Reformierte Kirche sieht Übergriff durch Ex-Präsidenten bestätigt

Die Reformierten Kirchen stellen ihrem ehemaligen Präsidenten kein gutes Zeugnis aus: Gottfried Locher habe eine Mitarbeitende in ihrer sexuellen, psychischen und spirituellen Integrität verletzt.

Zu diesem Schluss kommt ein Untersuchungsbericht. Den Inhalt hat die von der Reformierten Kirche eingesetzte Untersuchungskommission am Mittwoch in Bern vorgestellt. Alle Elemente aus Anhörungen deuteten «in dieselbe Richtung», heisst es in dem Bericht. Die Aufarbeitung des Falls erfolgte im Rahmen einer administrativen Untersuchung.

Als Gottfried Locher 2011 Präsident der Evangelisch Reformierten Kirche Schweiz (EKS) wurde, galt er vielen als Hoffnungsträger. Dem charismatischen Theologen mit viel Selbstbewusstsein und gewandtem Auftreten wurde zugetraut, der protestantischen Kirche mehr Sichtbarkeit und ein klareres Profil zu verschaffen.

Provokante Äusserungen

Locher hielt denn auch nicht mit teilweise provokanten Äusserungen hinter dem Berg. Zunehmend stiess er damit aber auch in eigenen Reihen auf Kritik. Insbesondere irritierte viele, dass Locher auf eine starke Kirchenleitung pochte und dies auch in einer neuen Verfassung niederschreiben wollte. Kritiker warfen Locher Machtgehabe vor.

Auch wurde zunehmend Kritik an seinem Frauenbild laut, etwa als der oberste Protestant in einem Weltwoche-Artikel Bedenken zur «Feminisierung» in der Kirche äusserte.

In einem Buch äusserte sich Locher auch zu Sexualität und Prostitution. Für Anstoss sorgte seine Aussage: «Befriedigte Männer sind friedlichere Männer. Darum sage ich, wir sollten den Prostituierten dankbar sein. Sie tragen auf ihre Art etwas zum Frieden bei.»

Eine ehemalige Angestellte erhob gegen Locher Vorwürfe wegen «Grenzüberschreitungen». Was mit dem Begriff gemeint ist, wurde nie erklärt. Auch weitere Frauen erhoben ähnliche Vorwürfe.

Verhältnis mit Pfarrerin

2020 kam es im Leitungsgremium der Reformierten Kirchen zum abrupten Abgang von Pfarrerin Sabine Brändlin. Sie hatte offengelegt, mit Locher ein Verhältnis gehabt zu haben.

Locher sah hinter den Vorwürfen eine orchestrierte Kampagne gegen ihn. Mit PR-Beratern und Anwälten versuchte er lange, die Deutungshoheit des Geschehens zu behalten. Ende Mai 2020 trat Locher schliesslich zurück.

Neue oberste Protestantin wurde im November 2020 Pfarrerin Rita Famos. Sie hatte bereits 2018 erfolglos gegen Locher kandidiert. (sda)


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