Wie Malen heilen und verwandeln kann

«Farfalla», Schmetterling, Sinnbild der Verwandlung: Das ist der Künstlername von Andrea Roder. Sie malt und schreibt und freut sich, wenn andere das auch tun. Das Wort spirituell hält sie für verbraucht. Aber sie ist überzeugt: Kunst kann verwandeln.

Martin Spilker

Es ist hell im Atelier «Wortfarben» in Unterägeri im Kanton Zug. Die grossen Fenster bieten einen weiten Einblick in das Schaffen der Malerin.

«Einfach nur glücklich»

Seit drei Jahren hat Andrea Roder ihr Atelier ausserhalb von zu Hause. In diesen Räumen ist sie einfach nur glücklich. Das Atelier «Wortfarben», das ist der Ort, wo viele von Andrea Roders Bildern entstehen.

Vor kurzem ist ein Teil eines Bildes von Andrea Roder im Pfarreiblatt Zug erschienen. Es ist ein Ausschnitt aus dem Bild «Der Leuchtturm und die Schutzmaske». Dazu hat die Redaktion auch gleich ein Gedicht der Künstlerin gestellt. Denn auch Texte gehören zu den Leidenschaften von Andrea Roder.

«Ein Leuchtturm ist dazu da, die Schiffe
sicher durch den Sturm zu führen.
Dank seinem Licht
zeigt sich im Dunkeln ein Weg.
Das Licht und diese Liebe sind es,
die durch einen Menschen fliessen
und von Herz zu Herz
weitergereicht werden.»

Kunst braucht Zeit. Mit einem Werk wie diesem, sei sie lange beschäftigt gewesen, erklärt sie gegenüber kath.ch. Da könne es gut vorkommen, dass das ganze Bild mehr als einmal übermalt werde. «Aber einmal ist es fertig. Und dann muss es raus», sagt Roder.

Zur Auseinandersetzung freigeben

Damit meint sie nicht allein, dass sie mehr Platz im Atelier benötigt. Aber Werke sollen wirken. Die Auseinandersetzung mit ihren Gemälden ist für Andrea Roder genauso entscheidend, wie der eigene künstlerische Prozess.

Dabei gibt es für sie kein richtig oder falsch. «Wenn Sie in diesem Bild etwas anderes sehen als ich, dann kann und will ich das nicht ändern», sagt Andrea Roder. Immer wieder ist sie beeindruckt, wie vielfältig die Eindrücke zu ihren Werken sind.

Ein Bild kann sich verändern

Doch wie geht sie selbst an ein neues Bild heran? «Ich habe keinen Plan», sagt Roder unumwunden. Wenn es sich nicht um einen Auftrag mit Termin handle, könne sich die Arbeit an einem Werk über Wochen hinziehen. Und sich dabei stark verändern.

«Kannst du nicht einmal etwas Schönes malen?»

Bekannter von Andera Roder

Andrea Roder wird manchmal vorgehalten, sie provoziere mit ihren Bildern, oder sie solle doch «einmal etwas Schönes» malen. Das mag an den gewählten Farben liegen oder daran, sie sich nicht scheut, belastende Situationen zu zeigen.

Die 45-Jährige nimmt solche Rückmeldungen nicht auf die leichte Schulter. Aber sie hält dem auch entgegen: «Ein Betrachter kann in meinem Bild nur das Erkennen, was er auch in sich selbst trägt.»

Genau so geht es ihr mit Rückmeldungen zu Schwere oder Leichtigkeit ihrer Bilder. Manchmal werde sie zu einem Bild gefragt, ob es ihr gut gehe. Andere Leute beglückwünschen sie zur Fröhlichkeit, die von einem Werk ausgehe. Andrea Roder spricht gerne über ihre Werke – sofern sie dazu gefragt wird. «Meine Tür zum Atelier steht offen. Wenn ich da bin, so lässt es sich rasch ins Gespräch kommen.»

Zufriedenheit und Heil

Wie auch immer ihre Werke eingeordnet werden: Für Andrea Roder stehen Freude und Zufriedenheit im Vordergrund. Sie spricht gar von Heil und Heilung, die sich bei ihr während dem Malen einstellen.

Solche Prozesse stellt sie auch bei den Leuten fest, die in ihr Atelier kommen. Sie begleitet diese ohne therapeutischen Anspruch. «Das erwartet auch niemand. Aber ich kann mich gut auf das einlassen, was hier geschieht»,  so die Malerin.

Eine spirituelle Malerin?

Ist aber jemand, der Bilder macht, die mal provozieren, mal sehr stak berühren, grundsätzlich eine spirituelle Person? Andrea Roder würde sich selbst nicht als spirituell bezeichnen. Nicht zuletzt, da sie den Begriff inzwischen als «unrein» erlebt: Er werde viel zu häufig, viel zu viel und für alles und jedes Ding verwendet. Allerdings könne jedes Lebewesen «nicht nicht spirituell sein».

Gemeinsam verbrachten Momenten misst sie eine sehr hohe Bedeutung bei. Die Kirche übernehme hier eine wichtige Rolle, sagt Roder. Doch brauche es dafür nicht unbedingt einen religiösen Rahmen. «Wenn Menschen sich miteinander Zeit nehmen, dies sogar regelmässig, hat das für mich den gleichen Stellenwert wie ein Gottesdienst.»

Glaube an eine tragende Kraft

So kommt Roder auch zur Haltung, dass der Mensch nicht nicht glauben könne: «Zumindest glaubt er daran, nichts zu glauben.»

Und wie hält sie es mit dem Glauben? Andrea Roder zögert nicht lange und liest eine Passage aus ihrem Buch «Die Perlentränen» vor: «Ich glaube an eine Kraft die mich trägt, auch wenn alles im Aussen weg bricht, bin ich geborgen, gehalten und geführt. Ich habe in mir diesen Raum, wo Zauber sich entfaltet, wo Heilung passiert. In diesen schweigenden Tiefen liegt das wissende Element, der goldene Funke, der göttliche Kern.»

Die Botschaft hinausschicken

Ihre eigene künstlerische Arbeit bezeichnet sie nicht als besonders spirituell. Malen und Schreiben unterscheide sich vielleicht darin, dass sie sich mehr Zeit und Ruhe nimmt. Der Unterschied gegenüber anderen Tätigkeiten kommt danach.

«Ich möchte, dass die Leute in meinen Werken Halt finden können.»

Andrea Roder

Gerade am Beispiel des «Leuchtturm»-Bildes hatte sie das grosse Bedürfnis, dieses hinaus zu schicken. «Ich möchte, dass die Leute in meinen Werken Halt finden können», sagt Andrea Roder.

Und wenn sie selbst verunsichert ist, den Halt verloren hat? Wie und wo findet sie ihn wieder? «Auch in meinen Bildern, die bedeuten mir so viel», so die Malerin. Die erinnern sie daran, wer sie ist. «Wenn ich den Halt verliere, führt der Weg immer vom Dunkel der Verzweiflung ins Licht des Vertrauens.»


Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.kath.ch/newsd/wie-malen-heilen-und-verwandeln-kann/