«Manchmal tauchen Friedensengel auf»: Pierre Stutz’ neue Meditationen

«Merci la vie» sagt sich Pierre Stutz jeden Morgen. In seinem neuen Buch möchte er die Lesenden zum eigenen Leben, zum Staunen und Handeln ermutigen. Russlands Krieg gegen die Ukraine geben den Psalmen eine traurige Aktualität.

Jacqueline Straub

Pierre Stutz’ neues Buch enthält auch Friedensmeditationen. «Sie sind inspiriert von den biblischen Schreipsalmen und meinen Begegnungen mit syrischen Familien in Osnabrück, die darunter leiden, dass der Krieg in Syrien weitergeht», sagt der Schweizer Theologe. Russlands Krieg gegen die Ukraine geben den Psalmen eine traurige Aktualität:

«Beten ist nicht mehr das Bemühen, Gott zu erreichen, sondern das Aufatmen, schon in ihr/ihm zu sein», schreibt Pierre Stutz in seinem neuen Buch «Suchend bleibe ich ein Leben lang». In 150 kurzen Meditationen bringt er seine Lebenserfahrungen in Beziehung zum göttlichen «Du». 

Spirituelle Impulse aus dem Alltag

In der Pandemie, in der der Theologe auf sich selbst zurückgeworfen war, weil sämtliche Vorträge und Kurse abgesagt wurden, half ihm das intuitive Schreiben, seinem Alltag eine wichtige Struktur zu geben. «Schreiben ist für mich Lebenshilfe und Lebensbewältigung», sagt er.

Pierre Stutz’ spirituelle Impulse kommen mitten aus dem Alltag. Sie beziehen sich auf politische, weltwirtschaftliche und gesellschaftliche Themen. Stutz blickt in seinen Meditationen in die Wunden der Welt und sucht in ihnen nach heilenden Momenten. 

Unsere Hartherzigkeit aufweichen

Der Theologe nimmt Abschied von einem allmächtigen Gott, der uns Menschen alle Verantwortung abnimmt und in der die Menschheit nichts tun kann oder unternehmen muss: «Du wirst uns nicht helfen können // ohne unsere engagierte Mithilfe // es liegt längst an uns // mitzugestalten an einer humaneren Welt.»

In seinen 17 Jahren als katholischer Priester ist es Stutz schwer gefallen, vom allmächtigen Gott zu sprechen, «weil ich in der Lebensschule Jesu einem heruntergekommenen Gott begegne, der jegliches Machtgefälle zwischen uns Menschen aufhebt». Jede Person stehe in der Verantwortung, zu einer guten Welt beizutragen. Gott könne uns dabei aber helfen, «unsere Hartherzigkeit» aufzuweichen und durch uns Solidarität auszustrahlen, sagt Stutz.

Zurückkämpfen ins Leben

Der Autor scheut sich in seinen Gebeten auch nicht, tief in seine Seele zu blicken und dabei alle Emotionen anzuschauen, die ihm begegnen. Sei es Wut, Verletzungen aus Kindheitstagen, unterdrückte Emotionen, Selbstverleugnung, bedrückende Zweifel oder tiefsitzende Ängste. Für Stutz ist Schwäche nichts Schlimmes: «Meine Zerbrechlichkeit erzählt von Dir // lässt mich durchlässig werden für // Deinen heilenden Atemfluss // der mich mit Schöpfung, Kosmos verbindet».

Stutz gehörte als junger Mann einer Ordensgemeinschaft an und wurde dann Diözesanpriester im Bistum Basel. Jahrzehnte versteckte und unterdrückte er seine Homosexualität. Er erlitt ein Burnout, war schwer depressiv und hatte suizidale Gedanken – bis er sich outete und das Bistum Basel verlies. Diesen Schmerz und das Zurückkämpfen ins Leben verarbeitet er auch in einigen seiner Meditationen, die auch dem Leser helfen können, sich den eigenen inneren Kämpfen zu stellen und bestärkt aus ihnen hervorzugehen.

Staunen über das Geschenk des Lebens

Die Mediationen laden ein das eigene Leben, mit allen Höhen und Tiefen zu reflektieren, Brüche, Schwäche und Unstimmigkeiten anzunehmen und im eigenen Leben zu integrieren. Stutz geht es nicht darum, gegen diese Dunkelheit anzukämpfen, sondern bewusst mit ihnen zu leben und sich dadurch auch ein Stück weit mit ihnen zu versöhnen. Dass Gott die Hoffnung und der feste Halt in seinem Leben ist, wird durch die Zeilen des Theologen sehr deutlich.

«Merci la vie» sagt sich Pierre Stutz jeden Morgen. Damit drückt er sein alltägliches Staunen über das Geschenk des Lebens aus. Selbst an Tagen, an denen ihn schwere Ängste plagen, versucht er diese Worte auszusprechen. «In dieser Kurzformel meines Glaubens verdichte ich, dass ich mein Dasein einem liebend-göttlichen DU verdanke», sagt der Theologe.

Hoffnung auf das, was kommen mag

Das Buch macht Mut, das eigene Leben zu reflektieren und versöhnend auf das zu blicken, was in der Vergangenheit liegt und dem hoffungsvoll zu begegnen, was noch kommen mag. Selbst dann, wenn Kriege uns verzweifeln lassen:

  

Der Schweizer Theologe Pierre Stutz lebt in Osnabrück. Sein neues Buch «Suchend bleibe ich ein Leben lang» ist im Patmos-Verlag erschienen.


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