Susanne Wille: Religion und Literatur bleiben für SRF wichtig

SRF-Kulturchefin Susanne Wille legt ein klares Bekenntnis für Religions- und Literaturformate ab – schliesst Entlassungen aber nicht aus. Starautor Lukas Bärfuss fürchtet, SRF opfere den Kulturauftrag. Schuld daran hätten aber auch Facebook und Co.

Eva Meienberg

Die Sparpläne von SRF haben hohe Wellen geworfen. SRF-Direktorin Nathalie Wappler hatte im September angekündigt, die beliebten Religionssendungen «Blickpunkt Religion» und «Zwischenhalt» zu streichen.

Über 3000 Unterschriften pro SRF Religion

Die Reaktion kam postwendend. Nathalie Wappler wurde scharf kritisiert, auch von kath.ch. Christen, Juden, Muslime und Aleviten reagierten mit einer Online-Petition. Sie sahen durch die Streichung den Konzessionsauftrag der SRG verletzt.

Über 3000 Menschen haben die Petition «Kahlschlag bei der Religion verhindern» unterschrieben. Später wurde bekannt: Es kommt noch dicker. Auch die Hälfte der beliebten Radiopredigten mit über 110’000 Zuhörern wird gestrichen.

Knapp 8200 Menschen setzen sich für «52 Beste Bücher» ein

Auch die Literatur ist von den Kürzungen betroffen. Die Traditionssendung «52 Beste Bücher» gibt es bald nicht mehr. Dagegen wehren sich knapp 8200 Menschen mit einer Unterschriftensammlung.

Am Freitagabend hatte SRF-Kulturchefin Susanne Wille die Aufgabe, das Sparprogramm zu verteidigen. Keine einfache Aufgabe für die Frau, die sich auch nach ihrer Zeit als «10 vor 10»-Moderatorin ihr perfektes Lächeln behalten hat.

Susanne Wille bleibt vage

Zum ersten Mal hat sie zu den Sparplänen des SRF an einer öffentlichen Veranstaltung Stellung genommen. «Exodus bei SRF – Zum Stellenwert von Religion, Literatur und Kultur im Service public» hiess das Podium, an dem Susanne Wille teilnahm. Eingeladen hatten die Paulus-Akademie und das Katholische Medienzentrum.

Susanne Wille kam mit dem Versprechen, die Fachredaktionen zu erhalten. Entlassungen schloss sie aber nicht aus. In welchem Ausmass, sagte sie aber nicht. Auch blieb sie vage, was künftige SRF-Formate über Religion und Literatur betrifft. Dafür sei es noch zu früh.

Susanne Wille: «Wir haben das gleiche Ziel»

Immer wieder beteuerte sie, dass mit kleinerem Budget ein ebenso gutes Programm gemacht werden könne. Auf die Frage von Moderator Raphael Rauch, warum sie erfolgreiche, kostengünstige Formate wie die Radio-Predigten oder die Literatursendung «52 Beste Bücher» kürze oder ganz streiche, konnte sie aber keine überzeugende Antwort geben.

Willes lächelnde Art kam bei einem Teil des Publikums gut an. Sie betonte: «Wir haben das gleiche Ziel.» Religion und Literatur blieben für SRF weiterhin wichtig. Sie freue sich über das Engagement für einen starken Kulturauftrag des Service public.

Bärfuss: Entsolidarisierung mit SRF

Der Starautor Lukas Bärfuss liess sich von Willes Optimismus aber nicht beeindrucken. Vergeblich versuchte er, die Diskussion auf eine politische Ebene zu heben. Ein guter Teil der 70 Millionen, die SRF fehlten, sei ins Silicon Valley geflossen.

Bärfuss will darum eine gesamtgesellschaftliche Debatte über den Geldabfluss und über die Frage anregen, wieviel sich Herr und Frau Schweizer ihr SRF kosten lassen wollten.

Persönlich stelle er bei sich eine «Entsolidarisierung» zu SRF fest. Immer mehr greife er auf internationale Formate zurück, deren Qualität ihn mehr überzeugten. Gleichwohl sei er bereit, sich für höhere Rundfunk-Gebühren oder Subventionen vom Bund zu engagieren.

Bärfuss: Wille hätte eine Untergrenze nennen müssen

Nach der Diskussion beschwerte sich Bärfuss über Susanne Wille. Von einer SRF-Kulturchefin würde er erwarten, dass sie rote Linien markiere. «Man kann nicht ewig kürzen. Irgendwann gibt es eine Untergrenze, unter die man nicht mehr gehen kann.» Von Susanne Wille hätte er das Bekenntnis erwartet: «Wenn das eintritt, dann trete ich zurück.»

Tanja Messerli vom Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband mochte Willes Optimismus ebenfalls nicht teilen. Messerli wies darauf hin, dass die neuen Formate partizipativ erarbeitet werden sollten. Die Fachredaktionen könnten ohne Einbezug der Zielgruppen nicht wissen, was diese bräuchten.

«Bei Religionsthemen zu sparen, ist dumm»

Über die Petition zum Erhalt von «52 Beste Bücher» hat Messerli viele Reaktionen erhalten. Mit der Sendung verschwinde für viele eine liebgewonnene Gewohnheit und eine verbindende Tradition.

Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts, sieht mit der Entkirchlichung der Religion ein Gefahrenpotenzial. Religionen würden wild, neureligiöse Bewegungen wie QAnon müssten beobachtet und kommentiert werden. Diese Aufgabe könne die SRG im Rahmen des Service public übernehmen. Dafür brauche es Fachleute. Bei Religionsthemen zu sparen, findet der Kirchenstatistiker deshalb nach wie vor «dumm».

Professor vermisst publizistische Strategie

Mark Eisenegger, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich, fordert schon länger eine konsequente digitale Transformation. Er vermisse beim SRF hierzu eine klare publizistische Strategie.

Auch müssten die User vermehrt auf die Plattformen von SRF geholt werden. Es sei noch nichts gewonnen, wenn diese über Instagram oder Facebook erreicht würden. Das viel genannte Argument der Reichweite wollte er relativieren: Das Publikum differenziere sich immer weiter aus in Communities. SRF müsse darauf mit einem diversifizierten Programm antworten. Reine Reichweitenorientierung ginge zu lasten der Qualität, findet Eisenegger.

SRF sollte von Papst Franziskus lernen

Priscilla Schwendimann, reformierte Pfarrerin, und Claude Bachmann, katholischer Theologe und Blogger, waren auf dem Podium im «Team Wille», wie kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch bemerkte.

Sie unterstützen den Aufbau von neuen, jungen Formaten. Schwendimann sagte zu Lukas Bärfuss, als junge Nutzerin hätte sie mit den vorhandenen Programmen gar nie die Möglichkeit bekommen, sich mit SRF zu solidarisieren.

Niemand auf dem Podium hätte Susanne Willes Posten übernehmen wollen, am wenigsten Lukas Bärfuss, der den Sparkurs auf keinen Fall verantworten wolle.

Messerli würde als Kulturchefin die Praktikumsplätze verdoppeln, um die Redaktionen zu verjüngen und partizipativ neue Formate zu erarbeiten. Raphael Rauch empfahl Susanne Wille, von Papst Franziskus’ Sowohl-als-auch-Politik zu lernen: «Man könnte doch ’52 Beste Bücher’ behalten, aber auch für Snap-Chat aufbereiten.»

Hier ist die Diskussion auf YouTube zu sehen.


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https://www.kath.ch/newsd/susanne-wille-religion-und-literatur-bleiben-fuer-srf-wichtig/