Junge Theologin beim Bistumsjubiläum: «Für mich ist die Zukunft der Kirche selbstbewusst»

Die Kirche muss zu den Menschen gehen und gemeinsam mit ihnen Kirche gestalten. An einem Podium haben Bischof Markus Büchel, die Theologin Elena Furrer, Administrationsratspräsident Raphael Kühne und die Diakonie-Fachfrau Dolores Waser Balmer über die Zukunft ihres Bistums diskutiert. Kontroversen gab es zum Thema «Geld».

Barbara Ludwig

Mit dem Lied «Happy birthday» haben Kinder der Domsingschule dem Bistum St. Gallen zum 175. Geburtstag gratuliert. Es war die Einstimmung ins Podiumsgespräch zum Abschluss der Festakademie, mit der am Freitag die Gründung der Diözese St. Gallen gefeiert wurde. Die Kinder klatschten dazu in die Hände, brachten Rhythmus, Bewegung und Leben in die Schutzengelkapelle in St. Gallen. Das passte ganz gut zum Thema der abendlichen Diskussion über die Zukunft der Kirche, die von Norbert Bischofberger, Redaktor beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF, moderiert wurde.

Botschaft muss lebensrelevant sein

Für den St. Galler Bischof Markus Büchel hat die Kirche auch in Zukunft Chancen, wenn sie es schafft, Gott ins Spiel zu bringen. Die Zukunft der Kirche liege in den Menschen, sagte er. «Die Menschen müssen spüren, dass unsere Botschaft auch im Leben wichtig ist.» Kirche sollte deshalb aus dieser Botschaft heraus gestaltet werden.

Profis sollen sich zurücknehmen

Dolores Waser Balmer ist Leiterin Diakonieanimation des Hilfswerks Caritas St. Gallen-Appenzell. Sie findet es wichtig, dass «wir (als Kirche) dort sind, wo es uns braucht». Damit könne die Kirche jetzt schon punkten, ist sie überzeugt. Sie plädierte dafür, dass die hauptamtlich Tätigen den Freiwilligen mehr Raum geben sollten. «Wir müssen lernen, als Profis einen Schritt zurückzutreten. Wir müssen da sein und unterstützen.» Sie erlebe viele Freiwillige, die sich mit guten Ideen einbringen wollen.

«Die Kirche muss wegkommen von ihrer demütigen Haltung.»

Elena Furrer, Theologin

Elena Furrer überraschte mit einem erfrischend-kritischen Votum. «Für mich ist die Zukunft der Kirche selbstbewusst», sagte die junge Theologin. «Die Kirche muss wegkommen von ihrer demütigen Haltung.» Furrer ist Gründerin und Co-Leiterin des Zukunftsprozesses «Churching», der versucht, junge Menschen für die Kirche zu gewinnen. Die Kirche habe dann eine Chance, wenn sie rausgeht und mit den Menschen spricht, «statt immer nur mit sich selber».

Weltkulturerbe? – nein danke

Norbert Bischofsberger outete sich als Fan des St. Galler Stiftsbezirks, der zum Weltkulturerbe gehört. Als ehemaliger St. Galler sei er sehr stolz darauf. Von Furrer wollte er wissen: «Bedeutet den jungen Menschen das noch etwas?»

Sie antwortete ebenso unverblümt wie schlicht: «Nein.» Wer die jungen Menschen für sich gewinnen möchte, müsse sie nach ihren Bedürfnissen fragen. «Man muss auf sie zugehen und sich der Realität stellen», auch wenn dies aufwendig und mühsam sei. Anschliessend gelte es, «einzuhaken bei den wenigen, die etwas wollen», um dann gemeinsam mit ihnen etwas zu gestalten. Was unbedingt zu vermeiden ist: ein Angebot für sie zu schaffen, das sie nur wieder zu konsumieren hätten. «Ihr habt ein Bedürfnis und wir arbeiten gemeinsam daran», lautet aus Sicht von Elena Furrer die Losung.

Volksnähe dank dualem System

Raphael Kühne ist Präsident des Administrationsrates, der Exekutive des St. Galler Konfessionsteils. Für ihn ist das duale System auch für die Zukunft der Kirche bedeutsam. «Es ist wichtig, dass die St. Galler Kirche den Weg des Einbezugs des Volkes Gottes weitergeht.» Das duale System sei «ein Garant» dafür und stelle sicher, dass man «volksnah» bleibe, zeigte sich Kühne überzeugt.

Hat die St. Galler Kirche zu viel Geld?

Moderator Bischofberger liess sich die Gelegenheit nicht nehmen, Kühne auf das fette Finanzpolster der St. Galler Kirche hinzuweisen: 70 Millionen Ertrag im Jahr 2020 und 2,3 Millionen Franken Überschuss. «Papst Franziskus sagt aber: Die Kirche darf nicht reich sein.»

Die Kirche sei reich aufgrund der Menschen, die sich in der Kirche engagierten, erwiderte der Präsident des Administrationsrats. Dann machte er darauf aufmerksam, dass die grossen Landeskirchen in wenigen Jahren wegen des Rückgangs ihrer Mitglieder eine Minderheit darstellten. Man müsse jetzt «froh» sein, dass sich der Konfessionsteil noch in einer solch guten finanziellen Situation befinde. Das erlaube, Rücklagen für seelsorgerliche Aufgaben zu bilden.

«Je weniger Geld, umso innovativer ist man.»

Elena Furrer, Theologin

Unterstützung erhielt Kühne vom Bischof. Das kleine Bistum St. Gallen leiste einen grossen finanziellen Beitrag für die katholische Kirche der Schweiz und ihre Institutionen, die zum Teil in St. Gallen angesiedelt seien, erklärte Büchel. Auch Dolores Waser Balmer hält es für einen Vorteil, dass noch genug Geld vorhanden ist. «Wir können relativ schnell aktiv werden. Das schätze ich», sagte die Fachfrau für Diakonie.

Die Finanzen war dann auch Thema in der Diskussion mit dem Publikum. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob volle Kassen Innovation verhindern oder nicht. Elena Furrer fand: «Je weniger Geld, umso innovativer ist man.» Dies gelinge etwa den Freikirchen, sagte die Theologin. Administrationsrat Kühne teilte diese Meinung nicht. Dort, wo Vertrauen herrsche zwischen den Akteuren der Kirche, sei auch Geld da für innovative Projekte. Ein Mann aus dem Publikum gab zu bedenken, man sei «nicht automatisch innovativ», bloss weil kein Geld vorhanden sei.


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/junge-theologin-beim-bistumsjubilaeum-fuer-mich-ist-die-zukunft-der-kirche-selbstbewusst/