«Gott hat den Urknall erschaffen» – Christian Höger über Gottesvorstellungen Jugendlicher

Professor Christian Höger (46) hat am an der Uni Luzern seine Antrittsvorlesung gehalten. Er referierte zur Schöpfungsthematik aus theologischer und naturwissenschaftlicher Sicht und nahm dabei die religiösen Lernprozesse von Kindern und Jugendlichen unter die Lupe.

Stephan Leimgruber*

Christian Höger stellte am Freitagabend an der Universität Luzern seine Habilitationsschrift vor – vor versammelter Prominenz aus Kirche und Universität. Das tat er anhand 38 Folien in völlig freier, souveräner und gewinnender Art und Weise und erntete dafür grossen Applaus. Der Referent ist Lehrstuhlinhaber des Fachs Religionspädagogik und Katechese sowie Leiter des Religionspädagogischen Instituts an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern.

Genesis und Darwin unter der Lupe

Zunächst referierte über die alttestamentlichen Schöpfungserzählungen im Buch Genesis und an weiteren biblischen Stellen. Dann legte er die naturwissenschaftlichen Theorien dar und bezog die Konzepte Darwins, des Kreationismus und der Urknalltheorie mit ein. Im französischen Jesuiten und Naturwissenschafter Pierre Teilhard de Chardin und in der Prozesstheologie ortete er verheissungsvolle interdisziplinäre Ansätze.

Diese Konzepte konfrontierte er mit den Sichtweisen der Schülerinnen und Schüler zur Schöpfung. Aufgrund einer empirischen Längsschnittuntersuchung von mehreren Jahren erkannte Professor Höger mehrere Veränderungen in den Schöpfungsvorstellungen der Jugendlichen und der Kinder. Demnach ist Gott nicht nur für den Anfang der Welt verantwortlich, sondern steht hinter der weitergehenden kontinuierlichen Erschaffung aller Dinge und Personen.

Dieses Ergebnis bringt Christian Höger sowohl im Titel der Antrittsvorlesung wie auch im Fazit seiner empirischen Forschungen zum Ausdruck: «Wir (gemeint sind die befragten Jugendlichen, SL) – denken, dass Gott den Urknall geschaffen hat.»

Schülerantworten sind vorläufig

Eine zukunftsgerichtete Didaktik sollte laut Höger die Adressaten in ihren Erfahrungen und Anschauungen abholen und deren Sprache sprechen. Sie sollte zwischen deren Schöpfungsvorstellungen aus dem Glauben und deren jeweiligen naturwissenschaftlich basierten Vorstellungen vermitteln. Dabei gelte es, die Vorläufigkeit von Schülerantworten nicht zu übersehen.

Als oberstes Gebot religiösen Lernens in Bezug auf die Schöpfung betrachtet Höger den Respekt vor der religiösen Einstellung der Jugendlichen. Die Religionsfreiheit und Freiwilligkeit der Lernenden gelte es an sämtlichen Lernorten zu wahren. Ein interdisziplinäres dialogisches Vorgehen sieht er durchgehend angezeigt.

Theologisches Suchen zum Thema «Schöpfung» sei mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen angesichts der Plausibilität naturwissenschaftlicher Urknalltheorie und Evolutionsvorstellungen nur im Dialog mit diesen durchzuführen.

Habilitiert in Freiburg im Breisgau

Christian Höger wurde im Herbst 2021 als Professor für Religionspädagogik und Katechese an die Universität Luzern berufen, nachdem er 2019 von der Theologischen Fakultät Freiburg im Breisgau habilitiert wurde. Die beiden (positiven) Gutachten erstellten die Professorin Mirjam Schambeck und der Schweizer Religionspädagoge in Salzburg, Toni Bucher.

Der Schöpfungsthematik aus theologischer und religionspädagogischer Sicht hat der studierte Theologe und Pädagoge bereits vier Bücher gewidmet und an die zwanzig wissenschaftliche Beiträge. Er gilt als Spezialist ersten Ranges in dieser Problematik, die alle drei abrahamitischen Religionen für zentral einschätzen, nicht zuletzt betreffend Gottesbild.

Ein Empiriker der Religionspädagogik

Der Wissenschafter hat sich ferner in Fragen der Kinder- und Jugendtheologie ausgewiesen und mit der Professionalität der Religionslehrerinnen und -lehrern auseinandergesetzt. Er steht für empirische Religionspädagogik. Diese hat er bei seinem empirisch arbeitenden Lehrer Hans-Georg Ziebertz an der Universität Würzburg gelernt und entwickelt sie nun selbstständig weiter.

Christian Höger stammt aus dem Bistum Eichstätt. An der Universität Luzern ist er Nachfolger von zwei Frauen: von Professorin Dr. phil. Monika Jakobs, die zwanzig Jahre lang diese Aufgabe betraute, sich aber mit 60 frühpensionieren liess, und von Professorin Helga Kohler-Spiegel, die bereits nach wenigen Monaten bei Bischof Koch um Entpflichtung von der Stelle bat. Offenbar handelt es sich um keine leichte, aber eminent bedeutsame Stelle an der Universität wie auch am RPI.

Bereit für die Kirche Schweiz

Christian Höger ist bereit, sich in die Bereiche der Katechese und der Vorbereitung auf die Sakramente im schweizerischen Kontext einzuarbeiten; er will sich überhaupt vermehrt auf die Schweizer Kirche mit ihren spezifischen Strukturen einlassen. Seine Kostprobe der Antrittsvorlesung war überzeugend. Ebenso überzeugend war seine kürzliche Predigt in der Jesuitenkirche.

Religionspädagogik und Zukunft der Kirche

Das Fach Religionspädagogik ist eine interdisziplinäre, empirisch gestützte Verbundwissenschaft des religiösen Lernens entlang des Lebenslaufs. Sie liegt in der aktuellen Forschung an der Schnittstelle von Theologie und Humanwissenschaften. Das Fach nimmt eine Schlüsselstellung ein. Religionspädagogik und Katechese sind auch für die Zukunft der Kirche massgebend, weil sie die Frage der Tradierung des Glaubens im modernen Kontext direkt angehen.

*Stephan Leimgruber (73) ist emeritierter Professor für Religionspädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Priester des Bistums Basel.

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/gott-hat-den-urknall-erschaffen-christian-hoeger-ueber-gottesvorstellungen-jugendlicher/