Weihnachten kann nicht einfach ausfallen

Alle warten gespannt auf die für Mittwoch angekündigten neuen Corona-Massnahmen des Bundesrats. Und was macht die Kirche? Fachleute haben am Montag gesammelt, was zu tun wäre – und getan werden kann.

Martin Spilker

Kommt ein neuer Lockdown? Können Gottesdienste weiterhin stattfinden? Was passiert an Weihnachten, wenn überall viel mehr Leute als sonst in die Kirche gehen? Dieses Fest aber, das wurde immer wieder deutlich, darf nicht «ausfallen», so wie es an Ostern geschah.

Die Kirche ist nur sehr begrenzt krisenfest

In einer virtuellen Tagung trafen sich Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie Fachleute kirchlicher Organisationen aus allen Landesteilen. Sie setzten sich mit den bisher gemachten Corona-Erfahrungen in der Seelsorge auseinander. Klar wude: Die katholische Kirche, so wie sie aufgestellt ist, ist nur sehr begrenzt krisenfest.

Kirche heisst nicht nur Gottesdienste

Vielerorts wurde allerdings schnell reagiert. Durch individuelle Angebote konnten auch Personen über die bekannte Sonntagsgemeinde hinaus angesprochen werden. Andernorts wurde mit meist improvisierten Livestreams aus Kirchen experimentiert, die teils auch als sehr verunglückt bezeichnet werden mussten.

Auch wenn aktuell landauf, landab die maximale Zahl der Gottesdienstbesucher geregelt wird und Schlagzeilen macht, so wurde mehr als deutlich: Kirche heisst nicht nur, Liturgie in der Kirche feiern.

«Solche Formen erfordern eine Gebetskultur, die den Menschen bereits bekannt ist.»

Peter Spichtig

Berichtet wurde von Telefonaktionen, in denen Pfarreiangehörige Seniorinnen und Senioren angerufen und sich ausgetauscht haben. Von Jugendlichen aus Jungwacht Blauring, die zusammen mit der offenen Jugendarbeit einer Gemeinde Einkäufe für Leute aus Risikogruppen organisiert haben. Oder auch über Gebete, die zeitgleich in der Pfarrei und bei Gemeindemitgliedern zuhause stattfanden. Peter Spichtig, Leiter des Liturgischen Instituts, schränkte aber gleich ein: «Solche Formen sind gut angekommen. Aber sie erfordern eine Gebetskultur, die den Menschen bereits bekannt ist.»

Spontane Aktionen – bleiben sie erhalten?

Grundsätzlich wurde festgestellt, dass dort, wo Netzwerke auch über Pfarreien hinaus bestehen, viel rascher reagiert werden konnte. Durch die Krise und die offensichtlichen Anforderungen liessen sich auch Personen für Engagements in den Pfarreien gewinnen, die sich von der Kirche entfernt haben.

Renata Asal-Steger, Präsidentin der Römisch-katholischen Zentralkonferenz und des Vereins kirchliche Gassenarbeit Luzern, sieht die Coronakrise für die Kirche auch als «Chance, Aufmerksamkeit zu wecken – über die Gottesdienste hinaus».

«Was brauchen die Leute?»

Monika Hungerbühler

Doch wird es gelingen, die Menschen, die sich spontan bei Mitmachaktionen beteiligt haben, auch künftig anzusprechen? Monika Hungerbühler, Seelsorgerin und Publizistin, ging diesen Punkt von einer anderen Seite an: «Was brauchen die Leute?»

Damit meinte sie nicht allein die Bedürfnisse der Menschen, die durch Corona Einschränkungen erfahren müssen. Sie denkt auch an Menschen, die grundsätzlich zu einem Engagement im breiten Feld der Kirche interessiert wären, diese aber schlicht nicht kennen.

Aus den Erfahrungen lernen – und weiterdenken

Die Tagung zeigte auch schonungslos auf, was in der Krise nicht funktioniert hat. So wurden beispielsweise Wortmeldungen der Bischöfe auf nationaler Ebene vermisst. Hier wurde konkret darauf hingewiesen, dass es auch eine Führungsaufgabe sei, sich für Krisen zu rüsten. «Eine Stellungnahme kann vorbereitet, ein Krisenmanagement eingeübt werden», sagte Luc Humbel, Präsident des Kirchenrats der Römisch-Katholischen Landeskirche des Kantons Aargau.

«Die Kirche hätte vieles zu sagen.»

Tatjana Disteli

Es brauche aber auch den Willen, das zu tun, sagte Tatjana Disteli, Mitarbeiterin der Katholischen Kirche im Kanton Zürich: «Die Kirche dreht sich in der Wahrnehmung von aussen um die eigene Achse, dabei gäbe es vieles zu sagen.» Das gelte gerade in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen von der Kirche abwenden. Hier gelte es bestehende Netzwerke zu pflegen – auch zu nichtkirchlichen Organisationen, wie es am Beispiel der Zusammenarbeit mit Pro Senectute erwähnt wurde.

Gläubige an ihre Verantwortung erinnern

Wo Netzwerke über die Kirchenmauern hinaus aber nicht bestehen, so sei es die Aufgabe der Verantwortlichen auf Pfarrei-, Landeskirche-, Bistums- oder nationaler Ebene, solche zu errichten oder sich Zugang dazu zu verschaffen. Markus Büchel, Bischof von St. Gallen, und Abt Urban Federer von Einsiedeln sind beide Mitglied der Bischofskonferenz. Sie haben die Tagung verfolgt und solche Voten gehört.

Die Verantwortung nur an «die oberen Ebenen» zu delegieren, das aber lag den Tagungsteilnehmern fern. Die ausserordentliche Situation habe deutlich gemacht: Alle in der Kirche Engagierten sind gefordert. Es gelte eine Sicht von Kirche zu vermitteln, die über das priesterzentrierte Bild der Sonntagsgottesdienste hinausweise.

«Christ sein bedeutet mehr, als einen Gottesdienst zu besuchen.»

Jean Glasson

Soziales Engagement, Jugendarbeit, Religionsunterricht, neue Gebetsformen seien ein Teil des weiten Feldes kirchlicher Aufgaben. Diese gehörten auch in den öffentlichen Fokus gerückt, nicht nur Zulassungsbeschränkungen für Sonntagsgottesdienste. Oder, wie es Jean Glasson, Bischofsvikar der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg, prägnant sagte: «Wir haben hier die Möglichkeit, die Gläubigen an ihre Verantwortung zu erinnern, dass Christ sein mehr bedeutet, als einen Gottesdienst zu besuchen.»

Die Tagung «Corona und Kirche. Krisenbewältigung, Lernerfahrung und Kirchenentwicklung» wurde vom Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut St. Gallen und dem Pastoralinstitut der Theologischen Hochschule Chur veranstaltet.


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