Honorar von der Kirche kassieren, aber selbst nichts zahlen: Ist das in Ordnung?

Der ehemalige Bistumssprecher Giuseppe Gracia hat von Anfang an das duale System bekämpft, sagt Simon Spengler von der Zürcher Kantonalkirche. Nach Informationen von kath.ch soll Gracia weiterhin Honorar aus Kirchengeldern kassieren.

Raphael Rauch

Was sagen Sie zum mutmasslich partiellen Kirchenaustritt von Giuseppe Gracia?

Simon Spengler*: Wenn es ein partieller Kirchenaustritt wäre, müsste er die eingesparte Kirchensteuer direkt dem Bischof seiner Diözese St. Gallen zukommen lassen. Das tut er gemäss eigenen Angaben nicht, sondern will andere karitative Organisationen unterstützen.

Grundsätzlich bedauern wir jeden Austritt, weil so auch das soziale Engagement der Kirche und die finanzielle Basis für die Seelsorgearbeit geschwächt wird. Dass jemand, der jahrelang von kirchlichen Geldern gelebt hat, dieses Wirken der Kirche nicht mehr mittragen möchte, befremdet. Aber wir respektieren natürlich den Gewissensentscheid jedes Einzelnen.

«2500 Franken Honorar wären für kirchliche Verhältnisse sehr unüblich.»

Giuseppe Gracia ist in ein Projekt zum Turiner Grabtuch in Wädenswil ZH involviert – ebenso Bischof Joseph Bonnemain. Gracia soll ein grosszügiges Honorar bezahlt werden. Im Gespräch waren bis zu 2500 Franken. Die genaue Summe kennen wir nicht – Giuseppe Gracia schweigt. Honorar von der Kirche kassieren, aber selbst nichts zahlen: Ist das in Ordnung?

Spengler: Wenn es tatsächlich zutrifft, irritiert das sehr! Auch die Höhe des Honorars wäre für kirchliche Verhältnisse sehr unüblich. Zuständig dafür sind aber die örtliche Pfarrei und Kirchgemeinde.

Giuseppe Gracia macht schon länger Stimmung gegen die Bischöfe und das duale System. Was sagen Sie dazu?

Spengler: Giuseppe Gracia hat in seiner Funktion als Bischofssprecher von Anfang an gegen demokratisch legitimierte kirchliche Körperschaften polemisiert. Wir haben das immer sehr bedauert, aber das ist Geschichte. Heute gibt es in Chur eine neue Bistumsleitung, mit der wir sehr gut und partnerschaftlich zusammenarbeiten. Wir alle sind Kirche, nicht nur die eine oder die andere Seite des dualen Systems. Und wenn Macht und Verantwortung geteilt sind, kann das für die Kirche nur gut sein.

«Viele engagierte Menschen in den Kirchenpflegen investieren viel Zeit und Herzblut.»

Weil?

Spengler: In den Pfarreien werden die Seelsorgenden durch die Kirchenpflegen von vielen administrativen Aufgaben entlastet und können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, nämlich die Seelsorge. Viele engagierte Menschen in den Kirchenpflegen schenken dafür viel Zeit und Herzblut. Wir sind dankbar, dass die neue Bistumsleitung dieses kirchliche Engagement nicht nur anerkennt, sondern auch fördert.

Wie viele partielle Kirchenaustritte gibt es jedes Jahr im Kanton Zürich?

Spengler: In den letzten Jahren im Schnitt weniger als zehn. Die Einzahlungen auf das entsprechende Konto des Bischofs nehmen ebenfalls kaum zu.

* Simon Spengler ist Sprecher der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.


Raphael Kühne zu Gracias Austritt: «Ein Ausdruck fehlender Solidarität»

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https://www.kath.ch/newsd/honorar-von-der-kirche-kassieren-aber-selbst-nichts-zahlen-ist-das-in-ordnung/