Der Theologe Daniel Kosch* würdigt den verstorbenen St. Galler Bischof Ivo Fürer als «kleinen Mann mit grossem Netzwerk» und zwar auch weltweit. Er habe als Kirchenrechtler Freiräume geöffnet.Ein Gastkommentar.
Bischof Ivo Fürer hat das Leben der katholischen Kirche in der Schweiz seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil massgeblich mitgeprägt. Um das zu würdigen, reichen meine Kenntnisse nicht aus. Aber Ivo Fürer bleibt mir in Erinnerung
als im fest schweizerischen Kirchenkontext verwurzelter und gleichzeitig mit der Kirche auf allen Kontinenten verbundener Kirchenmann;
als kleiner Mann mit einem grossen Netzwerk, der unterschiedlichste Kontakte pflegte und für seine Arbeit fruchtbar machte;
als Verantwortungsträger, dessen Verhältnis zur kirchlichen Lehre und Disziplin von grosser Treue, aber auch von Klugheit und einer Schläue geprägt war, die es ihm erlaubten, zu Gunsten einer zeitgemässen Seelsorge Spielräume zu nutzen und zu erweitern;
als Befürworter des dualen Systems, der einerseits die Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung der Laien und eines leistungsfähigen Kirchenfinanzierungssystems schätzte und anderseits sehr darauf bedacht war, dass die staatskirchenrechtlichen Behörden seinen Zuständigkeitsbereich respektieren;
als patriarchal geprägter Amtsträger, dem jedoch sehr bewusst war, wie wichtig, ja unverzichtbar der Beitrag der Frauen und Laien zum kirchlichen Leben ist;
als Kirchenrechtler, der seine Kenntnisse nutzte, um Freiräume zu öffnen und nicht um Grenzen zu ziehen;
als mit führenden Kreisen in der Privatwirtschaft verbundener Kirchenvertreter, der sich energisch für eine solidarische Kirche und eine gerechtere Welt einsetzte;
als interessierter und informierter Beobachter kirchlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen, der sowohl die Chancen und Möglichkeiten als auch die Risiken und den Veränderungsbedarf für die Kirche erkannte.
Mit allem, was sein Leben und Wirken ausmachte, ist Bischof Ivo Fürer nun nach langer Krankheit in Gottes Ewigkeit eingegangen. Er ruhe in Frieden.
* Daniel Kosch ist promovierter Neutestamentler und Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ).
