Nach der Predigt ermordet: Der Heilige Fidelis bleibt im Prättigau eine umstrittene Figur

Er kam mit österreichischen Soldaten ins Bündnerland und wollte die Menschen zum katholischen Glauben zurückführen. Das ging schief: Fidelis von Sigmaringen (1578–1622) bezahlte mit dem Leben. Heute jährt sich sein Tod zum 400. Mal. Bischof Joseph Bonnemain feiert eine Messe in Sigmaringen.

Barbara Ludwig

Das Dorf Seewis liegt im Bündner Tal Prättigau, dessen Bewohner im Verlauf des 16. Jahrhunderts den reformierten Glauben annahmen. Seewis ist auch der Ort, an dem der katholische Ordensmann Fidelis von Sigmaringen am 24. April 1622 in der Pfarrkirche eine Predigt hielt. Sein Ziel: Die reformierten Bündner zu einer Rückkehr zum katholischen Glauben zu bewegen. 1621 waren österreichische Truppen ins Land eingefallen, die Prättigauer wieder zu habsburgischen Untertanen geworden, die nun nicht mehr reformiert sein durften.

Ein Schuss auf die Kanzel?

Der Kapuziner überlebte diesen Tag nicht: «Die Geschichte erzählt von einem Schuss auf die Kanzel, was Fidelis dazu bewegte, die Kirche durch den Hintereingang zu verlassen. Nach einigen Metern wurde er eingeholt und musste sterben. An dem Ort liegt heute der Fidelis-Brunnen», sagt Lars Gschwend. Gschwend ist Gemeindekoordinator der katholischen Pfarrei Vorder- und Mittelprättigau.

Wer genau ihn umgebracht hat, ist laut Lars Gschwend ungewiss. Es gebe verschiedene Überlieferungen. «Was wir aber mit Sicherheit sagen können: Fidelis wurde nur dank seines Todes in Seewis zum Märtyrer und Heiligen.» Es sei «selbsterklärend», dass in vielen katholischen Biographien von «wutentbrannten Rebellen oder blutdürstigen Bestien» gesprochen werde.

«Sein Auftrag war auch politisch. Österreich-Habsburg wollte das Gebiet wieder unter seine Kontrolle bringen.»

Im Prättigau, wo die Katholiken noch heute in der Diaspora leben, werde der Heilige aber nicht verehrt, sagt Gschwend. Es gebe auch keine Bräuche im Zusammenhang mit ihm. «Fidelis ist hierzulande noch immer eine umstrittene Persönlichkeit.» Der Ordensmann sei der Überzeugung gewesen, die Menschen durch die Rückkehr zum katholischen Glauben auch «von der Hölle zu bewahren».

Der Gemeindekoordinator versteht, dass sich die Bündner damals gegen die Missionierungsversuche von Fidelis wehrten: «Sein Auftrag war eben auch politisch. Österreich-Habsburg wollte das Gebiet wieder unter seine Kontrolle bringen.»

Katholiken planten grosse Wallfahrtskirche

Noch vor etwas mehr als 100 Jahren gab es laut Gschwend in Seewis Streit zwischen Katholiken und Reformierten wegen Fidelis. Um das Jahr 1900 hätten die Katholiken eine Wallfahrtsstätte errichten wollen und unter der Hand ein Stück Land im Dorf gekauft. «Geplant war eine grosse Kirche, direkt unterhalb der reformierten Kirche.» Wäre sie gebaut worden, wäre das durch die reformierte Kirche geprägte Dorfbild verändert worden. «So weit kam es dann aber nicht. Die Katholiken bauten eine Kirche im Tal», berichtet Gschwend.

Aus der Geschichte lernen

Die Zeiten haben sich gewandelt. Das Jubiläum zum 400. Todestag von Fidelis begehen Katholiken und Reformierte gemeinsam. Für Gschwend ist dies «das beste Beispiel, dass die Ökumene heute gut funktioniert». Das Organisationsteam in Seewis sei breit aufgestellt. Involviert sind die beiden Konfessionen, die politische Gemeinde, der Kurverein sowie der regionale Tourismusverein. «Wir können aus der Geschichte lernen. Wir verehren Fidelis nicht, sondern arbeiten anhand seiner Person die Geschichte auf», sagt Gschwend.

Die Jubiläumsfeierlichkeiten haben bereits vor dem 24. April begonnen. Und zwar in Seewis mit einem Versöhnungsgottesdienst in der reformierten Kirche. An dieser nahm auch der Bischof von Chur teil, Joseph Bonnemain.

Festgottesdienste am 24. April in Sigmaringen und Feldkirch

Am Todestag von Fidelis seien in Seewis bewusst keine Aktivitäten geplant, sagt Gschwend. Denn an diesem Tag finden im deutschen Sigmaringen, dem Geburtsort von Fidelis, und im österreichischen Feldkirch, seinem Wirkungsort, Festgottesdienste statt. Der Kapuzinerpater ist Patron beider Städte. In Sigmaringen wird Joseph Bonnemain dem Festgottesdienst vorstehen.


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