LGBT-Tagung in der Paulus-Akademie: Queere Pfarrerin dankt der katholischen Kirche

«Ich bin zutiefst berührt, wie wohlwollend uns die römisch-katholische Kirche unterstützt», sagt die queere Pfarrerin Priscilla Schwendimann. Bei einer europäischen LGBT-Tagung in Zürich geht’s auch um Exegese: «Wir lassen uns nicht abschrecken von Menschen, welche die Bibel gegen uns verwenden.»

Eva Meienberg

Sie sind Mitorganisatorin der Jahrestagung des Europäischen Forums Christlicher LGBT-Organisationen. Auf welche Programmpunkte freuen Sie sich besonders?

Priscilla Schwendimann*: Auf das Wiedersehen nach über drei Jahren Zwangspause wegen Corona. Auf den Austausch, das Lachen, das Weinen und das Anteilnehmen am Leben des Gegenübers. Besonders freue ich mich auf die Workshops, bei denen ich immer so viel lerne über andere Denominationen und deren Ansätze. Und natürlich auf das gemeinsame Feiern des Gottesdienstes – der ist für mich immer ein absolutes Highlight!

Welche Funktion haben Sie genau?

Schwendimann: Ich bin im Organisationskomitee des Vereins, der die Tagung in der Schweiz veranstaltet. Ich bin für das Fundraising, die Medienarbeit und den öffentlichen Gottesdienst zuständig. Viele Teilnehmende kommen aus Ländern, die sich den Aufenthalt in der Schweiz nicht leisten können. Daher war von Anfang an klar, dass ein grösserer Teil der Tagungskosten fremdfinanziert werden muss. 

«Einzelne kommen aus Ländern, in denen ein Coming-out schwere Konsequenzen haben könnte.»

Warum ist das Tagungsprogramm nicht öffentlich?

Schwendimann: Es gibt Teile der Tagung, die sind komplett öffentlich: der Anlass «Christ:in und LGBT sein?» oder der Gottesdienst am Samstag im Grossmünster. Für den restlichen Teil der Tagung konnten sich die Teilnehmenden anmelden bis Ende April. Es handelt sich also nicht um eine geheime Tagung. 

Was uns am Herzen liegt, ist die Sicherheit unser Teilnehmenden. Einzelne kommen aus Ländern, in denen ein Coming-out schwere Konsequenzen haben könnte. Um sie zu schützen, ist zum Beispiel das Fotografieren untersagt und Medien haben nur begrenzt Zugang. Daher ist das Programm nicht öffentlich.

Sie haben 2019 die Tagung im englischen Canterbury besucht. Was ist Ihnen in Erinnerung geblieben?

Schwendimann: Ich habe an der Tagung viele verschiedene gläubige, queere Menschen kennengelernt. Was uns verbunden hat, war unser Glaube an Gott. Wir konnten uns gegenseitig unterstützen – etwa indem wir gemeinsam die Bibel ausgelegt haben. Wir haben uns die Texte angeeignet und uns darin bestärkt, dass wir uns nicht abschrecken lassen von Menschen, welche die Bibel gegen uns verwenden. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist einmalig.

Was haben Sie erfahren von queeren Menschen aus konservativen Ländern?

Schwendimann: Ich habe einen queeren polnischen Priester kennengelernt. Nach der Tagung habe ich erfahren, dass er verhaftet worden ist, weil er sich in einem Gottesdienst für die Rechte von LGBT eingesetzt hat. Das hat mich erschüttert. Ich freue mich so, dass wir den Teilnehmenden aus allen Ländern vermitteln können: Die Zürcher Kirchen heissen euch willkommen, so wie ihr seid. Was für ein Signal!

In der Schweiz haben wir vergleichsweise liberale Verhältnisse. Braucht es da überhaupt ein queeres Pfarramt oder die Regenbogenpastoral?

Schwendimann: Niemand würde beim Thema Armeeseelsorge oder Zirkusseelsorge auf die Idee kommen, dass es dieses nicht braucht. Solche Fragen lassen mich nachdenklich werden. Die Suizidrate bei queeren Jugendlichen ist nach wie vor bis zu fünfmal höher als bei Gleichaltrigen, die cis-hetero sind. Ein Outing ist bis heute mit Ängsten verbunden.

Wovor haben junge Menschen Angst?

Schwendimann: Ein Outing als queerer Mensch ist bis heute mit viel Stigmatisierung verbunden. Die negativen Reaktionen kommen nicht nur aus einem religiösen Umfeld. Aber die Kirchen haben einen ordentlichen Teil dazu beigetragen. Von daher: Ja, es braucht ein queeres Pfarramt. Nicht zuletzt darum, weil wir den Auftrag von Jesus erhalten haben, uns jenen zuzuwenden, die von der Gesellschaft verstossen werden. Leider ist das bei queeren Menschen nach wie vor der Fall. Ich freue mich auf den Tag, wenn dies nicht mehr so ist! Das European Forum ist ein guter Ort, um genau daran zu arbeiten.

* Priscilla Schwendimann lebt mit einer Frau zusammen – und arbeitet als reformierte Pfarrerin in Zürich. Hier leitet sie die das Pfarramt für die LGBTIQ*-Community.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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