Martin Werlen: Peter Zurbriggen hat traditionalistische Bischöfe in Österreich verhindert

«Er war ein Segen für die Kirche in Österreich», sagt Martin Werlen über den verstorbenen Vatikan-Diplomaten Peter Zurbriggen. «Als Nuntius in Wien hat er sich für Bischöfe eingesetzt, die mit dem Volk auf dem Weg sind – gegen alle gegenteiligen Versuche traditionalistischer Kreise.»

Raphael Rauch

Wie gut kannten Sie Peter Zurbriggen?

Martin Werlen*: Wir sind beide Walliser – das verbindet. Ich habe ihn aber erst bei verschiedenen Begegnungen gut kennen gelernt, als er Nuntius in Wien war. Für die Kirche in Österreich wurde er zum Segen.

Warum?

Werlen: Weil er sich für Bischöfe einsetzte, die ihrer herausfordernden Aufgabe gewachsen sind. Das, was wir im Bistum Chur erleben mussten, galt auch für Österreich: Johannes Paul II. hat Bischöfe durchgedrückt, die nicht mit dem Volk auf dem Weg sein konnten. Solche Ernennungen erlebten wir auch unter Benedikt XVI. Damit wurden nicht nur Diözesen, sondern ganze Bischofskonferenzen lahmgelegt. 

Sie haben über Peter Zurbriggen getwittert: «Zur Zeit Benedikt XVI. von konservativen Kreisen umgangen, konnte er mit Papst Franziskus seine Arbeit wieder wahrnehmen und hat das sofort getan. Dem Walliser verdanken wir Bischof Benno in Feldkirch.» Können Sie das erläutern?

Werlen: Zurbriggen musste erleben, dass traditionalistische Kreise am Nuntius vorbei direkte Kontakte nach Rom hatten, auch was die Ernennung von Bischöfen betrifft. Dazu gehört die Ernennung von Gerhard Wagner zum Weihbischof von Linz.

Das ist ein Priester, der Harry Potter für Satanismus hält und nur Jungs ministrieren lässt.

Werlen: Er war gewiss nicht geeignet für das Bischofsamt. Und genau dieser Wagner war 2009 für kurze Zeit als Weihbischof in Linz nominiert. Doch es gab massive Proteste, weswegen er auf die Übernahme des Amtes verzichten musste. Das war peinlich für Papst Benedikt XVI. – aber nicht für Peter Zurbriggen, weil er als Nuntius mit der Sache ja nichts zu tun hatte.

«Peter Zurbriggen liess sich nicht ausbooten.»

Und dann?

Werlen: Auch später kam es immer wieder zu Versuchen, auf Rom Einfluss zu nehmen – und zwar von Kreisen, die die Kirche von allem schützen möchten, was das Arbeitsfeld der Kirche ist. Diese Kreise mit einem eigenen Internet-Portal – es ist in Linz angesiedelt – wurden vom Sekretär des damaligen Papstes regelmässig zu einem Treffen eingeladen. Doch Peter Zurbriggen liess sich nicht ausbooten. Zumal er die Gläubigen und Kardinal Christoph Schönborn auf seiner Seite wusste.

Wie wurde Peter Zurbriggen zum Bischofsmacher in Feldkirch?

Werlen: Am 15. November 2011 nahm Papst Benedikt XVI. den Rücktritt von Bischof Elmar Fischer in Feldkirch an. Ich weiss aus sicherer Quelle, dass ein anderer Bischof vorgesehen war. Doch Peter Zurbriggen wusste das zu verhindern.

2013 wurde Franziskus Papst – und Benno Elbs Bischof von Feldkirch. Auch die Diözese Innsbruck hat ihren Bischof Hermann Glettler dem Nuntius Peter Zurbriggen zu verdanken. Glettler ist ja Kunsthistoriker und schätzt den Dialog mit der zeitgenössischen Kunst, die Traditionalisten des Teufels ist, wie auch Reaktionen auf Kunstaktionen in Innsbruck immer wieder zeigen. 

Eigentlich stand Peter Zurbriggen Benedikt XVI. näher als Franziskus…

Werlen: Das würde ich nicht so sagen. Peter Zurbriggen wusste zu differenzieren. Das Foto, das Peter Zurbriggen zeigt, wie er ein Bienenhaus mit Weihrauch segnet, spricht Bände: Er liebte die traditionelle Liturgie und das katholische Drumherum – nicht nur zum Schutz vor den Bienen…

Und trotzdem wusste er, dass sich die Kirche mit Bischöfen, die sich nicht ins Leben im Heute wagen, keinen Gefallen tut. Peter Zurbriggen war sympathisch, offen, umgänglich, dialogfähig. So sollte nach seinem Verständnis auch ein Bischof sein. Und keiner, der sich abschottet und rückwärtsgewandt lebt.

«Ich werde seine Einschätzungen zur Kirche in Österreich vermissen.»

Woran werden Sie sich erinnern?

Werlen: An einen Walliser, der trotz aller Weltoffenheit seine Wurzeln gerne gepflegt hat. Ich habe ihn letztes Jahr im Wallis besucht. Ich werde die Gespräche mit ihm und vor allem seine Einschätzungen zur Kirche in Österreich vermissen.

Peter Zurbriggen warf Kardinal Marx «religiöse Correctness» vor, da dieser bei einem Besuch auf dem Tempelberg in Jerusalem sein Brustkreuz abgelegt hatte – aus Höflichkeit gegenüber muslimischen Gastgebern. War Zurbriggen ein unkonventioneller Diplomat?

Werlen: Da hat er meines Erachtens überreagiert. Das darf er auch. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass das äussere Zeichen des Kreuzes grosse Probleme auslösen und als Machtsymbol betrachtet werden kann – übrigens auch im Heiligen Land nicht nur von den Musliminnen und Muslimen. Dafür haben wir im Laufe der Geschichte leider Anlass genug geboten. Wichtiger als jede Äusserlichkeit ist, dass wir durch das Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung geprägt sind und so den Menschen begegnen.

Fahren Sie heute zur Abdankung ins Wallis?

Werlen: Das würde ich gerne – allerdings habe ich schon länger einen zweitägigen Begleittermin mit einer Führungspersönlichkeit aus dem Ausland vereinbart. Von daher bin ich mit dem Walliser hier in Österreich verbunden, wo er so segensreich gewirkt hat.

* Der Benediktiner Martin Werlen (60) war von 2001 bis 2013 Abt des Klosters Einsiedeln und des Klosters Fahr. Seit 2020 steht er der Propstei St. Gerold im Grossen Walsertal in Vorarlberg vor. Wie der verstorbene Vatikan-Diplomat Peter Zurbriggen stammt auch Martin Werlen aus dem Wallis. 

Das Requiem für Peter Zurbriggen beginnt am Montag, 5. September, um 10.15 Uhr in der Pfarrkirche Brig. Es gibt einen Livestream.


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https://www.kath.ch/newsd/martin-werlen-peter-zurbriggen-hat-traditionalistische-bischoefe-in-oesterreich-verhindert/