Kontroverse um «Mission Manifest» mündet in Zuhören

Freiburg, 14.12.18 (kath.ch) Gemeinsam um das Verständnis von Mission ringen. Das war das Anliegen der Tagung zum «Mission Manifest» (MM) am Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft der Universität Freiburg. Sichtbar wurde dieses Ringen auf dem Podium, an dem Initianten, Unterzeichner und Kritikerinnen sprachen. Es mündete in die Aussage, missionarisch zu sein, bedeute hinzuhören.  

Sylvia Stam

Rund 230 Teilnehmende, darunter Katholikinnen und Katholiken aller Schattierungen, hatten sich am 12. Dezember in der Aula Magna der Universität Freiburg eingefunden. Auf dem lebhaft und kontrovers geführten Podium prallten vor allem die Kritik von Gunda Werner, Professorin für Dogmatik an der Universität Graz, und die Sicht des Theologen und MM-Initianten Johannes Hartl aufeinander.

Wie weit ihre Positionen auseinander liegen, wurde gleich zu Beginn durch einen Moment der Stille deutlich: Auf die Frage des Moderators Gregor Emmenegger, Privatdozent für Patristik und Alte Kirchengeschichte an der Universität Freiburg, ob sie auch ein gutes Anliegen im MM erkenne, schwieg Gunda Werner zuerst.

Missionsbedürftige Welt?

Grund dafür, dass ihr die Antwort schwer falle, sei die Sprache des Manifests. «Ich stosse mich aber auch an den Deutungen und der Deutungshoheit», sagte Werner. Im vorangegangenen Referat hatte sie kritisiert, das MM werte die heutige Welt als «missionsbedürftig» ab. Das Manifest zeichne ein Bedrohungsszenario des Zerfalls, sie aber sehe kein solches.

 

Ob es denn für sie kein Problem sei, wenn eines Tages keine Menschen mehr zur Kirche gehörten, fragte Hartl zurück. Er hatte auch in seinem Eingangsreferat vom Rückgang der Gottesdienstbesucher und der Umnutzung von Kirchen gesprochen. «Ich sehe nicht, dass man von Gott nichts mehr hört, wenn die Kirchen leer sind», entgegnete Werner. Sie erinnerte an Karl Rahners «anonymes Christentum» und sagte, dass sie auch Muslimen den Glauben an Gott nicht absprechen wolle.

«Wie theologisch ist das denn?»

Eine Aussage, der Hartl entgegenhielt, Gunda Werner gebe den Wahrheitsanspruch auf: «Ich finde es erschreckend, wenn Sie sagen, es sei Ihnen egal, an was jemand glaubt. Wie theologisch ist das denn?» – Eine Frage, die Spontanapplaus im Publikum auslöste.

Die Diskussion blieb jedoch nicht im verbalen Schlagabtausch stecken. Im Diskurs mit Nicht-Christen und Andersgläubigen sei es wichtig, die eigene Überzeugung hinter den Stuhl zu stellen, führte Werner weiter aus. «Mich interessiert die ethische Ausrichtung eines Menschen, egal, wie er sie religiös definiert.» Eine Antwort, die Hartl gefiel. Eine «ergebnisoffene Begegnung» begrüsse auch er, «aber nicht alles, was Menschen glauben, ist demokratiefördernd», gab er zu bedenken.

Die existenzielle Relevanz des Glaubens

Daniel Kosch, der in seinem Eingangsreferat den zehn Thesen des MM ebenfalls zehn «von Papst Franziskus inspirierte» Anregungen gegenübergestellt hatte, hielt dem MM zugute, dass es wichtig ist, «uns mit der existenziellen Relevanz des Glaubens auseinanderzusetzen. Wir haben Mühe, über unseren Glauben zu sprechen, nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen». Allerdings bemängelte der Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ), dass das MM auf die politische Dimension des Christentums nicht eingehe.

 

Kosch wies zudem darauf hin, dass biblische Texte heute anders gelesen würden: «Wir sind heute 2000 Jahre weiter. Einen Besessenen bezeichnen wir heute als psychisch Kranken.» Und diese Krankheit werde vielleicht durch schlimme Arbeitsbedingungen des Betroffenen gefördert. Diesem Menschen zu sagen «Jesus hilft» greife zu kurz. Hier sei das MM «unterkomplex».

Grenzen des Buches

Hartl, der die Anregungen von Kosch schon in seinem Eingangsreferat als hilfreich bezeichnet hatte, liess die beiden Kritikpunkte gelten. Zugleich verteidigte er aber das 240-seitige Buch: «Es geht beim MM nur um einen Impuls, um die Grundfrage des Glaubens. Wir können nicht alle Handlungsfelder des Christentums in einem Buch abhandeln.»

Selbstkritisch gab sich Hartl bei der Sprache des MM, die in den Referaten als martialisch und abwertend kritisiert worden war und mit entsprechenden Zitaten belegt wurde. Auch er sei zusammengezuckt bei diesen Zitaten, gab Hartl zu. «Die despektierliche Lesart war mir nicht bewusst». Eine allfällige Neuauflage – ein Vorschlag, den Gunda Werner eingebracht hatte – würde ein differenzierteres Buch. Auch habe das MM seine theologische Tiefe noch nicht entfaltet.

Die eigene Komfortzone verlassen

Urban Federer, Erstunterzeichner des Manifests, ist vor allem die Auseinandersetzung mit diesen Fragen wichtig geworden, wie der Einsiedler Abt auf dem Podium sagte. Schon in seinem Referat hatte er von der Notwendigkeit gesprochen, aus der eigenen Komfortzone aufzubrechen und sich mit dem Begriff «Mission» auseinanderzusetzen.

 

«Sind wir als Gemeinschaft hörend und darum missionarisch?», konkretisierte Federer den Begriff in seinem Referat. Auf dem Podium sprach er vom «Hingehen und auf die Menschen hören». Ein Votum, mit dem er der Diskussion eine entscheidende Wende gab.

Hinhören statt selber sprechen

Seinen Gedanken nahm Daniel Kosch auf: «Wir müssen sehr demütig sein.» Missionarisch sein heisse, neu auf andere Menschen zu hören. Man dürfe jedoch nicht denken: «Wenn ich missionarisch bin, muss ich gleich sprechen.» Ein Schlussvotum, das spontanen Applaus beim Publikum auslöste.

Kommentar zur Tagung.

Hinweis: Interviews mit Johannes Hartl und Daniel Kosch folgen in Kürze auf diesem Portal.


«Mission heisst, näher bei den Menschen zu sein!»

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