruf: «Schwerter zu Pflugscharen», der für alle Zeiten gültig ist – besonders auch heute wieder! Für einen Boulevard-Journalisten, der ich mal war, gibt es kein besseres Lehrbuch als das Alte Testament. Hätten wir ein Mädchen bekommen, hätten wir es vielleicht Judith oder Ruth genannt.

* Der Theologe Simon Spengler ist Bereichsleiter Kommunikation der katholischen Kirche und Sekretär des interreligiösen runden Tisches im Kanton Zürich. Er stammt aus Deutschland und trat ins dortige Zisterzienser-Kloster Langwaden ein. Im Rahmen seines Studiums in Freiburg i.Ü. lebte er zwei Jahre lang in Hauterive.

Spengler wohnt in Schmitten FR. Vor seiner Tätigkeit für die katholische Kirche in Zürich war er Pressesprecher der Schweizer Bischofskonferenz. Zuvor hatte er für den «Blick» gearbeitet.


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